Der rosa Streifen für positiv erschien schon, während Jemma den Test noch in den Dämpfen ihrer Pipiprobe schweben ließ!
Meine Schwester fand das alles lustig, gratulierte mir, dass ich dann ja bereits mit 36 Jahren Oma sein würde und vor mir lief mein ganzes Leben, wie ein Film ab, während meine Schwester und Jemma die Frauenärztin anriefen, um möglichst gleich einen Termin zu bekommen.
O M A !
Ich, in der Blüte meines Lebens!
Mitten im festen Vorsatz, mich noch weiter fortzupflanzen, gewillt, mich jung und frisch zu fühlen, sah mich in Faltenrock und Häkelstola, Kopf wackelnd im Schaukelstuhl kauernd und Strümpfe stricken.
Meine Tochter nahm mich in den Arm und sagte nur: "Mama, das kriegen wir schon hin!"
STOPP!
Das war doch mein Part, oder nicht?
Mit einem Ruck schubste ich das zittrige, strickende Mütterchen aus dem Schaukelstuhl, setzte mich aufrecht hin, schaute meine Große an und meinte, so cool ich eben konnte: "Klar, warum sollten wir das denn nicht hinkriegen!"
Eine Stunde später, lag meine Tochter auf der Pritsche der Frauenärztin, die mit dem Ultraschall begann.
Ich plauderte noch locker vor mich hin, fragte naiv, ob man denn überhaupt so einigermaßen berechnen könnte, ob denn Jemma nun im 2. oder 3. Monat schwanger sei. Den Augenblick genoss die Ärztin.
Ich werde nie ihr hämisches Grinsen vergessen, als ich noch bewundernd meinte, sie habe ein tolles Ultraschallgerät, das einen so winzigen Krümel so groß zeigte.
"Och, so viel vergrößert das Gerät gar nicht!" schmunzelte sie "Wir haben sogar Glück, dass wir noch fast den gesamten Körper auf' das Bild kriegen. Aber das ist ja im 5. Monat normal."
Meine Kinnlade saß aber auch locker in den Angeln!
Mein Countdown lief, ich hatte nur noch 5 Monate, die Haare ergrauen zu lassen und Dutt wickeln zu üben.
Die wenigen Tage bis Weihnachten verbrachte ich tagsüber damit, Pläne mit meiner Tochter zu schmieden, wie wir alles mit Kind managen können und nachts, mir darüber bewusst zu werden, welcher neue Lebensabschnitt für mich beginnen würde.
Zu Silvester stand für mich fest, dass ich nun zum letzten Mal auf meine Regel warten würde, um dann nie wieder daran zu denken, selbst noch einmal schwanger zu werden. Schließlich würde ich ja bald Oma sein.
Fünf Tage später hielt ich erschüttert einen Schwangerschaftstest in der Hand und meine Große sprang wild um mich herum.
"Mama, das ist so klasse! Mensch, super, jetzt kriegen wir gleichzeitig ein Baby!"
Und mein Kinnlade ruhte am neuen Stammplatz, auf meiner Brust.
Meinen Mann erwartete nun eine schwere Zeit, denn er hatte zwei Hormonbomben um sich, die sich nichts schenkten und für keine Marotte zu schade waren.
Den ganzen Tag liefen Baby-Dokus und wollte man zu uns vordringen, hatte man erst über Berge von Babykatalogen zu klettern.
Der Erzeuge meiner Enkelin, erst noch ganz euphorisch, besann sich zwei Monate später seiner Jugend, faselte noch etwas von "Freunde bleiben" und ward dann nur noch selten gesehen.
Vier Monate nach dem Enkelchen, sollte unser Baby kommen, aber aus Sympathie trugen Jemma und ich bereits im April den gleichen Bauchumfang.
Alles war auf die Geburt meiner Enkelin vorbereitet, bis auf Jemma und ich, denn die gemeinsam schwangere Zeit gefiel uns und schien viel zu kurz.
Genau eine Woche nach errechnetem Entbindungstermin, stand Jemma morgens gegen 08:00 Uhr vor mir und meinte, sie habe die halbe Nacht auf die Kleine eingeredet, dass sie nun mal langsam rauskommen sollte, aber das renitente Kind habe nur angefangen, ablehnend zu randalieren, da sie nun Rücken- und Unterleibsschmerzen hätte, die sich gar nicht gut anfühlten.
A L A R M !
