aber unter der Würde eines klugen Mannes ist, den
Spaßmacher, und eines redlichen Mannes unwert, den
niedrigen Schmeichler zu machen. Allein es gibt einen
gewissen Mittelweg; diesen rate ich einzuschlagen, und da
jeder Mensch doch wenigstens eine gute Seite hat, die
man loben darf, und dies Lob, wenn es nicht übertrieben
wird, aus dem Munde eines verständigen Mannes Sporn
zu größerer Vervollkommnung werden kann, so ist das
Wink genug für den, der mich verstehn will.
Zeige, so viel du kannst, eine immer gleiche, heitere
Stirne! Nichts ist reizender und liebenswürdiger, als eine
gewisse, frohe, muntre Gemütsart, die aus der Quelle
eines schuldlosen, nicht von heftigen Leidenschaften in
Tumult gesetzten Herzens hervorströmt. Wer immer
nach Witz hascht, wem man es ansieht, daß er darauf
studiert hat, die Gesellschaft zu unterhalten, der gefallt
nur auf kurze Zeit und wird bei wenigen Interesse
erwecken; er wird nicht aufgesucht werden von denen,
deren Herz sich nach besserm Umgange und deren Kopf
sich nach sokratischer Unterhaltung sehnt.
Wer immer Spaß machen will, der erschöpft sich nicht
nur leicht und wird matt, sondern hat auch die
Unannehmlichkeit, daß, wenn er einmal gerade nicht
aufgelegt ist, seinen Vorrat von lustigen Kleinigkeiten zu
öffnen, seine Gefährten das sehr ungnädig aufnehmen.
Bei jeder Mahlzeit, zu welcher er gebeten wird, bei jeder
Aufmerksamkeit, die man ihm erweist, scheint die
Bedingung schwer auf ihm zu liegen, daß er diese Ehre
durch seine Schwänke zu verdienen suchen solle; und will
er es einmal wagen, den Ton zu erheben und etwas
Ernsthaftes zu sagen, so lacht man ihm gerade in das
Gesicht, ehe er mit seiner Rede halb zu Ende ist. Wahrer
Humor und echter Witz lassen sich nicht erzwingen,
nicht erkünsteln, aber sie wirken, wie das Umschweben
eines höhern Genius, wonnevoll, erwärmend, Ehrfurcht
erregend.
16.
Gehe von niemand und laß niemand von Dir, ohne ihm
etwas Lehrreiches oder etwas Verbindliches gesagt und
mit auf den Weg gegeben zu haben; aber beides auf eine
Art, die ihm wohltue, seine Bescheidenheit nicht empöre
und nicht studiert scheine, daß er die Stunde nicht
verloren zu haben glaube, die er bei Dir zugebracht hat,
und daß er fühle, Du nehmest Interesse an seiner Person,
es gehe Dir von Herzen, Du verkauftest nicht bloß Deine
Höflichkeitsware ohne Unterschied jedem
Vorübergehenden! Man verstehe mich also recht! Ich
mochte gern, wenn es möglich wäre, alles leere
Geschwätz aus dem Umgange verbannt sehn; möchte,
daß man – ohne Ängstlichkeit – auf sich acht hätte, nie
etwas zu sagen, wovon der, welcher es anhören muß,
weder Nutzen noch wahres Vergnügen haben, woran er
weder mit dem Kopfe noch mit dem Herzen Anteil
nehmen könnte. Weit entfernt bin ich also, das System
solcher Leute empfehlen zu wollen, die jeden ohne
Unterlaß mit leeren Komplimenten, Schmeicheleien oder
Lobsprüchen in die Verlegenheit setzen, ihnen auf
tausend nicht eins antworten zu können. Übrigens tadle
ich auch nicht ein gut gemeintes Höflichkeitswort, ein
verdientes, bescheidenes, zu fernerm Guten
ermunterndes Lob. Ein Beispiel wird meine wahren
Grundsätze darüber deutlicher machen: Ich saß einst an
einer fremden Tafel zwischen einer hübschen,
verständigen jungen Dame und einem kleinen, buckligen,
garstigen Fräulein von etwa vierzig Jahren. Ich beging die
Unhöflichkeit, die ganze Mahlzeit hindurch, mich nur mit
jener zu unterhalten, zu dieser hingegen kein Wort zu
reden. Beim Nachtische erst erinnerte ich mich meiner
Unart; und nun machte ich den Fehler gegen die
Höflichkeit durch einen andern gegen die Aufrichtigkeit
und Wahrhaftigkeit gut. Ich wendete mich zu ihr und
redete von einer Begebenheit, die vor zwanzig Jahren
vorgegangen war. – Sie wußte nichts davon. – »Es ist kein
Wunder«, sagte ich, »Sie waren damals noch ein Kind.«
Das kleine Wesen freute sich innigst darüber, daß ich sie
für so jung hielte, und dies einzige Wort erwarb mir ihre
günstige Meinung – sie hätte mich dieser niedrigen
Schmeichelei wegen verachten sollen. Wie leicht hätte ich
einen Gegenstand zu einem Gespräche mit ihr finden
können, das ihr auf irgendeine Weise interessant gewesen
wäre, und es war meine Pflicht, daran zu denken und ihr
nicht einen ganzen Mittag hindurch die Tür der
Konversation zu verschließen. Jene elende Schmeichelei
hingegen war eine unwürdige Art, den ersten Fehler zu
verbessern.
