„Wir sehen uns jetzt bestimmt öfter. Wir sind ganz in die Nähe gezogen“, erzählte Linus.
„Wirklich? Das ist schön für euch. Wohnt ihr zusammen?“
„Na klar. Schon seit ein paar Monaten. Es ist wirklich schön, dass wir uns wiedergetroffen haben. Hab dich vermisst, wie du dir denken kannst. Wir hatten damals eine wirklich schöne Zeit.“
„Ja, dass hatten wir. Tut mir leid, aber ich muss weiterarbeiten. Ich werde euch ja gleich noch hören, bevor ich nach Hause gehe.“
„Du hast Feierabend? Schade. Wir hätten uns später noch weiter unterhalten können. Ich hoffe, wir bleiben weiterhin Freunde. Wir könnten uns mal verabreden und essen gehen? Wie wäre das?“, schaute Linus sie fragend an.
„Natürlich bleiben wir Freunde. Werde dir Bescheid geben, wann wir uns treffen können. Gib mir deine Nummer, ich melde mich.“
Cassie wollte so schnell wie möglich dieser Situation entfliehen.
„Schön. Ich höre von dir. Freu mich schon auf unser Treffen. Machs gut, Cassie.“
„Du auch.“
„Na? Hast du einen alten Freund wiedergetroffen?“, fragte Robert.
„So kann man sagen. Er ist ein alter Freund aus der Studienzeit. Wir haben uns schon lange nicht mehr gesehen“, schüttelte sie verträumt den Kopf.
„Ihr kennt euch aus der Studienzeit?“
„Ja. Wir hingen ständig zusammen ab.“
„Und dann habt ihr euch einfach so getrennt?“
„Mmh. Es hat ihn irgendwo hin verschlagen. Linus wollte die Welt sehen. Da konnte ich nicht mit. Mir fehlte das Geld. Ich denke, es war ihm auch ganz recht, dass ich nicht dabei war.“
„Wie ich sehe, hängst du noch an ihm. Oder?“
„Sieht man mir das an?“, staunte Cassie.
„Nun, ich sehe es. Deine Augen sprechen Bände“, lächelte Robert.
„Das ist nicht gut. Zum Glück habe ich gleich Feierabend.“
„Bleibst du nicht, bis zu seinem Auftritt?“
„Auf keinen Fall. Das will ich mir nicht antun“, schüttelte sie den Kopf.
„Oh. Ich verstehe. Da war wohl mehr zwischen euch, als nur Freundschaft? Jetzt ist er mit diesem anderen Mädchen zusammen?“, wollte Robert wissen.
„Nein. Da war nicht mehr zwischen uns. Ich war nicht sein Typ. Und ja, Conny ist seine Freundin. Sie wohnen zusammen.“
„Das tut mir leid. Aber für dich war er mehr, dass spüre ich.“
Cassie sah ihn erschrocken an. Sah man es ihr wirklich an, dass sie immer noch Gefühle für Linus hatte? Robert ahnte auf jeden Fall, dass es für Cassie mehr war, konnte sich aber nicht weiter unterhalten. Es war viel los, an diesem Tag. Nach ein paar Minuten verabschiedete sich Cassie von Robert und David. Sie bekam den Auftritt von Linus und Conny nicht mehr mit.
Als sie zu Hause war, wurde ihr klar, dass sie auf keinen Fall wieder mit Linus zusammentreffen wollte. Das musste sie verhindern. Es blieb nur ein Ausweg, sie musste hier weg. Sie erinnerte sich wieder an ein Stellenangebot, dass ihr vor ein paar Tagen in die Hände fiel. So setzte sie sich gleich zu Wochenbeginn mit den Inhabern in Verbindung. Sie wollte diese Gelegenheit wahrnehmen. Ihre Eltern waren etwas überrascht und traurig, aber sie wussten, dass Cassie ihren eigenen Weg gehen musste. Ihrem Vater ging es ja wieder etwas besser, worüber Cassie sehr glücklich war. Deshalb konnte sie sich auch dazu durchringen, dieses Stelle anzunehmen, als man ihr die Zusage gab. So zog sie in eine etwas weiter entfernt liegende Gegend. Robert und David hätten sie gerne weiter beschäftigt, aber sie wussten auch, dass Cassie endlich das tun musste, was sie schon immer tun wollte. Schließlich hatte sie nicht umsonst studiert und konnte so ihren Lebensunterhalt endlich verdienen. Bei Linus hatte sie sich nie gemeldet. Sie änderte ihre Nummer und gab sie nur bestimmten Leuten bekannt.
