„Keine Zeitung heute Herr Doktor?“, scherzte sie dann beim Frühstück.
„Nein. Heute nicht.“, meinte Edward und gab Jana einen Kuss.
„Ich habe das erste Mal im Leben die Uni geschwänzt.“
„Und ich habe meinen Steuerberater versetzt, was mir aber egal ist.“
„Es soll dir nicht egal sein, wir sind furchtbar! Liegen bis zehn im Bett und vergessen die Welt um uns herum. Furchtbar!“ Jana versuchte ernst zu klingen, was ihr nicht gelang.
„Wieso nicht? Wir können es uns leisten.“
„Du kannst es dir leisten.“, sagte Jana. „Du!“, betonte sie.
Edward war nicht gewillt auf Janas Äußerung zu antworten. Ihm war es bewusst, dass jedes Wort aus seinem Munde zu einem unangenehmen Gespräch führen würde.
„Hast du dir frei genommen?“, lenkte auch Jana vom Thema ab.
„Wieso fragst du?“
„Na mein Geburtstag. Wir wollten doch zusammen zu mir nach Hause fahren.“
„Ohhh.. Ja...“, kratzte sich Edward am Kopf. „Es wird nicht gehen. Leider. Ich muss nach Berlin. Ich hab´s total vergessen es dir zu sagen.“, log er.
„Schon wieder? Du hättest meine ganze Familie kennenlernen können. Meine Mutter hat sicher wie immer Gott und die Welt eingeladen. Und am Abend gehe ich mit paar Freunden feiern. Es wird sicher lustig.“
„Beim nächsten Mal.“, sagte Edward. Ihm war bewusst, dass er auch das nächste Mal eine Ausrede finden würde, um Janas Eltern wie Freunde nicht kennenlernen zu müssen. Er konnte sich nicht erklären, wieso ihm eine Familienfeier eher Kopfzerbrechen wie Freude bereitete.
„Musst du wirklich nach Berlin?“, hackte Jana nach.
„Ja.“, sagte Edward und verschwand im Bad.
Während der Zugfahrt nach Hause, sah sich Jana immer wieder die Uhr an, die ihr Edward am Vorabend zum Geburtstag geschenkt hat. Unter die Freude über das kostbare Geschenk mischte sich auch die Enttäuschung über Edwards Abwesenheit ein. Nur zu gerne hätte sie ihn ihren Eltern vorgestellt. Beim besten Willen konnte sie ihm die Dringlichkeit seiner Reise nach Berlin abkaufen.
„Schön.“, sagte Claudia, als sie die funkelnde Uhr am Handgelenk ihrer Tochter sah und entdeckte bei näherem Hinsehen das Kartier Logo.
„Die ist ja ein Vermögen wert.“, beäugte auch Janas Vater die Uhr. „Für so was wurde schon so Manchem die Hand abgehackt.“, lachte er und bemerkte, dass sich seine Frau für Jana nicht freuen konnte.
„Seit ihr wirklich nur Freunde, du und dieser Edward?“, fragte Claudia.
„Vielleicht bisschen mehr als das. Er will nächstes Wochenende nach Paris mit mir.“, sagte Jana halblaut.
„Was studiert er?“, fragte jetzt Hubert seine Tochter.
„Medizin. Er ist Arzt...“, antwortete Jana und war froh ihre Tante samt Anhang zu sehen, womit sich das Thema Edward erübrigt hat.
Obwohl sich Claudia ihre schlechte Laune nicht anmerken lassen wollte, gelang es ihr nicht, diese vor ihrer Tochter zu verstecken.
„Was hast du Mama?“, latschte Jana ihrer Mutter in die Küche nach.
„Nichts.“
„Doch. Du hast was.. Es ist wie immer alles toll. Du hast den besten Kuchen der Welt gebacken und das Essen war...“
„Irgendwann kommst du gar nicht mehr Heim. Wieso muss es ein Freund aus München sein? Wieso niemand von hier... So wie Lydias Freund.... Ach Gott... Ich habe Angst dich zu verlieren.“, gab Claudia mit Tränen in den Augen zu.
„Hör auf Mama. Du weißt doch, dass ich ohne dies alles hier nicht leben könnte. Edward hin oder her. Ich werde immer nach Hause kommen.“, umarmte Jana ihre Mutter, war sich aber nicht sicher, ob sie gerade die Wahrheit sagte. Sie vermisste Edward mehr, wie sie ihre Familie vermisste, als sie in München war.