17.
Wem es darum zu tun ist, dauerhafte Achtung sich zu
erwerben, wem daran liegt, daß seine Unterhaltung
niemand anstößig, keinem zur Last werde, der würze
nicht ohne Unterlaß seine Gespräche mit Lästerungen,
Spott, Medisance und gewöhne sich nicht an den
auszischenden Ton von Persiflage! Das kann wohl
einigemal und bei einer gewissen Klasse von Menschen
auch öfter gefallen; aber man flieht und verachtet doch in
der Folge den Mann, der immer auf andrer Leute Kosten
oder auf Kosten der Wahrheit die Gesellschaft vergnügen
will, und man hat Recht dazu; denn der gefühlvolle,
verständige Mensch muß Nachsicht haben mit den
Schwächen andrer; er weiß, welchen großen Schaden oft
ein einziges, wenngleich nicht böse gemeintes Wörtchen
anrichten kann; auch sehnt er sich nach gründlicherer
und nützlicherer Unterhaltung; ihn ekelt vor leerer
Persiflage. Gar zu leicht aber gewöhnt man sich in der
sogenannten großen Welt diesen elenden Ton an; man
kann nicht genug davor warnen.
Übrigens aber möchte ich auch nicht gern alle Satire
für unerlaubt erklären noch leugnen, daß manche
Torheiten und Unzweckmäßigkeiten im weniger vertrauten
Umgange am besten durch eine feine, nicht beleidigende,
nicht zu deutlich auf einzelne Personen anspielende
Persiflage bekämpft werden können. Endlich bin ich
auch weit entfernt zu fordern, man solle alles loben und
alle offenbaren Fehler entschuldigen, vielmehr habe ich
nie den Leuten getraut, die so merklich affektieren, alles
mit dem Mantel der christlichen Liebe bedecken zu
wollen. Sie sind mehrenteils Heuchler, wollen durch das
Gute, das sie von den Leuten reden, das Böse vergessen
machen, das sie ihnen zufügen, oder sie suchen dadurch zu
erlangen, daß man ebenso nachsichtig gegen ihre
Gebrechen sei.
18.
Erzähle nicht leicht Anekdoten, besonders nie solche, die
irgend jemand in ein nachteiliges Licht setzen, auf bloßes
Hörensagen nach! Sehr oft sind sie gar nicht auf
Wahrheit gegründet oder schon durch so viele Hände
gegangen, daß sie wenigstens vergrößert, verstümmelt
worden, und dadurch eine wesentlich andre Gestalt
bekommen haben. Vielfältig kann man dadurch
unschuldigen guten Leuten ernstlich schaden und noch
öfter sich selber großen Verdruß zuziehn.
19.
Hüte Dich, aus einem Hause in das andre Nachrichten zu
tragen, vertrauliche Tischreden, Familiengespräche,
Bemerkungen, die Du über das häusliche Leben von
Leuten, mit welchen Du viel umgehst, gemacht hast, und
dergleichen auszuplaudern! Wenn dies auch nicht
eigentlich aus Bosheit geschieht, so kann doch eine
solche Geschwätzigkeit Mißtraun gegen Dich und allerlei
Zwist und Verstimmung veranlassen.
20.
Sei vorsichtig im Tadel und Widerspruche! Es gibt wenig Dinge
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