Außerdem bin ich auf euer Geld angewiesen, weil ich als politischer Aktivist Opfer der Unterdrückung durch aktuell noch soziomane Staatsorgane auf eurem Planeten geworden bin. Es kam irgendwie nicht besonders gut an, als ich einem irdischen Beamten aufgrund seiner Unverschämtheit gerechtfertigterweise meinen Androidenspeichel ins Gesicht gespuckt habe, weil er mich zwingen wollte, einer sinnlosen, selbstzerstörerischen Erwerbsarbeit nachzugehen. Das Ganze war eine Verschwendung von Körperflüssigkeit. Helft mir dabei, nicht arbeiten zu müssen, und meine Körperflüssigkeiten weiter sinnvoll zu nutzen. Helft mir, indem ihr meine Bücher kauft.
Vielen Dank.
»Hey, wer ist das denn? Da versaut uns wohl jemand gerade unsere wertvollen Daten.«
»Mist, die Sequenz müssen wir wohl jetzt rausschneiden.«
Schon wieder ein Traum? Habe ich meine Leser etwa noch nicht oft genug mit Träumen belästigt oder gar gequält? Ich hoffe jedenfalls, was ich sehe, ist ein Traum, denn vor mir hängt Hündchen gerade in einer Art Zahnarztstuhl an irgendwelchen Geräten und Schläuchen, krank, müde, mit den dunkelsten Augenringen, die ich jemals gesehen habe, aber immerhin lebendig. Habe ich damals im Krankenhaus auch so unzumutbar ausgesehen? Wieso wischt ihm keiner den Sabber aus dem Gesicht? Schlimm, dass ich gerade daran denke, dass Hündchen unsexy aussieht und ich damals wohl ebenfalls für Hündchen derart unsexy aussah. Wieso habe ich solche verstörenden Gedanken zu den unmöglichsten Zeiten? Ich habe früher gerne geleugnet, dass ich ein Mensch bin, ein Mensch mit all diesen verwirrenden Gefühlen und Bedürfnissen. Aber genau das bin ich: Ein Mensch.
Ich muss meinen Blick abwenden und bleibe starr stehen, bis mich schließlich eine Hand von hinten an der Schulter packt. Ich werde unsanft aus dem Raum geführt, stolpere fast über meine eigenen Füße und muss mich darauf konzentrieren, dass ich nicht hinfalle. Entsetzt stelle ich fest, ich konnte keinen Augenblick erkennen, ob Hündchen auf mich in irgendeiner Form reagiert hat. Kann Hündchen überhaupt noch auf mich reagieren? Die Tür wird abgeschlossen und ich sehe weder die Hand noch die Person, die mich rausgeführt hat. Keine Erklärung. Keine Aufforderung zu warten. Nichts. Niemand ist da, um mit mir zu sprechen.
Ich brülle: »Was ist hier los? Was habt ihr mit meinem Hündchen gemacht?«
Niemand reagiert auf mich. Niemand hört mich. Niemand hat Zeit für mich. Alle hier scheinen beschäftigt zu sein. Ich bin anscheinend nur eine kurze Unterbrechung gewesen, die man schnell und unkompliziert wegmacht, wie nervige, ungebetene Werbung vor einem Internetvideo. Deren Problem hat sich erledigt. Mit Problemen muss man nicht sprechen. Man schweigt sie an und schubst sie einfach raus, so dass sie fast auf die Fresse fallen. Ich will an die Tür hämmern. Nein, ich will sie aufbrechen. Nein, ich will einfach nur schreien. Halt! Stopp!
Ich versuche mich zu beruhigen. Die Forscher können wahrscheinlich nichts dafür. Hündchen hat die Behandlung freiwillig an sich machen lassen. Hündchen wird trotz aller Risiken darauf bestanden haben, weil es womöglich von den Forschern getäuscht wurde. Ich spüre drückende Schmerzen in der Brust. Ich muss hier raus. Hündchen ist jetzt anders. Jeder weitere Anblick, jeder weitere Gedanke führt zu einem neuen Trauma. Ich fühle mich jetzt schon wie niedergestochen. Nur diesmal ist es nicht mein Bauch, sondern mein Herz. Noch weitere Gedanken oder ein erneuter Anblick Hündchens in diesem elenden Zustand werden ein weiterer Stoß in mein Herz sein. Ich will nicht wieder in alte Muster zurückfallen. Ich wusste es. Menschen verletzen einen immer irgendwann. Wenn sie einen nicht direkt verletzen, dann wenigstens indirekt, wie Hündchen mit der dummen Entscheidung, sich behandeln zu lassen, obwohl es wusste, dass die Hirnoperation gefährlich ist, obwohl es wusste, dass meine Gefühle... Moment, meine Gedanken sind gerade widersprüchlich. Oder sind sie klar die Wahrheit? Aua! Mein Kopf!