Wir fuhren sofort zu unserem Gynäkologen fahren, der dann lächelnd feststellte, die Wehen hätten eingesetzt. Er wollte keine Prognose stellen, meinte, es könnte durchaus noch einen oder zwei Tage dauern, bis die Wehen kräftig genug sind, allerdings könnte es auch stündlich stärker werden und wir sollten doch dann lieber in die Klinik fahren. Innerhalb von zwei Stunden wurden die Wehenabstände kürzer und meine Tochter schnaufte bereits bei jeder Kontraktion wütend: "Und das alles nur wegen einem einzigen Apfel! Diese Eva hätte sich mal lieber ne Scheibe Brot schmieren sollen!"
Das war das Zeichen, auf das ich gewartet hatte.
Während die Tasche, samt Jemma Richtung Auto schlurften, rief ich den Erzeuger meiner Enkelin, in der Schule an.
"Holen Dich in 10 Minuten ab! Kind kommt!"
Er sollte dabei sein, um wenigstens das Wunder der Geburt seines ersten Kindes mitzuerleben.
So fuhren wir nun in die Klinik und Jemma wiederholte immer wieder ihre Flüche auf die biblische Stammmutter.
Selten sah ich mein Kind so religiös, wie an dem Tag.
Der Empfang war bescheiden.
Eine äußerst unsympathische Hebamme nahm Jemma, mich und den Erzeuger, in Empfang, kriegte kaum die Zähne zur Begrüßung auseinander und wurde ungehalten, als Jemma, in einer Wehe, in die Knie ging und schnaufte, statt ihr zu antworten.
Zwei oder drei der Unfreundlichkeiten hörte ich mir noch an, als die Hebamme dann jedoch schon zu einer Moralpredigt ausholte, die das Alter meiner Tochter betraf und sie anzischte, sie solle sich nicht so anstellen, gefolgt vom Satz: "Wie es rein kommt, kommt es eben nicht wieder raus, da hätten Sie dran denken sollen, als es noch Spaß machte!", platzte mir dezent der Kragen.
"Wenn Sie jetzt noch ein einziges, respektloses Wort zu meiner Tochter sagen, dann gehen wir beide, Sie und ich, kurz nach draußen und führen ein Gespräch, darauf können Sie sich verlassen. Für anmaßende Predigten gibt es hier keine Prämien und wenn sie jemanden brauchen, an dem sie ihren persönlichen Frust ablassen möchten, stelle ich mich Ihnen gern zur Verfügung. Ich wette, ich kann Ihnen noch etwas beibringen, wenn es darum geht, jemanden herunter zu putzen!"
Die offene Kinnlade schien in dem Jahr eine Modeerscheinung gewesen zu sein, denn genau so starrte mich nun die Hebamme an.
Fünf Minuten später tänzelte sie fröhlich wieder ins Zimmer, ein paar Flaschen Wasser unter dem Arm, drei Gläser und säuselte, wir sollten ja alle keinen Durst haben müssen. Zu spät für einen Sinneswandel ihrer Laune, DIE würde meine Tochter nicht von meiner Enkelin entbinden!
Eineinhalb Stunden, bis zum Schichtwechsel, schleppten wir Jemma durch den Krankenhauspark.
Dann ging nichts mehr, sie wollte zurück.
Eine liebe Hebamme empfing uns, stellte sich als Nicole vor und fragte Jemma, ob sie vielleicht in die Badewanne möchte.
Das Wasser lief ein und wir holten alle Sachen im Gänsemarsch aus dem Kreißsaalzimmer, um sie zur Wanne zu tragen. Vier Mann über den Flur, zwei wieder zurück. Zwei Mann wieder zur Wanne, Mama wieder zurück.
Lautes Quieken aus dem Wasser: "Mamamamamamamama!"
Mama Rückwärtsgang und zurück, Klamotten in die Ecke geworfen, Jemma getätschelt. Die Wehen wurden innerhalb von Minuten stärker, aber Jemma erklärte tapfer, sie bliebe in der Wanne, eine PDA käme nicht in Frage.
Zwei Minuten später schrie sie den Kindsvater an, er solle den Anästhesisten kidnappen, denn genau jetzt sei es an der Zeit, doch eine PDA zu legen.
Der Ärmste hockte rechts von ihr, im Schwitzkasten meiner Ältesten und so zog ich los, die Hebamme davon zu unterrichten, dass wir nun die PDA doch bräuchten.
Halb im Zimmer mit der Wanne, halb vor der Hebamme stehend, die nur lächelnd meinte: "Dachte ich mir doch! Ich rufe ihn gleich!"
Währenddessen hatte ein kleiner Positionswechsel stattgefunden. Der Vater saß plötzlich links neben der Wanne, meine Tochter war weg.
Er war bleich.
"Sie hat mich gepackt und irgendwie landete ich hier. Ist das alles normal?"
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