Auf wen sollte ich auch noch Rücksicht nehmen müssen. Liebe kam für mich als Lesbe eher nicht mehr infrage. Damit war ich in Deutschland schon genug bestraft. Da ich das auf keinen Fall noch einmal erleben wollte, musste ich mich damit abfinden alleine zu bleiben. Dann kann man auch so ein großes Auto fahren. Vorrangig hatte ich aber immer noch im Kopf ein günstiges Auto zu finden bevor ich meinen Mietwagen verlängern musste. Allerdings wusste ich zu der Zeit nicht wo ich jetzt auf die schnelle einen Wagen herzaubern sollte. Ich brauchte Hilfe und wusste auch wo ich sie bekommen würde. Ich startete zu meiner Maklerin. Sie verstand erstens meine Muttersprache und kannte sich auf der Insel deutlich besser aus als ich.
Als ich dort ankam und in das Büro stolperte, fand ich sie aber nicht. Nur ein Kollege saß am linken Schreibtisch. Sie war unterwegs und ich müsste warten. Die berühmten fünf Minuten also wieder. Damit hatte ich aber schon Erfahrung gemacht und überlegte mir, was ich in der Zwischenzeit tun könnte. Aber es gab ja noch einige Läden nebenan und da schauen kein Geld kostete und ein toller Zeitvertreib für eine Frau ist, entschied ich mich, die Wartezeit da zu verbringen. Außerdem gab es ja da noch einen Laden den ich noch nie in Deutschland gesehen hatte. Alleine das Schaufenster dieses Ladens war für mich ein Hingucker. Da lagen völlig unbekannte Geräte in einer Größe, die ich noch nie gesehen hatte. Die ersten Handys, die es zu meiner Zeit in Deutschland gab, hatten die Ausmaße eines Koffers, waren so schwer wie ein Backstein und kosteten ungefähr so viel wie ein Kleinwagen. Sie waren für uns Normalverdiener ungefähr so erreichbar wie die Eiger-Nordwand für einen Asthmatiker.
Diese Handys in dem Schaufenster passten locker in eine Hosentasche und kosteten auch nicht wirklich viel. Eines davon lachte mich richtiggehend an. Da ich sowieso Zeit überbrücken musste, betrat ich den Laden. Ich wollte so ein Gerät schon immer mal in der Hand haben und wann würde sich die Gelegenheit mal wieder ergeben? Das Handy, was mich im Schaufenster schon anlächelte, war gerade neu. Die Bezeichnung waren einfach vier Zahlen. Auf dem Aufsteller stand einfach nur Nokia 1011. Es lag völlig offen vor mir und ich nahm es vorsichtig in die Hand. Es war noch ganz schön schwer, aber es genügte mir schon so ein Gerät mal in der Hand gehalten zu haben. Die Gelegenheit hatte ich bisher noch nie und da ich sowieso nichts zu tun hatte außer zu warten war es ein tolles Gefühl. Damit kann man wirklich telefonieren? Gut, der erste Computer war auch so groß wie ein ganzes Zimmer und mittlerweile passten sie auf einen Schreibtisch. Eine ältere Verkäuferin kam auf mich zu und begann das Gerät anzupreisen. Kaufen wollte ich so etwas nicht, aber sie beantwortete geduldig meine Fragen und davon hatte ich eine ganze Menge.
Ich hielt mich fast eine Stunde in dem Laden auf. Als ich, ohne etwas zu kaufen, wieder in die Wärme kam, sah ich das große Auto meiner Maklerin auf dem Parkplatz stehen. Also ging ich wieder in ihr Büro. Als sie mich sah, lächelte sie. Ich setzte mich an ihren Schreibtisch. Ohne abzuwarten, was ich wollte, begann sie, »Ich wollte dich schon besuchen. Der Schlüssel für dein Appartement liegt in meiner Schublade. Du darfst da jetzt offiziell rein, wenn du willst.«
»Den nehme ich gerne mit. Dann kann ich auch mein Hotel vorzeitig kündigen und vielleicht ein bisschen Geld sparen. Aber ich bin wegen was anderem hier. Ich brauche ein günstiges Auto und habe keine Ahnung wo ich eins herbekomme.«
»Wie günstig?«, verlangte sie zu wissen.