Nachdem ich aus dem Forschungszentrum hinausgestolpert bin, bleibe ich vor der Eingangstür stehen, nicht weil ich umdrehen will. Nein, die Gedanken, die nicht verschwinden wollen, bohren sich von meinem Kopf nach unten in meine Brust. Ich atme schwer. Hirn! Hör auf! Grüble nicht, sondern träume! Träume von der Welt, in der du dich jetzt befindest. Sie ist gut. Sie ist lebenswert. Siehe was du … nein! Nicht Hündchen! Hündchen existiert nicht … nicht mehr. Hündchen hat NIE existiert … war immer nur dein Trugbild. Schluss damit Hirn! Siehe was DU, also ICH geschaffen habe. Erfreue dich daran. Los! Erfreue dich daran! Ich öffne die Eingangstür des Krankenhauses. Der medizinische Geruch wird nun verdünnt von der frischen, sauberen Luft einer neuen modernen Großstadt. Die Lungen füllen sich mit diesem vitalisierendem Trost.
Ich fühle beschichtetes Papier in meiner Hand. Woher kommt das? Ich führe meine Hand in Richtung meiner Augen, damit ich das Papier näher betrachten kann. Es ist eine Broschüre: »BESCHEUERT??? Werde jetzt ganz einfach normal!«, steht dort in großen Buchstaben. Wann ist mir die denn in die Hände geraten? Was für ein Albtraum. Ich kann mich nicht erinnern, bin verwirrt. Was ist mir wohl noch alles entgangen? Ich blättere die Broschüre durch, ohne sie wirklich zu lesen. Mein Blick ist starr. Ich gehe weiter und werfe sie in den Mülleimer.
Die Broschüre wäre auch nicht hilfreich gewesen, nicht für Hündchen, nicht für mich, nur für alle anderen. Trotzdem brauche ich jetzt etwas, womit ich mich beschäftigen kann. Wieso habe ich mir kein Buch mitgenommen und warum habe ich mein Nanophone vergessen? Ich Schussel! Zu gern, hätte ich irgendetwas gehabt, was mich von dem ablenkt, was ich glaube, gerade gesehen zu haben.
Ein »Rattarattaratta...«, »Brumbrummbrrrummm...« oder »Tacktacktack...« würde mir genügen, damit ich verdrängen kann, worum meine Gedanken kreisen, aber dieses neue öffentliche Verkehrsmittel ist bedauerlicherweise unglaublich leise. Die Einzigen, die ohrenbetäubend laut schreien, bleiben meine Gedanken. Sie sind weiterhin laut, aber sie haben sich verändert. Ich versuche verzweifelt, die letzte Erinnerung an Hündchen zu löschen, denn sie stört und verzerrt alle anderen Erinnerungen, die ich an Hündchen habe. Doch es bringt nichts.
Der fahrerlose Straßenzweisitzer A.S.T. – Automatic Slim Taxi, das beliebte neue öffentliche Verkehrsmittel, tut mir nicht den Gefallen, laut zu sein, damit ich endlich mit dem quälenden Grübeln aufhören kann, welches schon so viele Wissenschaftler als krankmachend beschrieben haben. Vielleicht hätte ich nostalgisch sein sollen und hätte auch für den Heimweg besser den antiquierten Bus mit den Soziomanen benutzt. A.S.T. und Bus zeitgleich gibt es nur noch zwei Monate, denn dann tritt das neue pPNV-Gesetz in Kraft, womit der private Personennahverkehr kostenlos wird. Tausende neu gefertigte A.S.T.s stehen kurz vor der Auslieferung, niemand braucht dann noch ein stickiges Massengefährt. Auf dem Hinweg im Bus hatte ich mir noch ein A.S.T. gewünscht, aber ich war zu aufgebracht, konnte nicht klar denken, bin einfach los, als lebte ich noch in der Vergangenheit. Diese Entscheidung hatte mich viel Zeit und noch mehr Nerven gekostet. Was für ein düsterer Anachronismus war es doch, mit all den schmutzigen, lauten Gestalten in einer klappernden Blechdose zu einem Haltepunkt gebracht zu werden, an dem sich dann nicht nur noch größere Menschenmengen befinden, sondern der außerdem noch hunderte Meter vom eigentlichen Ziel entfernt ist. Vielleicht war es unterbewusste Nostalgie, die mich vorhin in den Bus gelockt hatte, vielleicht waren es liebgewonnene Erinnerungen an den Tag, als mich Hündchen von der Bushaltestelle in unser Café rettete.
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