„Stimmt. Aber lange bin ich sowieso nicht mehr hier. Die Arbeit wartet. Vater dachte schon, dass ich mich auch aus dem Staub mache, wie mein Bruder“, lachte Steffen.
„Kann ich mir denken. Mutter hätte dann ja niemanden mehr, den sie umsorgen kann“, meinte Roman.
„Oh ja. Aber das wird sich sowieso ändern. Wenn ich erst meine eigene Wohnung habe.“
„Du wohnst noch bei den Eltern?“, staunte Cassie.
„Sagen wir mal so. Im Haus, aber ich hab schon eine eigene Wohnung. Trotzdem. Mutter denkt immer noch, dass ich der Kleine bin und sie ein Auge auf mich haben muss“, schüttelte Steffen den Kopf.
„Verstehe. Dem willst du dich entziehen“, nickte sie lachend.
„So kann man es nennen. Ich kann gut für mich selbst sorgen. Deshalb suche ich auch eine Wohnung, die etwas weiter weg ist. Ich liebe meine Eltern, damit du das nicht falsch verstehst, aber ich bin kein kleines Kind mehr.“
Nein, dass war er ganz gewiss nicht. Er war ein junger, gutaussehender Mann, der so manche weiblichen Blicke auf sich zog.
„Ich bin auch vor ein paar Monaten in eine andere Gegend gezogen. Habe dort einen Job angenommen. Nach langem Suchen habe ich eine Arbeit gefunden, die mir Spaß macht“, erzählte Cassie.
„Dann bist du auch von zu Hause geflohen? Was arbeitest du?“, schaute Steffen sie interessiert an.
Bevor sie antworten konnte, verabschiedeten sich Roman und Angelina und gingen in die Küche zurück.
„Ich arbeite in einem Buchladen. Geflohen bin ich nicht vor meinen Eltern. Mein Vater war lange krank und ich half meiner Mutter bei der Pflege. Zum Glück geht es ihm wieder besser und ich konnte mich um eine Stelle bemühen. Während des Studiums und auch danach habe ich in einem Cafe gearbeitet. Die Stelle habe ich ungern aufgegeben, aber es war besser so. Ich wollte weg. Außerdem wollte ich endlich meinen Traumberuf ausüben. Ich bin Bibliothekarin.“
„Wow. Also eine Leseratte, die den Kopf ständig in den Büchern hat. Vor wem bist du den geflohen? Du hast das so eigenartig gesagt? Warum wolltest du weg?“, wollte Steffen wissen.
„Ach nur so. Und nein, ich habe den Kopf nicht nur in Büchern, aber ich kenne mich gut damit aus“, lächelte sie ihn an.
„Hast du in deiner Heimat kein Stellenangebot bekommen?“
„Nicht das, was ich mir vorstellte. Aber jetzt reden wir nicht nur von mir. Was arbeitest du?“
„Ich bin Schreiner. Arbeite im Moment noch bei meinem Vater. Will mich aber selbständig machen. Möchte gerne meine eigenen Möbel herstellen. Ich habe Möbeldesign und Innenarchitektur studiert.“
„Wirklich? Das finde ich total spannend. Hast du schon eigene Stücke entworfen und verkauft?“
„Ja. Ein paar. Willst du mal Fotos davon sehen?“
„Gerne.“
Steffen zeigte ihr auf seinem Handy die Stücke die er entworfen und teilweise auch schon verkauft hatte. Cassie war begeistert. Also deshalb dieser muskulöse Körper, dachte sie.
„Die sind wirklich toll. Du hast Talent. Das ist wohl dein Traumberuf. Du erzählst mit so viel Begeisterung“, stellte Cassie fest.
„Ja. Ich habe immer schon gerne, vor allem mit Holz, gearbeitet und schon, als ich noch ganz jung war, eigene Stücke angefertigt. Für mich käme ein anderer Beruf nicht in Frage“, nickte er glücklich.
„So wie bei mir. Immer schon habe ich mich für Literatur interessiert. Auch für die Autoren, die ihre Fantasie in ihren Romanen und Geschichten einfließen lassen. Oder allgemein für die frühere Geschichte. Deshalb habe ich das auch studiert.“
„Dann bist du also doch eine Leseratte? Du musst viel gelesen haben, damit du dich in allem auskennst. Hattest du da noch Zeit für etwas anderes? Ich meine du hast deiner Mutter geholfen, im Cafe gejobt, für das Examen gebüffelt. Was war mit ausgehen. Freunde besuchen oder so?“
„Ich hatte Freunde während des Studiums, die ich leider aus den Augen verlor und im Cafe. Zum Glück konnte ich mit ihnen zusammenarbeiten. Außerdem fanden in dem Cafe ständig kleine Konzerte statt. Abwechslung hatte ich genug.“
„Und einen festen Freund? Ich meine, du siehst super aus, da bleibt man doch nicht lange allein?“
„Ich habe keinen festen Freund. Nie gehabt. Nur während meiner Studienzeit einen sehr, sehr guten Freund. Der Richtige ist mir noch nicht über den Weg gelaufen. Ich hatte nicht so viel Glück, wie dein Bruder und Angelina. Aber danke, für das Kompliment“, schaute sie versonnen.
