Wenn wir erkennen, daß die erleuchteten Wesen alle Hindernisse überwunden haben und alle guten Qualitäten besitzen, dann werden wir durch das Darbringen von Gaben ihrer erhabenen Erlangung näherkommen. Diese Erlangung hängt von der stufenweisen Entwicklung der Realisationen auf dem Pfad ab, und um diese Realisationen zu erreichen, benötigen wir eine große Menge an Verdiensten oder positiver Energie. Die Schüler, die zur Zeit Buddha Shakyamunis lebten, hatten große Vorräte an solchen Verdiensten, so daß manche von ihnen allein durch das Hören eines Wortes der Unterweisungen Buddhas schnell Realisationen erlangten. Bei der ersten Drehung des Dharma-Rades beispielsweise, als Buddha die Vier Edlen Wahrheiten (Wahre Leiden, Wahre Ursprünge, Wahre Beendigungen und Wahre Pfade) erklärte, gewannen einige Schüler ein direktes Verständnis von Leerheit, der endgültigen Wahrheit, während andere sogar den Zustand des Nirvanas, die vollständige persönliche Befreiung von allen Leiden, erlangen konnten. Der heute gelehrte Dharma ist derselbe wie der von Buddha Shakyamuni gelehrte, und diejenigen, die ihn unterrichten, sind wie Buddha selbst. Weshalb also erlangen wir keine Realisationen, selbst wenn wir monatelang Unterweisungen anhören? Das liegt ganz einfach an unserem Mangel an angesammelten Verdiensten, und deshalb müssen wir einen großen Reichtum an positiver Energie erschaffen. Eine der wichtigsten Methoden, dies zu erreichen, ist das Darbringen von Gaben an die erleuchteten Wesen.
Der Nutzen, solche Darbringungen auszuführen, ist durch die Erfahrung vieler Meditierender der Vergangenheit bestätigt worden. Es gibt einen Bericht von einer vollordinierten Nonne, die als direktes Ergebnis von Mandala-Darbringungen eine Vision Avalokiteshvaras, des Buddhas des Mitgefühls, empfing. Der große Lama Je Tsongkhapa verwendete die Praxis der Mandala-Darbringung, um eine direkte Realisation der Leerheit zu gewinnen. Tatsächlich wird diese Praxis von den Lamas aller vier Traditionen des tibetischen Buddhismus empfohlen.
In allen meinen Leben werde ich alle meine Körper den Buddhas und ihren Söhnen darbringen. Bitte nehmt mich an, o edle Krieger, da ich ehrerbietig Euer Untertan werde und Eure Ratschläge befolge. Durch Eure Kraft beschützt, werde ich mich nicht vor den samsarischen Leiden fürchten und werde anderen von Nutzen sein. Alle meine Negativität der Vergangenheit wird auf diese Weise gereinigt, und in Zukunft werde ich mich von Negativität zurückhalten. [8-9]
Indem wir unseren eigenen Körper den heiligen Wesen darbringen, können wir viele Verdienste ansammeln. Wir werden allmählich die Auswirkungen der vergangenen nichttugendhaften Handlungen reinigen und es vermeiden, in Zukunft weitere nichttugendhafte Handlungen zu begehen. Warum? Weil unsere Selbst-Wertschätzung die Ursache für die unermeßlich große Nichttugend war, die wir seit anfangsloser Zeit begangen haben. Aufgrund einer selbstsüchtigen Haltung hinsichtlich unseres Körpers übten wir unzählige negative Handlungen aus, wobei wir versuchten, um jeden Preis das Beste für uns selbst herauszuholen. Wenn wir unseren Körper den heiligen Wesen darbringen können, entziehen wir daher unserer Selbst-Wertschätzung das Hauptobjekt. Dann gibt es keinen Grund mehr, nichttugendhafte Handlungen zu begehen. Wenn wir Eigensucht und Geiz überwinden können, indem wir uns im Geist den Buddhas als Diener anbieten, werden wir viele positive Ergebnisse erzielen. Mehr noch, wenn wir immer wieder in diesem Sinne meditieren, bereiten wir uns darauf vor, unseren Körper tatsächlich den Buddhas als Diener anbieten zu können. Den unübertroffenen Nutzen dieser Handlung zeigt das Leben des großen Milarepa deutlich. Er übergab seinen Körper seinem Lehrer Marpa als Diener und erlangte infolge seiner innigen Hingabe an den Spirituellen Meister innerhalb eines einzigen Lebens die volle Erleuchtung.
Wenn wir nicht nur unseren gegenwärtigen Körper, sondern auch die Körper unserer zukünftigen Leben den Buddhas darbringen, dann werden wir vollständig von den Gefahren Samsaras befreit sein. Wenn jemand sich und seine Dienste einem König anbietet, so erlangt er königlichen Schutz, und infolgedessen würde es niemand wagen, ihm zu schaden. Auf ähnliche Weise wird unser Körper durch die Darbringung an die Buddhas zu deren Diener, und deshalb kann ihm von Menschen und nichtmenschlichen Wesen kein Schaden mehr zugefügt werden.