Ich hatte mir ja ein Budget gesetzt und sagte ihr daher, »Maximal 2.500 Dollar. Muss nichts Großes sein. Hauptsache ich komme damit zur Arbeit und kann ein bisschen was einkaufen.«
»Kennst du dich damit aus?«
»Sicher, ich weiß wie ich sie fahre und dass sie Benzin brauchen.«
»Also eher nicht. Dann sollte ich dich zu einem seriösen Händler schicken der dir nicht irgendeinen Mist andrehen kann. Ich schreib dir den Weg auf, da findest du bestimmt was. Die sind auch in Ordnung.«
»Perfekt. Wie läuft das mit dem anmelden und was kostet der Spaß? Außerdem brauche ich ja auch noch eine Versicherung.«
»Ach, die Steuer ist lächerlich. Egal was du für eine Kiste fährst, kostet dich das 80 Dollar im Jahr. Versicherung findest du gleich neben dem Händler und keine Angst, ist auch nicht teuer. Anmelden geht da wo du dein Visum geholt hast, dann bekommst auch gleich deine Schilder. Soll ich besser gleich mitkommen?«
»Wäre mir sehr recht. Falls ich was finde, kann ich ja nicht mit zwei Autos fahren.«
»Stimmt auch wieder. Dein Mietwagen muss ja dann auch wieder an den Flughafen.«
Sie griff in die Schublade und überreichte mir die Schlüssel zu meiner Wohnung. Dann nahm sie ihre Tasche und begleitete mich zu meinem Mietwagen. Zusammen fuhren wir einmal quer über die Insel zu dem Händler den sie mir genannt hatte. Da standen gleich hunderte Autos zur Auswahl. Die Preise waren mit einem Filzschreiber auf die Windschutzscheibe geschrieben. Ich konnte es kaum glauben. Für mein Budget bekam ich deutlich mehr als ich erwartet hatte. Für meine Auswahl brauchte ich fast zwei Stunden. Schließlich kaufte ich einen Ford Sierra von 1987 für 1750 Dollar.
Schräg gegenüber konnte ich auch gleich eine Versicherung für mein Fortbewegungsmittel abschließen. Um Geld zu sparen, entschied ich mich für eine Teilkaskoversicherung mit geringem Eigenanteil. Mit den ganzen Bescheinigungen machten wir uns in den beiden Autos auf den Weg zum Flughafen, damit ich meinen Mietwagen abgeben konnte. Ich fuhr mit meinem neuen hinter der Maklerin in meinem Mietwagen hinterher. Sie kannte natürlich die schnellsten Wege. Was ich beeindruckend fand, war der Verkehr an sich. Ständig waren die Straßen verstopft, aber wenn man aus einer Parklücke auf die Straße wollte blieben die anderen Verkehrsteilnehmer freiwillig stehen und gaben einem die Chance sich einzureihen. Noch beeindruckender als die freiwillige Wartezeit waren allerdings die Reaktionen auf eine nahende Sirene. Was in Deutschland nicht einmal auf Autobahnen funktionierte, klappte hier reibungslos. Sofort fuhren alle so weit auf die Seite, dass ein überbreiter Lastwagen hätte passieren können.
Noch etwas anderes fiel mir auf. Ständig sah man Polizeiautos durch die Straßen fahren und da gab es große Unterschiede. Einmal waren es die normalen die man kannte, in Schwarz und weiß gehalten, mit den blauen Lichtern auf dem Dach. Die Beamten trugen auch alle eine schwarzweiße Uniform. Dann allerdings gab es aber auch noch ganz schwarze Polizeifahrzeuge mit Beamten in komplett schwarzen Uniformen. Erklären konnte ich mir die Unterschiede nicht, aber es würde schon einen plausiblen Grund dafür geben. Den Weg den meine Maklerin fuhr, führte uns über mehrere Seitenstraßen bis von hinten an den Golfplatz, wo auch mein Appartement in der Nähe war. Der Weg erschien mir deutlich länger, aber die Straßen waren frei. Wir mussten uns nicht durch Simpson Bay quälen, sondern erreichten den Flughafen von der anderen Seite.
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