man sagen kann, am Samstag habe die Arbeit begonnen.
Anderswo, bei Oldenburg herum, hält man darauf,
am Freitage mit dem Schneiden zu beginnen.
Wählt man einen anderen Tag, dann kommt die
Frucht schlecht zu Hause oder wird im Fach durch
Mäusefraß vernichtet. In den protestantischen Landesteilen
wird als Hochzeitstag der Freitag bevorzugt, in
den katholischen Landesteilen der Dienstag und Donnerstag.
In einem Falle hält man den Freitag für einen
Glückstag, in andern für einen Unglückstag. Es
mögen auch praktische Gründe für die Wahl dieser
Tage sprechen, aber sie sind nicht entscheidend.
Es gab eine Zeit, wo alles, was etwas gelten wollte,
gegen den Aberglauben eiferte. Das war die Zeit der
Aufklärerei zu Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts.
In Schulen und Kirchen und wo sonst von
Unterricht und Belehrung die Rede war, hatte man
nichts Eiligeres zu tun, als auszurotten und vergaß
über dem Ausrotten das Pflanzen. Der Aufschwung,
den das patriotische Leben nach den Freiheitskriegen
nahm, sollte auch dem Aberglauben zugute kommen.
Die Dichter waren die ersten, welche sich des verfolgten
Aberglaubens annahmen und von manchem behaupteten,
daß er doch wenigstens poetisch wäre und
ein Recht auf Dasein habe. Das ganze schöne Reich
der Märchenwelt ist ja ein Reich des Aberglaubens,
und wer nur z.B. die schönen Haus- und Kindermärchen
der Gebrüder Grimm lesen und sich an ihnen
freuen will, muß seine Portion Aberglauben haben.
Das soll heißen, er muß poetisch glauben an Hexen
und Nixen, an das Gespräch der Tiere und Bäume, an
verzauberte Schlösser und verwünschte Prinzessinnen,
an Meilenstiefel und gefeiete Schwerter und wie
die Dinge alle heißen, die alle nicht wahr und doch so
schön sind. Dem Dichter macht jetzt niemand mehr
den Aberglauben zum Vorwurf.
Im Grunde ist der Volksaberglaube wie er sich
durch den Tag kundgibt, eine ungefährliche Sache, ja
nicht blos ungefährlich, er ist unter Umständen sogar
nützlich; manches ist ergötzlich, spaßig, anderes gilt
endlich für Aberglauben und ist doch nur ein alter,
guter, sinniger Gebrauch. Wenn ich dem Kinde sage:
»Das Messer leg nicht mit der scharfen Klinge in die
Höhe, es tut die lieben Englein weh,« wie im Volks-
boten 1853, S. 193, treffend ausgeführt wird, so ist
das Aberglaube, hat aber seinen Nutzen, und vernünftige
Pädagogen werden nichts dagegen einzuwenden
haben. Wenn ich dem Knaben sage: »Geh nicht zu
nah ans Wasser, die Nixe zieht dich nein« oder die
Mutter droht den Kindern: Geht nicht an die Erbsen,
die »Erftenmoder«, oder: Geht nicht in das Roggenfeld,
die »Roggenmoder« faßt euch, so ist das wiederum
Aberglaube, aber wirkt er schädigend auf die Erziehung?
Dann ist es auch schädlich, wenn man die
Kinder bei dem Glauben läßt, der Weihnachtsmann
oder das Christkind habe zu Weihnachten die Gaben
gebracht. Der Satz: Heb deine Fäuste nicht gegen den
Vater auf; wer seine Eltern schlägt, dem wächst die
Hand aus dem Grabe heraus, predigt er Aberglauben,
und wenn er ihn predigte, ist er ohne sittliche Kraft?
Wenn es heißt: Wer die Butter zuerst anschneidet, bekommt
in 7 Jahren keine Frau, so liegt darin die Mahnung
an die junge Welt, den älteren Leuten den Vortritt
zu lassen. Wenn es früher hieß, als noch der
Flachsbau und das Spinnen hierorts in Würden stand,
wer am Sonntag spinne, dem würden von unsichtbarer
Hand die Fäden zerschnitten, so lag diesem Aberglauben
die Mahnung zu Grunde: Gedenke, daß du den
Sabbat heiligest. In den »Zwölften« soll man die
Obstbäume mit einem Strohband umwickeln, rät der
Aberglaube, dann tragen sie gut. Wer der Mahnung
folgt, wird auch sonst um seine Bäume Sorge tragen.
