„Wieso nicht? Ich habe für den Rest des Abends nichts geplant. Ich würde sie gerne näher kennenlernen Jana. Wenn es sein muss, auch während der Autofahrt.“
Der Gedanke, diesen Mann nie wieder zu sehen, gefiel Jana gar nicht, dennoch sage sie: „War nett sie kennen zu lernen.“, und ging.
Weder er, noch sie, konnten sich auf das Theaterstück konzentrieren. Da Edward ein paar Reihen hinter Jana saß, fühle sie sich unwohl und beobachtet. Die zweite Hälfte neigte sich dem Ende zu und Janas Uhr zeigte, dass sie gehen musste. Als sie den Ausgang erreichte, spürte sie eine Hand auf ihrer Schulter.
„Bleiben sie doch“, horte sie Edward flüstern. „Schauen sie, ich bin kein Verbrecher. Ich bin Arzt und anständig.“, reichte er ihr seinen Personalausweis.
„Steht es hier drin, dass sie anständig sind?“, lächelte Jana, da sie nicht wirklich annahm, dass er ein schlechter Mensch wäre, der ihr was antun möchte.
„Dr. Edward Kiessling“, las sie in seinem Ausweis. Schnell rechnete sie aus, wie alt er sei und musste feststellen, dass er ihr Vater sein könnte. Edward war dreiundvierzig. Nie hätte sie es vermutet.
Er sah sie mit einem verführerischem Blick an, worauf Jana flüsterte: „Na gut, aber wir bleiben hier stehen. Ich will nicht noch mehr Unruhe stiften.“.
Beide lehnten sich gegen die Wand an und verfolgten das Stück bis zum Ende.
Jana war froh geblieben zu sein. Sie ließ es sich nicht nehmen, Markus persönlich zu gratulierten.
„Du warst soooo toll. Fantastisch.“, sagte sie.
„Wirklich?“, fragte Markus verlegen.
„Ja, wirklich. Das weißt du doch. Ich muss jetzt gehen. Falls man mich suchen sollte, bin ich von einem gutaussehendem Doktor, der mich nach Hause fahren wollte entführt worden.“
„Wie?“
„Ich werde dir am Montag Bericht erstatten.“, lächelte Jana und lief davon.
„Pass auf dich auf. Schön, dass du da warst.“, schrie Markus ihr nach.
Jana war sich absolut nicht sicher, ob der charmanter Mann tatsächlich vor´m Eingang des Theaters auf sie warten würde, wie sie vereinbart haben. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass Edward wirklich an der ausgemachten Stelle nach ihr Ausschau hielt.
„Darf ich´s ihnen abnehmen?“, fragte er bezüglich ihres Rucksacks.
„Es geht schon“, sagte Jana schmunzelnd. „Vielleicht wollen sie es klauen“, fügte sie hinzu.
„Ach ja, ich könnte mich ja doch als Verbrecher entpuppen.“, lachte Edward, öffnete die Tür seines Wagens und verstaute jede Menge Ordner wie Papierkram auf den Hintersitz.
„Bitte sehr die Dame.“, ließ er Jana einsteigen und fragte: „Wo ist den am Arsch der Welt?“.
„Burghausen. Sagt´s ihnen was?“
„Sicher, die schöne Burg... Die längste Europas sagt man.. Stunde, ein und halb werden wir brauchen.“, sah Edward auf seine Rolex.
„Wissen sie was? Es ist nicht so schlimm, wenn ich heute nicht nach Hause komme. Ich kann ja morgen früh den ersten Zug nehmen.“, meinte Jana.
„Kommt nicht in Frage. Ich hab´s ihnen angeboten und fahre sie auch hin. Auch wenn es am Arsch der Welt ist.“
„Nein, wirklich. Ich habe es mir anders überlegt. Wirklich.“, beteuerte sie.
„Aber sie gehen mit mir essen?“
Jana nickte, machte ihren langen Beinen Platz und lehnte sich zurück im Edwards luxuriösem Wagen.
„Pendeln sie jede Woche?“, fragte Edward, der sich immer nervöser und unbeholfener vorkam.
Die Frau faszinierte ihn. Ihre zierliche Figur und ihr engelgleiches Gesicht weckten in ihm einerseits den Beschützerinstinkt, anderseits machte ihn Janas stolze und selbstbewusste Haltung unsicher. Er war ein geschiedener Mann, der sich voll und ganz seiner Kariere gewidmet hat und nie daran dachte eine feste Bindung einzugehen. Zwar hatte er immer wieder heiße Affären, meistens mit Krankenschwestern, auch mal mit einer Ärztin, die ihm noch Monate nach dem er es beendet hat die Hölle heiß machte, doch an keine dieser Frauen wollte er sich ernsthaft binden.
