Er schleppte sie ins Wohnzimmer und setzte sie auf das Sofa. „Ich hol dir eine Decke, dann schläfst du dich erst einmal aus! In dem Zustand kann ich dich ja nicht mehr auf die Strasse schicken.“
„Willst du dich nicht noch ein bisschen zu mir setzen?“ stammelte sie.
Er setzte sich neben sie und fragte, was denn los sei. In ihrem Zustand hatte sie keine Mühe mehr offen zu reden: „Ich bereue inzwischen sehr, dass wir uns getrennt haben. Es war mir lange nicht bewusst, dass sowas passieren könnte, ich dachte immer du und Jennifer seien nur Freunde und du werdest irgendwann einsehen, dass wir füreinander bestimmt sind. Das denke ich nach wie vor. Ich möchte dich zurück!“ Sie sah ihn an und legte ihre Hand auf seinen Oberschenkel.
Betroffen blickte er auf den Boden und schob ihre Hand weg: „Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass du das so siehst. Für mich war es gut so wie es war. Ich hab nach vorne geschaut und bin nicht davon ausgegangen, dass wir nochmal zusammen kommen. Dann hab ich mich mehr und mehr in Jennifer verliebt, ich wollte das ja eigentlich nicht. Glaub mir, die Zeit in der sie es nicht wusste, war schwer genug. Es tut mir wirklich leid, aber ich möchte es wirklich mit ihr probieren!“
„Empfindest du denn gar nichts mehr für mich?“ Sie begann zu weinen.
Er nahm sie in den Arm: „Doch natürlich, ich habe nie aufgehört dich gern zu haben!“
„Gern haben?“ Sie stiess ihn von sich weg und starrte ihn entsetzt an: „Ist das alles?“ schluchzte sie.
Denniz wusste nicht recht was er sagen sollte. Er wollte sie nicht verletzen, aber er musste ehrlich sein. Sie musste über ihn hinwegkommen und er war wohl die falsche Person um ihr dabei zu helfen.
Mit ernstem Blick schaute er ihr in die Augen: „Ja, ehrlich gesagt, das ist alles. Du musst versuchen, darüber hinweg zu kommen, das mit uns wird nichts mehr. Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns eine Zeit lang nicht mehr sehen.“
Sofie weinte immer verbitterter. Es war schwierig, weil sie dieselbe Clique hatten. Seine Freunde waren auch ihre Freunde, sie würden sich so oder so immer wieder über den Weg laufen und eigentlich wollte er dies ja auch. Er vermutete nur, dass wenn sie nach so langer Zeit noch mit solchen Gefühlen zu ihm kommt, werde es wohl so schnell nicht anders und sie bräuchte ein Zeit lang Abstand, damit das mit der Freundschaft langfristig wieder klappen könnte.
Aber er wollte ihr zeigen, dass er für sie da war so gut er konnte, also versuchte er nochmal sie in den Arm zu nehmen. Sie liess es zu. Eine Weile lang sassen sie da und sie heulte in sein T-Shirt.
Als sie sich etwas beruhigt hatte, wurde ihre Umarmung intensiver.
Denniz spürte wie ihre Hände an seinem Rücken fester zudrückten und wie sie schliesslich den Kopf drehte und ihre Lippen seinen Hals berührten.
Er wollte sie nicht ruckartig wegdrücken, zog aber bestimmt den Oberkörper zurück.
Sie senkte den Kopf und die Tränen begannen erneut über die Wangen zu kullern.
Denniz wusste nicht, ob es war, weil es ihr leid tat oder weil es nicht geklappt hatte. Irgendwie beschlich ihm in diesem Moment das Gefühl, dass er seine Ex-Freundin gar nicht richtig kannte. Sie kam ihn in diesem Moment so hinterlistig vor.
Er stand wortlos auf und holte eine Wolldecke aus dem Schrank. Er warf sie neben ihr aufs Sofa, wünschte ihr eine gute Nacht, sie solle sich ausschlafen und verschwand in seinem Zimmer.
Etwas verwirrt lag er im Bett und dachte darüber nach, was gerade passiert war. Er hatte ja auch schon etwas getrunken und seinen täglichen Gute-Nacht-Joint geraucht und dachte, das käme ihm wohl deswegen alles sehr komisch vor und beschloss, nicht länger darüber nachzudenken, die Zeit werde schon eine Lösung bringen.
So kam es auch, Sofie entschuldigte sich am nächsten Morgen für ihr Verhalten und ging hastig nach Hause. Er hatte zwar nicht den Eindruck, dass sie es wirklich ernst meinte. Es war ihm aber irgendwie auch egal.
