1 ...6 7 8 10 11 12 ...27 "Und wo soll ich nach denen suchen?"
"Ah, das ist eine sehr interessante Frage. Sehen wir uns das am besten auf der Karte an. Dafür müssen wir aber hinauf in den obersten Raum. Kann ich mich darauf verlassen, dass du nicht auf dumme Ideen kommst, sobald ich dich aufstehen lasse? Ich würde dich nur ungern erneut ins Land der Träume schicken, Eadfjeddr. Das ist nur eine Verschwendung meiner Zeit und deines Talents."
"Ich werde nichts Dummes tun, das verspreche ich. Ihr wirkt wirklich vernünftig und ich muss mich entschuldigen. Ich habe Euch zu Beginn falsch eingeschätzt. Von nun an werde ich auf Eure Ratschläge hören und versuchen, besser zu werden als ich bin."
"Ausgezeichnet, genau diese Einstellung sollst du haben, sobald du von hier aufbrichst. Das haben mir die Sterne offenbart. Scheinbar ging das viel schneller als erwartet. Also los, folge mir hinauf."
"Wartet bitte einen Moment.", unterbrach Julian den Druiden.
"Was ist denn, Julian?"
"Ihr nennt mich also nicht nur Ead...wie auch immer. Das freut mich."
"Zuweilen kann ich auch auf Titel verzichten und einfach mein Gegenüber beim Namen nennen. Mir ist durchaus bekannt, dass die meisten Menschen es vorziehen, mit ihrem Namen anstatt ihrem Titel angesprochen zu werden. Nun denn, was liegt dir auf dem Herzen?"
"Mir ist schon klar, dass ich mir meine Antworten erst verdienen muss, doch vielleicht könnt Ihr mir bei Dingen helfen, die nichts mit meinen Freunden zu tun haben. Darüber hinaus hätte ich gerne eine Bestätigung dafür, dass es ihnen gut geht und das alles nicht nur riesige Zeitverschwendung ist."
"Wenn dieses Unterfangen, zu dem du bald aufbrichst, eines nicht ist, dann Zeitverschwendung. Denn auf diesem Abenteuer wirst du dich selbst einige Mal neu finden und erkennen, dass du ganz anders bist, als du selbst dachtest. Du bist zu so viel mehr fähig, als du dir zutraust. Öffne deine Augen, Julian und gehe den Weg, der schon auf dich wartet. Was deine Freunde angeht, so kann ich dir nur sagen: Denk einmal daran, was für Menschen sie sind. Glaubst du denn, dass sie sich so leicht von irgendjemandem oder irgendetwas töten lassen? Wenn das wirklich deine Sorge ist, dann kennst du deine Freunde aber schlecht. Sie sind wesentlich widerstandsfähiger, als du dir vorstellen kannst. Genügt dir das?"
Julian atmete erleichtert auf. Genau das, was er selbst sich unentwegt eingeredet hatte, wurde vom Druiden der Gestirne bestätigt. Seine Freunde waren ohne Zweifel noch am Leben und hatten bestimmt allen bisherigen Widrigkeiten erfolgreich getrotzt. Das beruhigte Julian ungemein, auch wenn ihm ein paranoider Gedanke in den Sinn kam, laut welchem der Druide diese Worte nur gesprochen hatte, um Julian in Sicherheit zu wiegen und ihn für seine eigenen Belange missbrauchen zu können. Doch fürs Erste ließ Julian diesen Gedanken unbeachtet. Zunächst antwortete er auf die ihm gestellte Frage.
"Ja, das genügt mir durchaus. Dasselbe habe ich mir selbst auch immer wieder gesagt. Wenn Ihr mir zustimmt, dann muss es stimmen. Schließlich seid Ihr ein Druide, einer der mächtigsten Menschen überhaupt. Bestimmt wisst Ihr auch eine Menge und deshalb bitte ich Euch, mir ein paar Fragen zu beantworten. Wie gesagt haben sie nichts mit meinen Freunden zu tun, aber sie bereiten mir Kopfschmerzen, weil ich die Antworten nicht kenne."
"Julian, Julian, beruhige dich erst einmal. Trink deinen Tee, bevor er ganz kalt wird." Die Tasse neben Julian, der sich mittlerweile aufgesetzt hatte, dampfte immer noch fröhlich vor sich hin. Wenn eines in der näheren Umgebung in nächster Zeit nicht kalt werden würde, dann bestimmt dieser Tee. Trotz allem nahm Julian vorsichtig einen Schluck des würzigen Kräutertees, der ihm wirklich schmeckte und so nahm er gleich zwei weitere Schlucke. Als er die Tasse wieder am Bett abstellte, wartete er darauf, dass der Druide fortfuhr. Lächelnd tat jener ebendies.