GEISTIG UMGEWANDELTE DARBRINGUNGEN
Es gibt zwei Arten geistig umgewandelter Darbringungen:
1. Gewöhnliche Darbringungen
2. Erhabene Darbringungen
GEWÖHNLICHE DARBRINGUNGEN
Shantideva beschreibt jetzt eine ausführliche, visualisierte Zeremonie, in der den Buddhas zwölf geistig umgewandelte Gaben dargebracht werden. Diese umfassen: (1) Parfümiertes Wasser zum Baden der Buddhas, (2) Himmlische Gewänder, (3) Juwelenschmuck, (4) Öle zum Salben der Buddhas, (5) Blumen, (6) Weihrauch, (7) Speisen, (8) Lampen, (9) Paläste, (10) Schirme, (11) Musik und (12) Gebete für einen unaufhörlichen Regen an Darbringungen. Wir sollten bei der folgenden Visualisierung daran denken, daß die erleuchteten Wesen selbst keine Unreinheiten von Körper oder Geist besitzen, die gereinigt werden müßten. Wir selbst müssen jedoch äußerlich unsere unreine Form und innerlich die Negativität und die Behinderungen unseres Geistes aufgeben, wenn wir den reinen Zustand eines Buddhas erreichen wollen. Deshalb ist die Waschung und Reinigung, die wir nun ausführen wollen, in Wirklichkeit zu unserem eigenen Nutzen.
[10] Zuerst visualisieren wir den Badesaal, in dem die Waschung stattfinden wird. Der Boden aus schönem Kristall schimmert, und die Luft ist von süß duftendem Sandelholz erfüllt. Vier mit Juwelen und Edelsteinen besetzte Säulen stehen in den vier Himmelsrichtungen. An der Decke hängen zwei kostbare Baldachine, die mit Perlen verziert sind. In der Mitte des Badesaales ist ein Becken, das mit wunderbar parfümiertem Wasser gefüllt ist. Aus drei Richtungen führen drei juwelenverzierte glitzernde Stufen zum Becken hinunter.
[11] Nachdem wir diese wunderschöne Umgebung visualisiert haben, laden wir alle Tathagatas und Bodhisattvas ein, herbeizukommen und im Becken zu baden. Während wir ihre Ankunft beobachten, manifestieren wir aus unserem Herzen viele Göttinnen, für jeden Buddha und Bodhisattva eine. Diese Göttinnen nehmen die Gewänder der erleuchteten Wesen und ihrer Söhne ab, während andere sie mit reinem, duftendem Wasser aus schönen juwelenverzierten Krügen waschen. Alles wird von Musik und Gesang begleitet.
[12] Als nächstes stellen wir uns vor, daß die Göttinnen die Gäste mit Tüchern aus unvergleichlichem Stoff abtrocknen. [13] Dann bieten wir all den herrlichen Höheren Wesen wie Samantabhadra, Manjushri, Avalokiteshvara und anderen erlesene Roben in passenden Farben sowie viele Juwelengeschmeide an. [14] Dann salben wir, als ob wir reines, feines Gold polieren würden, die strahlenden Körper der Buddhas und Bodhisattvas mit seltenem Parfüm, dessen Duft Tausende von Millionen von Weltsystemen durchdringt.
Nach der Salbung visualisieren wir diese heiligen Wesen vor uns am Himmel und schicken schöne Göttinnen zu ihnen, wobei jede eine besondere Gabe trägt. [15] Die Göttinnen bringen den glorreichen Wesen folgendes dar: Kränze aus schönen, wohlriechenden Lotosblumen, Mandaravas, Utpalas und andere auserlesene Blumen; [16] Wolken aus duftendem Weihrauch; herrliche Speisen und Getränke; [17] Lampen auf goldenen Lotosknospen, deren Licht die dunkle Unwissenheit von Tausenden von Millionen von Weltsystemen vertreibt, [18] und ein wunderschöner himmlischer Palast aus Perlen und Edelsteinen. Die durchsichtigen Böden in diesem prachtvollen Palast sind mit einem Teppich aus schönen Blumen bedeckt, und die Wände sind mit unbezahlbaren Juwelen und Perlen verziert. Schöne Göttinnen lassen ihre freudigen Gesänge zum Lobe der Buddhas im ganzen himmlischen Palast erklingen. [19] Überall stehen zahlreiche wohlgeformte Schirme von großem Durchmesser mit goldenen Handgriffen und Rändern, die mit vielen verschiedenen Juwelen verziert sind. [20] Alle diese prachtvollen Darbringungen schwingen im Klang wunderbarer Musik, deren schöne Harmonien selbst den letzten Hauch des Leidens aller Lebewesen vertreiben.
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