„Mac, komm. Wir müssen zurück.“
Er kam freudestrahlend angelaufen und drückte sich an Cassie. Während sie so dahin schlenderte, dachte sie an die Zeit mit Linus. Genau zu dieser Zeit lernten sie sich kennen. Es war an einem herrlichen Frühlingstag, wie heute, und der süße Blütenduft erfüllte die Luft, als sie sich im Park begegneten. Sie verstanden sich sofort und verbrachten fast jede freie Minute miteinander. Für Cassie war es von Anfang an mehr, als nur Freundschaft. Aber sie spürte gleich, dass sie für Linus nur eine Freundin war. Nie hatte sie mit ihm über ihre Gefühle gesprochen. Linus behandelte sie immer, wie seine Schwester. Deshalb tat sie alles, damit er nichts davon mitbekam, wie es um sie stand. Es war nicht leicht für Cassie ihre Liebe geheim zu halten. Sie hatte sie im tiefsten Inneren ihres Herzens begraben. Nur wenn sie allein war, weinte sie manchmal, weil es weh tat, dass Linus sie nicht liebte. Auch die Versuche, ihn eifersüchtig zu machen, nutzten nichts. So musste sie es akzeptieren und endlich damit abschließen. Sie wollte ihn vergessen, was nicht so leicht war, nach dem letzten, unerwarteten Zusammentreffen.
Am nächsten Tag besprach sie mit Jakob ihre Pläne.
„Jakob, denkst du, dass du es für ein paar Tage ohne mich schaffst? Ich würde so gerne einmal Urlaub machen.“
„Du warst noch nie weg?“, schaute Jakob erstaunt.
„Nein. Da war das Studium und mein kranker Vater. Ich habe meine Mutter unterstützt. Sie hätte es nicht alleine geschafft. Außerdem hatte ich gar kein Geld für einen Urlaub.“
„Das tut mir wirklich leid. Dein Vater ist wieder in Ordnung?“
„Es geht ihm besser. Andernfalls wäre ich nicht hier.“
„Ich werde das schon schaffen. Außerdem sind ja immer noch die Inhaber da. Sie werden bestimmt einspringen, wenn es notwendig ist. Wir müssen es natürlich mit ihnen besprechen. Aber von meiner Seite geht es in Ordnung. Wann wolltest du denn fahren?“
„Am Wochenende. Es wäre ja höchstens eine Woche. Aber ich muss mal abschalten und auf andere Gedanken kommen. Es schwirrt mir so viel im Kopf herum.“
„Wegen deinem Vater?“
„Auch. Aber da gibt es etwas womit ich endlich abschließen muss.“
„Willst du darüber reden? Geht es um einen Kerl? Ich bin ein guter Zuhörer. Wenn du willst?“
„Das ist lieb von dir. Muss mir zuerst über einiges klar werden“, lehnte sie freundlich ab.
„Ich wollte dir nur sagen, dass ich mich mit einer unerfüllten Liebe, die es ja wahrscheinlich ist, sehr gut auskenne. Wir sind Freunde, Cassie. Du kannst jederzeit zu mir kommen.“
„Danke, Jakob. Ich wusste ja nicht, dass du unglücklich bist? Du bist immer so fröhlich und gut gelaunt.“
„Oh. Ich bin nicht unglücklich. Nicht mehr. Es ist ja auch schon etwas her. Ich bin darüber hinweg. Es hat lange gedauert. Sie war einfach nicht die Richtige. Ich hab es endlich kapiert“, lächelte Jakob.
„Vielleicht kann ich das auch einmal sagen. Im Moment tut es einfach immer noch weh. Ich dachte ja, dass ich darüber hinweg wäre. Bevor ich hier her kam, stand er plötzlich wieder vor mir, mit seiner Freundin. Da habe ich bemerkt, dass es noch lange nicht vorbei ist. Deshalb habe ich die Flucht ergriffen und diese Stelle angenommen. Doch er geht mir einfach nicht aus dem Kopf, obwohl es schon fast wieder ein Jahr her ist.“
„Er weiß nichts von deinen Gefühlen zu ihm?“
„Nein. Ich habe nie darüber gesprochen, habe ihm nicht gezeigt, was ich empfinde. Habe es immer unterdrückt und für mich behalten. Als ich Linus zum ersten mal sah, hat es mich wie ein Blitz getroffen. Ich war sofort verliebt in ihn. Für ihn war ich nur eine sehr gute Freundin. Nie mehr.“
„Und als du ihn dann wiedergesehen hast, wie war es da? Er hat sich bestimmt sehr verändert, nach all den Jahren? Hat er sich denn nicht gefreut? Hattest du nicht das Gefühl, dass er dich vielleicht doch etwas vermisst hat?“
„Doch, dass glaube ich schon. Er hat sogar gesagt, dass er mich vermisst hat. Er wollte sich mit mir treffen. Aber, was hätte das gebracht. Er lebt schon seit Monaten mit Conny zusammen. Sie machen beide Musik. Wenn er mich wirklich vermisste, warum hat er mich dann nicht aufgesucht, mir geschrieben, mich angerufen, oder ist von seinen Reisen zu mir zurückgekommen? Er kannte meine Adresse? Er wollte immer Kontakt zu mir halten, aber er hat mich einfach vergessen.“
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