Die Monate darauf gab es noch zwei, drei Mal ähnliche Situationen, in denen Sofie ihm angetrunken ihre Liebe gestand. Doch es änderte sich nichts an seiner Ansichtsweise und die Beziehung mit Jennifer lief perfekt. So zog sich Sofie, auch auf seinen Rat hin, immer mehr aus der Clique zurück und unternahm viel mit ihren anderen Freunden.
Nach zwei Jahren hatte sie sich komplett von ihrem alten Freundeskreis zurückgezogen und niemand hatte mehr Kontakt mit ihr. Denniz dachte zwar schon von Zeit zu Zeit, dass das schade sei, schliesslich hatte er auch mit ihr viel erlebt und durchgemacht. Er hätte gerne wieder einmal etwas mit ihr unternommen, um zu erfahren, wie es ihr geht. Aber er wollte sich nicht bei ihr melden, das wollte er ihr überlassen. Sie müsse wissen, wann sie so weit ist.
Die Beziehung von Denniz und Jennifer verlief die Zeit darauf ohne nennenswerte Zwischenfälle. Die Lovesongs, welche vor der Zeit mit ihr entstanden sind, hatte er inzwischen veröffentlicht und daraus entstanden einige hohe Chartsplatzierungen. Einer der Songs wurde sogar zum Soundtrack zu einer Neuverfilmung von „Romeo und Julia“ und hielt sich wochenlang auf Platz 1.
Eine der schwierigsten Zeiten kam daraufhin wohl, als Denniz im Gefängnis war, wieder in Untersuchungshaft. Es erinnerte Jennifer natürlich auch an damals, an den Selbstmordversuch. Sie hatte Angst, etwas ähnliches können passieren, obwohl sie wusste, dass das Unsinn war. Die Lage war ja jetzt auch eine ganz andere. Denniz hatte jemanden erschossen, dafür gab es mehrere Zeugen. Er musste sich einen guten Anwalt besorgen. Während des Prozesses wollte der auf Unzurechnungsfähigkeit in Tateinheit mit Notwehr plädieren. Der Staatsanwalt wollte die Geschworenen von Selbstjustiz überzeugen.
Die Vorgeschichte, wie es zur Tat kam, wurde auch vor Gericht erläutert. Am Abend des 3. Juni 2063 kamen Jennifer und Denniz nachdem sie im Kino waren, nach Hause. Sie wollte bei ihm übernachten wie so oft. Sie stiegen aus dem Auto und gingen in Richtung Haustür. Dem direkt daneben geparkten, schwarzen Van schenkten sie keine besondere Beachtung. Sie hatten ihn zwar noch nie dort stehen sehen, aber es war ja ein Mehrfamilienhaus, da stehen öfters mal unbekannte Autos.
Als aber die Seitentür des Wagens aufging und zwei maskierte Männer ausstiegen, merkte Denniz aber urplötzlich was los war, hielt Jennifer zurück und stellte sich vor sie hin. Dann ging alles sehr schnell. Die beiden Männer hatten Schusswaffen und bedrohten sie. Sie zwangen die beiden einzusteigen und sperrten sie in den hinteren Teil des Wagens. Jennifers Fragen was denn das solle, ignorierten sie, setzen sich stumm in die Fahrerkabine und fuhren los. Denniz fragte nichts, schaute nur angespannt auf den Boden.
„Du weisst warum die das machen, oder? Du hast nichts gesagt und du siehst nicht so aus, als seist du überrascht!“ wollte Jennifer wissen.
„Ich vermute es! Oder besser ich befürchte es! Du kannst dir auch vorstellen, worum es geht, oder?“ antwortete er und schaute sie an, als wolle er ihr sagen, dass das ja eindeutig sei.
„Das muss nichts damit zu tun haben, vielleicht geht es nur um Geld, dass sie erpressen wollen oder sowas, wir sind ja nun nicht gerade arm. Du verdienst einen Haufen Kohle mit deiner Musik und ich hab einen reichen Vater. Du musst ja nicht immer das Schlimmste befürchten!“
„Ja, dann würden sie aber nicht uns, sondern jemanden der uns wichtig ist, entführen, um an unser Geld ranzukommen.“ Er zog die Schultern hoch und schnaubte.
Jennifer rollte die Augen und schaute dann verzweifelt in eine Ecke.
„Ich hoffe dennoch, dass du recht hast!“ sagte er schliesslich versöhnlich.
Die Fahrt schien ewig zu dauern. Mit der Zeit machten sie es sich auf dem Boden bequem und versuchten die Augen zu schliessen, an Schlaf war aber in dieser Situation kaum zu denken.
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