„Ja.Wenn es sich irgendwie einrichten lässt fahre ich nach Hause. In München habe ich nicht all zu viele Freunde und meine WG Bewohner sind auch meistens weg am Wochenende.“
„Also, sie leben in einer WG?“
„Ja.Und sie? Ein waschechter Münchener?“
„Ja und nein.“, antwortete Edward knapp. „Ich nehme an sie studieren?“, fragte er.
„Ja. Kunstwissenschaften, zum Leidwesen meines Papas. Er nennt es immer brotlosen Zweig, aber mir gefällt es....Wussten sie schon immer, dass sie Arzt werden wollen?“
„Ja. So ist das. Auch wenn ich vieles nicht wusste, das wusste ich schon immer.“, antwortete Edward nachdenklich.
Es war tatsächlich so, dass er schon als Kind mehr für Biologie übrig hatte wie andere Gleichaltrigen und einen Mikroskop zu besitzen war sein größter Wunsch gewesen. Ein Wunsch, den seine Eltern ignoriert haben, ihn nicht selten dafür bestraften, mit bösen Blicken und Worten wie: „Gott hat uns erschaffen, mehr hat dich nicht zu interessieren.“.
„Wir sind da.“, sagte Edward und verbannte seine negativen Gedanken.
Er führte Jana in ein nobles Restaurant, in dem sie sich von Anfang an unwohl fühlte.
Die Preise in der Speisekarte waren überdimensional und das steife Ambiente sagte ihr gar nicht zu.
Obwohl das Essen und der dazu empfohlene Wein vorzüglich waren, war Jana froh wieder sie selber sein zu dürfen, als sie die Lokalität verließen.
„Hat es ihnen gefallen?“, fragte Edward.
„Ganz ehrlich?“
„Ja. Ich bitte darum.“
„Nun ja, das Essen war toll, aber es war alles so steif und leblos.... Ich meine... Die Menschen dort drin sind so auf ihr gutes Benehmen fixiert, dass sie vergessen sich am Kopf zu kratzen. Und ich habe Blasen an den Füßen.“
„Was?“ Edward lachte wieder.
„Ich habe neue Schuhe an. In einem normalen Lokal hätte ich die Schuhe schön längst ausgezogen, aber da! Da hätte man mich wahrscheinlich verbannt.“
Edward lachte nur noch. Janas Art gefiel ihm immer mehr.
„Na nun... Gehen wir dahin, wo sie ihre Schuhe ausziehen können.“, sagte Edward, trotz des eigenen Wiederwillens, den restlichen Abend in einer des angesagten Szenebars zu verbringen. Am liebsten hätte er die hübsche Frau mit nach Hause genommen, war sich jedoch ziemlich sicher, dass er einen Korb kassieren würde.
„Klar, zuerst muss ich aber meine Mum anrufen. Sie wird sich Sorgen machen wo ich bleibe.“
„Hier.“ Edward gab Jana sein Handy. Er nahm an, sie würde keines besitzen.
„Cool.“, sagte Jana und wählte die Nummer ihrer Eltern.
„Wo bist du?“, schrie ihre Mutter ins Telefon. „Ich mache mir schon solche Sorgen. Und ich habe gekocht.“
„Sorry Mum, ich habe den letzten Zug nicht erwischt. Ich war ja beim Markus im Theater.“
„Was ist es für eine Nummer?“
„Gehört ´nem Freund.“, antwortete Jana und versprach am Vormittag des kommenden Tages nach Hause zu kommen.
„Meine Mutter tut so, wie wenn ich immer noch zwölf wäre.“, wandte sie sich wieder Edward zu.
„Wie alt sind sie eigentlich?“
„Nicht minderjährig, falls sie es befürchten Herr Doktor.“
Ihm gefiel, dass sie ihn so nannte, dennoch bot er sie ihn zu duzen.
„Ich werde dich trotzdem Herr Doktor nennen.“, lächelte Jana und schlug tatsächlich vor, in eine unter den Studenten angesagte Bar zu gehen.
Diesmal war es Edward, der sich nicht ganz wohl fühlte in Gesellschaft des zum größten Teil doch sehr jungen Publikums. Er versuchte mit ein paar Drinks die eigene Stimmung zu heben, was ihm auch gelungen war. Mit Begeisterung erzählte er von seiner Forschungsarbeit an einem neuen Medikament und seinem Engagement in Äthiopien.
„Erzähle mir die Geschichte.“, sagte Jana, als Edward am Rande seiner Erzählung eine Wüstenmaus, die er verspeisen musste erwähnte.
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