„Das tut mir leid. Was ist mit deinem sehr guten Freund geschehen? Habt ihr keinen Kontakt mehr?“
„Nein. Nach dem Studium ging er ins Ausland. Einmal trat er im Cafe auf. Da sahen wir uns nach langen Jahren wieder. Aber nein, wir treffen uns nicht mehr.“
Steffen viel auf, dass sie dabei traurig aussah, als sie von ihrem Freund erzählte.
„Es war wohl mehr zwischen euch. Mir ist die große Liebe auch noch nicht begegnet. Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Für mich zählt im Moment mein Beruf. Es ist nicht einfach, sich selbständig zu machen und ob eine Freundin dafür Verständnis hätte, wage ich zu bezweifeln.“
„Wenn sie dich wirklich liebt, wird sie es verstehen und dir zur Seite stehen. Davon bin ich überzeugt“, munterte sie Steffen auf.
Mehr wollte sie über ihre Gefühle, die sie für Linus hatte, nicht erzählen.
„Meinst du? Ja, vielleicht. Aber, wie gesagt. Es gibt niemanden, mit dem ich mein Leben teilen könnte.“
Beide redeten noch über ihre Berufe. Jeder fand die Arbeit des anderen spannend und hörte aufmerksam zu. Das leckere Essen, dass Roman ihnen serviert hatte und der süffige Wein tat sein übriges dazu. Die Unterhaltung war locker und ungezwungen, als würde man sich schon länger kennen. Sie lachten und scherzten viel miteinander. Zum ersten mal, seit langer Zeit, dachte Cassie nicht an Linus. Lange saßen sie noch zusammen. Später gesellten sich auch Roman und Angelina dazu. Cassie stellte fest, dass die beiden super nett und Angelina ganz bezaubernd war. Sie konnte Roman verstehen, dass er sich in sie verliebt hatte. Beim Abschied versprach Cassie bald wiederzukommen. Steffen begleite sie noch bis zu ihrer Pension. Eine kurze Umarmung und man verabredete sich für den nächsten Tag am Strand. Heute war ein schöner Tag. Cassie schlief zufrieden und glücklich ein.
Nach dem Frühstück ging Cassie mit ihrem Hund an den Strand. Maja kam ihnen schon entgegengelaufen und rannte mit Mac durch das seichte Wasser.
„Guten Morgen, Cassie. Gut geschlafen?“, umarmte Steffen sie gutgelaunt.
„Guten Morgen. Ja. Sehr gut. Wie schon lange nicht mehr. Ich wollte mich nochmal für den schönen Abend bedanken. Roman und Angelina sind wirklich sehr nett.“
„Oh. Ich werde es weitersagen. Also war es nur wegen den beiden ein schöner Abend? Weil sie so nett waren? Wie steht es mit mir?“, grinste er.
„Natürlich auch wegen dir. Du bist nett, denn sonst hätte ich mich nicht mit dir heute verabredet. Ach und noch was. Der Abend und die Gespräche, die wir geführt haben, haben mir sehr gut getan. Du bist ganz in Ordnung, Steffen.“
„Danke. Da hab ich ja Glück gehabt. Lass uns ein Stück laufen oder willst du etwas anderes machen?“
„Nein. Auf gehts“, lachte sie ihn an.
„Sehen wir uns heute Abend wieder?“, schaute Steffen sie fragend an.
„Vielleicht?“, grinste Cassie.
„Ich muss dir noch etwas sagen. Morgen fahre ich nach Hause zurück. Ich kann nicht länger hier bleiben. Jede Menge Aufträge warten auf mich. Ich muss die Termine einhalten.“
„Verstehe. Schade. Mac und Maja verstehen sich gut. Aber ich bin ja auch nur noch bis Samstag hier. Es war auf jeden Fall schön, dich und deinen Hund kennengelernt zu haben.“
„Das kann ich nur bestätigen. Nicht nur unsere Hunde haben sich gut verstanden. Wir doch auch? Denkst du, dass wir uns irgendwann einmal wiedersehen könnten? Ich würde mich sehr darüber freuen. Wir könnten doch in Kontakt bleiben, wenn du es willst?“, schaute er sie fragend an.
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