Als Jana am Sonntag Abend in der WG ankam, war ihr nicht mal danach Edward anzurufen. Sie war müde und ihre Laune war auch schon mal besser. In Ruhe packte sie ihre Sachen aus, ordnete ihre Unterlagen für die Uni und ging zeitig ins Bett. Ihr fehlte mittlerweile der Schlaf durch die langen Nächte mit Edward und das lange Feiern mit Freunden bei „Flavio“ lag ihr noch in den Knochen. Am nächsten Morgen, kam sie sich wie neu geboren vor. Sie nahm sich vor, wenigstens einen Abend in der Woche für sich selber zu sein, was Edward nicht nur einmal auf die Palme trieb. Er versuchte seine Unmut darüber nicht mal zu verstecken.
„Für was zum Teufel tust du dir das an?“, fragte er Jana, als diese ihre Semesterarbeit erwähnte.
„Für mich.“, antwortet sie kurz und knapp, um dieses Thema so schnell wie möglich zu beenden. Immer mehr fühlte sie sich von Edward eingeengt, wenn es um ihr Leben ging. Um ihr Studium, ihre Familie, ihre Freunde. So bald Jana ihre Eltern besuchen wollte oder eine Nacht in der WG verbrachte war Edward schlechter Laune. Jedes mal, wenn er zu kurz kam, versuchte sie wie ein kleines Kind es wieder gut zu machen in dem sie ihn sogar nach der Uni in seinem Büro besuchte. Auch an diesem Tag versuchte sie seine Laune zu heben in dem sie ihm von der Affäre ihres Professors, die in der ganzen Uni für Aufsehen sorgte erzählte, als eine schwarzhaarige Ärztin sein Büro betrat.
„Oh sorry. Störe ich?“, sagte die schlanke Frau, als sie Jana sah.
„Nein, nein, komm rein.“, sagte Edward, nahm gleichzeitig der Frau ihre Unterlagen ab und vertiefte sich im Patientenbericht. Er war ein brillanter Diagnostiker und nicht selten wurde er sogar von anderen Kliniken um Rat gefragt.
„Hallo.“, sagte Jana, als sich die Blicke der Frauen trafen.
Alicia befand es nicht für nötig der jungen Frau zu antworten
„So können wir unmöglich operieren, oder?“, fragte sie Edward stattdessen.
Edward seufzte, was nichts gutes für den Patienten bedeutete und sagte: „Nein, keineswegs.“
Er gab der Ärztin paar Anweisungen, wovon Jana so gut wie nichts verstand.
„Ach so...“, sagte Edward. „Ich habe euch noch gar nicht vorgestellt. Jana, Alicia. Alicia, Jana.“
Die beiden Frauen reichten sich die Hände, eher aus Anstand wie aus Sympathie.
„Sind sie Praktikantin?“, fragte Alicia in einem herablassendem Ton.
„Jana ist meine Freundin.“, ergriff Edward das Wort.
„Ach so?“, musterte die Ärztin Jana von Kopf bis Fuß.
Im gleichen Augenblick ertönte Edwards Handy.
„Oh endlich. Der Innenarchitekt.“, sagte er und ging in das angrenzende Zimmer um zu telefonieren.
„So ,so... Sie sind also Edis neue Freundin.“, starrte Alicia immer noch ihr Gegenüber an.
Jana war nicht klar ob es eine Frage oder Feststellung seitens der Ärztin war, dennoch sagte sie:
„Ja.“
„Da haben sie sich aber `nen dicken Fisch gefangen.“, zischte die Frau durch ihre rot geschminkten Lippen.
„Bitte?“, fragte Jana, die zunächst meinte, die Frau nicht richtig verstanden zu haben.
„Einen fetten Fisch sogar.“, sagte Alicia.
Einen kurzen Moment lang verschlug es Jana die Sprache, doch dann kam ihr über die Lippen: „Ich hasse Fische und angeln kann ich nicht.“.
Sie stand auf, nahm ihre Tasche, spähte in das Zimmer in dem Edward immer noch telefonierte und winkte ihm zum Abschied.
„Auf Wiedersehen“ , wandte sie sich an Alicia, die inzwischen im Sessel saß.
„Auf Wiedersehen Schätzchen. War nett sie kennengelernt zu haben.“, sagte Alicia, wobei beide Frauen wussten, dass es nicht so gemeint war.
„Blöde Kuh.“, sagte Jana halblaut, als sie das Klinikgebäude verließ. Alicias Eifersucht war in ihren Augen so deutlich, dass sie sich fragte, ob die Ärztin mit Edward mal was hatte.
Kurze Zeit später schrieb ihr Edward: „Wieso bist gegangen?“
„Will noch zum Adventsmarkt.“, schrieb sie, wobei sie es ursprünglich gar nicht vor hatte.
Den wahren Grund für ihren Abgang behielt sie für sich.
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