– Daß der Aberglaube auch dazu beiträgt, daß
der Humor nicht untergeht in unserer öden Welt, kann
man sehen, wenn die junge Welt sich in der Neujahrsnacht
am Bleifigurengießen belustigt, oder wenn das
Volk seine Freude hat, wenn es den Jäger mißvergnügt
sein Heim aufsuchen sieht, weil ihm beim Ausgange
ein altes Weib über den Weg gelaufen ist, oder
wenn es heißt, daß man Unglück hat, wenn einem das
Butterbrot aus der Hand und auf die geschmierte Seite
fällt.
Was dem Aberglauben von jeher soviel Feindschaft
eingetragen, ist der Glaube an seine große Gemeingefährlichkeit.
Es ist sicher, daß der Aberglaube der
Menschheit schon viel Schaden an der Ehre, Gesundheit
und Vermögen zugefügt hat, man denke an den
früheren Hexenwahn, aber was noch besteht, ist nicht
so schädlich, als der moderne Aberglaube, der in den
Klassen sich breit macht, welche sich auf ihre Bildung
und Gesittung etwas zu gute tun und auf den
Bauernaberglauben verächtlich herabblicken. Immerhin
sucht auch noch der Volksaberglaube täglich
seine Opfer; z.B. ein Überrest des alten Hexenwahns,
der Glaube, daß gewisse Leute dem Vieh oder Kindern
durch bösen Blick oder sonst Unheil zufügen
können und auch wirklich zufügen, spukt noch stark
im Volke und wird von heute auf morgen nicht ver-
schwinden. Viel Leid hat dieser Glaube schon verursacht
und verursacht es noch täglich. Es ist deshalb
ganz verkehrt, wenn Leute, die im Volke stehen und
im Volke wirken müssen, sich um den Volksaberglauben
nicht kümmern, sondern sich stellen, als wäre
derselbe nicht vorhanden oder gehe sie nichts an. Wer
im Volke zu wirken hat, muß sich auch um dessen
Aberglauben kümmern, er lernt dann die Denk- und
Handlungsweise seiner Mitmenschen besser verstehen,
kann unter Umständen aufklärend handeln und
Schäden abwenden oder mildern. Dabei hüte man sich
aber vor einem falschen Optimismus. Wer den Kampf
mit dem schädlichen Aberglauben aufnimmt und
glaubt, über kurz oder lang alles abergläubische
Wesen bannen zu können, wird vor Überraschungen
nicht bewahrt bleiben. Die allgemeine natürliche Neigung
zum Aberglauben ist einmal da, wie zu Anfang
dieses Aufsatzes bemerkt wurde, und wird sich nicht
ausrotten lassen. Man muß mit ihr rechnen. Ein übriges
tut die Gewinnsucht, welche die Schwächen der
Menschheit ausbeutet und somit zur Erhaltung bezw.
Ausbreitung abergläubischen Unfugs beiträgt.
Von großem Werte ist das Studium des Volksaberglaubens
für die M y t h o l o g i e . Ein sorgfältiges
Durchforschen des Aberglaubens, der Sagen, der alten
Gebräuche und Volkssitten hat die deutsche Mythologie
erst möglich gemacht, und jede weitere Forschung
auf diesem Gebiete bietet Gewähr für eine Bestätigung,
Berichtigung und Bereicherung bislang gewonnener
Kenntnisse. Heidnische Vorstellungen und Begriffe
nahmen hier und dort den Charakter der Volkssitte
an und wurden in dieser Gestalt aus dem Heidentum
in das Christentum herübergenommen. Der
»Zwölften« ist bereits gedacht, wir erinnern überdies
an die Johannisfeier, Sylvestertreibereien, Peterbult,
Osterfeuer, Nikolausgebäck. Wer da weiß, welch zähe
Lebenskraft der Volkssitte auf allen Gebieten des Lebens
eigen ist, darf sich nicht wundern, wenn das
Christentum mit solchen Bräuchen sich abfinden
mußte. Entweder beließ es das Volk bei denselben in
der Erwartung, mit dem allmählichen Verschwinden
des Heidentums werde auch die heidnische Sitte verschwinden,
oder es suchte den alten Bräuchen eine
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