"Sehr gut, wie ich sehe, schmeckt dir der Tee. Das freut mich. Nun aber zu deinen Fragen. Ich mag vielleicht ein Druide sein, aber ich bin auch der schwächste Druide, Nummer Vierzehn in der Rangfolge. Jeder andere Druide ist viel mächtiger als ich. Doch macht es mir nichts aus, der schwächste zu sein. Immerhin bin auch ich noch um so vieles stärker als die meisten anderen Wesen, die existieren. Allerdings ist mir auch bewusst, dass Macht und Stärke nichts bedeuten. Dieser Umstand sollte auch dir jederzeit klar sein, Eadfjeddr."
"Aber was redet Ihr denn da? Wieso sollen Macht und Stärke nichts bedeuten?"
"Weil es unwichtige Konstrukte sind, die keinen Mehrwert besitzen. Die wirklich bedeutsamen Dinge sind Liebe, Freundschaft, Fröhlichkeit und Freundlichkeit, Offenheit und Selbsterkenntnis sowie Selbstverwirklichung. Im Angesicht all dessen wirkt Macht nur wie ein veraltetes System, um längst verdorbene Lebensmittel zu vergleichen. Wie viel mächtiger ist dieser verschimmelte Apfel dort im Vergleich zu diesen vertrockneten Weintrauben? Genau um 30 Gramm mächtiger." Daraufhin musste der Druide der Gestirne heftig lachen. Er machte sich keinesfalls über Julian lustig, scheinbar hatte ihn sein eigenes, humorvolles Beispiel zum Lachen gebracht. Es war ein ehrliches Lachen und schließlich konnte Julian nicht anders, als einzustimmen und eine kurze Zeit lachten sie beide herzhaft, bevor sie sich langsam wieder beherrschten. Anschließend lächelte der Druide und sagte nur:"Siehst du? Der Umstand, dass wir miteinander lachen konnten, ist viel bedeutsamer, als die Tatsache, wer von uns beiden nun mächtiger ist. Wen interessiert das schon? Ich denke, du verstehst."
"Ja schon, aber wenn mir jemand Feindliches gegenübersteht, werde ich den wohl kaum davon abhalten können, mich zu töten, indem ich mit ihm lache."
"Das ist ja auch nicht die Aussage, die ich dir klarmachen wollte. Natürlich gibt es Unterschiede in der Macht und man muss stets vorsichtig sein, weil man nie weiß, wer vor einem steht. Ich meinte das eher philosophisch-idealistisch. Dort, wo die Liebe und Freundschaft jegliche Macht in Anspruch nehmen, ist kein Platz mehr für tatsächliche Macht. Denn wenn alle friedlich und freundlich miteinander leben können, wen interessiert dann schon, wer stärker ist? Leider läuft es auf unserer Welt ohnehin nicht so, daher bleiben meine schönen Fantasien leider genau das - Fantasien. Sie werden niemals realisiert werden und das macht mich zutiefst traurig. Als jemand, der in die Zukunft blicken kann, ist diese Bürde umso schlimmer, denn ich weiß ja, dass sich die Welt nie ändern wird. Es wird immer nur um die Macht gehen, solange bis schließlich alles vergeht." Der Druide der Gestirne seufzte.
"Barkh Aragh.", gab Julian in perfekter Aussprache, wie von Peter gelernt, von sich.
"Exakt. Das Ende von allem, was existiert. Es überrascht mich nicht, dass du schon davon gehört hast, Julian. Nun denn, stell deine Fragen und ich werde sehen, was ich tun kann."
"Wirklich? Vielen Dank, Druide der Gestirne."
"Bitte, nenn mich Alfokohel. Wie ich dir schon sagte, die Menschen mögen es lieber, mit ihrem Namen als mit ihrem Titel angesprochen zu werden."
"Bitte verzeiht, Alfokohel. Meine erste Frage ist ganz simpel: Was sind Kinder des Schicksals und warum bin ich eines?"
"Das sollte dir lieber jemand anderes erzählen.", gab der Druide abwesend von sich.
"Aber Ihr wusstet es, oder nicht?", hakte Julian nach.
"Ja, natürlich wusste ich es. Die Sterne haben mir auch diesen Umstand nicht verschwiegen. Leider betrübt es mich, dir nicht alles erzählen zu können und das musst du mir glauben, denn es ist die reine Wahrheit. Ich würde dir liebend gerne erzählen, was es mit den Kindern des Schicksals auf sich hat. Aber das Schicksal selbst, deine Domäne, kann grausam sein. So wurde mir ebenfalls offenbart, dass ich nicht derjenige sein soll, der dir alles über deine Bestimmung und die Deinen verrät. Aber du wirst dieser Person begegnen, soviel steht fest. Schon sehr bald, wie ich vermute. Sehr viel mehr kann ich dir leider nicht mehr dazu sagen, doch hier ein kleiner Anstoß zum Denken: Wer könnte einem besser erklären, was man ist, als jemand, der ebenso beschaffen ist?"
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