„Und du denkst, dass du das nicht tust, wenn du nichts sagst?“
„Ich weiss nicht! Ich weiss nicht was ich tun soll! So kann es irgendwie nicht weiter gehen, ich denke immer nur an sie und es macht mich verrückt, wenn sie mit anderen Typen zusammen ist. Aber ich weiss, sie will keinen festen Freund und schon gar nicht mich. Also wenn ich es ihr sage, nimmt sie Rücksicht auf mich, wir haben keinen Sex mehr, aber es wird nie mehr dasselbe sein.“
„Ob sie einen festen Freund will oder nicht, kann ich dir nicht sagen. Ich denke schlussendlich sehnen wir uns alle nach Geborgenheit und Vertrauen. Aber wie du darauf kommst, dass sie ausgerechnet dich nicht wollen würde, ist mir ein Rätsel. Sie hat dich sehr gern, das sieht man. Zwischen euch ist bereits eine sehr enge Bindung, so wie ihr miteinander umgeht. Aber vielleicht, oder besser sehr wahrscheinlich liegt genau da das Problem. Dass du denkst, du wärst nicht gut genug für sie. Sie ist der Schwarm aller Jungs, gross, blond, eine Traumfigur. So eine kann nicht deine Freundin werden. Das denkst du doch, oder?“
Denniz zuckte mit den Schultern: „Ja, so in etwa denke ich das.“
„Das ist die falsche Einstellung. Wenn du eine Chance haben willst, musst genau daran versuchen etwas zu ändern. Frauen wollen Männer mit Selbstbewusstsein, sie wollen lieber ein Arschloch als ein hilfloses Muttersöhnchen. Sie wollen Männer, von denen sie denken, dass sie um sie kämpfen müssen und sie nicht selbstverständlich haben können. Jennifer kennt sicherlich genug Männer, bei denen sie mit den Fingern schnippen könnte und sie hätte sie, im Bett, als festen Freund oder als was auch immer und genau deswegen will sie vermutlich keinen von denen.“
„Ja, und genau so ist es ja auch bei mir!“
„Ich glaube nicht, dass ihr bewusst ist, dass du verliebt in sie bist, schliesslich wart ihre lange genug nur Freunde. Ich denke sie macht sich da einfach keine Gedanken darum, weil es ja keinen Grund gibt für sie eine Entscheidung zu treffen. Ich denke, wenn einer kommen würde, den auch sie nicht so selbstverständlich haben könnte, würde das ihr Interesse wecken. Wenn du ihr als kleiner, eingeschüchterter Junge begegnest und ihr sagst, wie hoffnungslos verliebt du in sie bist, wenn du ihr das Gefühl gibst, dass es ja sowieso klar sei, dass sie nichts weiter von dir will, wird das wohl auch so sein, weil es genau diesen Eindruck bei ihr hervorruft. Wenn du dir aber das Gefühl bist, du bist genauso ein junger, attraktiver Mann, nach dem sich ebenso viele Frauen die Finger lecken, aber du möchtest es, jetzt vielleicht etwas überspitzt gesagt, mit ihr versuchen, wird das auch entsprechend auf sie wirken. Du hast nichts zu verlieren. Im Gegenteil, wenn du nichts tust, verlierst du Zeit. Zeit, die du in dich selbst, in deine Musik, deine Songs oder von mir aus auch in andere Frauen investieren könntest. Sag ihr, du wollest nicht die Freundschaft mit ihr gefährden, auch die besten Liebesbeziehungen sind die, in denen nicht nur Liebe und Sex die Partner verbindet, sondern eben auch Freundschaft. Aber es gehe für dich nicht mehr so weiter, du kannst das nicht mehr. Sie muss sich ja auch nicht sofort entscheiden, aber entweder es bleibt bei rein platonischer Freundschaft oder ihr versucht es mit einer exklusiven Beziehung. In deiner Vorstellung von diesem Gespräch siehst du dich selbst vermutlich als schwach und klein, derjenige der die Hosen runterlässt und dem anderen die Liebe gesteht, aber das muss nicht sein. Sei stark! Zeige, dass es nicht darum geht, dass deine Welt zusammenbricht, wenn sie nein sagt, sondern nur darum diese Situation zu beenden, weil sie dir nicht gut tut. So wichtig musst du dir selbst sein!“
Denniz hörte seiner Mutter nur ruhig zu, ihre Worte wirkten in seinem Kopf einige Augenblicke nach, dann nickte er. Er dachte sich wieder einmal, dass er wohl die beste Mutter der Welt hatte und stellte sich was sie sagte bildlich vor. Sie hatte recht. So würde er es machen. Er müsste nur noch auf den richtigen Augenblick warten.
In der Zwischenzeit waren auch Jonathan und Melanie nach Hause gekommen. Melanie stürzte sich auf Denniz und umarmte ihn. Sie kuschelte sich an ihn und wollte ihn gar nicht mehr loslassen. Jonathan drückte ihn ebenfalls, holte sich ein Bier und feuerte den Grill an. Es wurde ein lustiger, feucht fröhlicher Abend, Denniz entschied sich, bei seinen Eltern zu übernachten. Bevor sie ins Bett gingen, rauchte er mit seiner Mutter noch einen Joint. Seine Mutter vertrug nicht so viel, dass sah er ihr jeweils auch an. Sie wurde sehr emotional und sagte ihm, wie stolz sie auf ihn war und wie froh sie war, dass es ihn gäbe. Schliesslich hat es das Schicksal so gewollt. Er nickte ergriffen und umarmte sie. So glücklich und erleichtert wie an diesem Abend schlief er schon lange nicht mehr ein. Endlich sah er wieder eine Richtung, in die es gehen würde.
Denniz Plan war klar, aber der richtige Moment hatte sich noch nicht ergeben. Es war zur Zeit etwas hektisch, er und Jennifer hatten auch gar nicht viel übrige Zeit, die sie miteinander verbringen konnten. Sie war oft bei diesem geldhandelnden Muskelprotz. Bis sie ihn am Sonntagnachmittag darauf anrief und fragte, ob sie am Abend vorbeikommen könne. Er stimmte zu und schwor sich, es ihr zu sagen und nicht einfach wieder mit ihr im Bett zu landen.
Als er die Türe öffnete und sie vor ihm stand, wusste er, dass es schwieriger werden würde, als er sich eingeredet hatte. Sie stürmte rein und küsste ihn. Beni war weg, hatte ein Mädchen kennengelernt, mit der er das Wochenende in die Berge fuhr.
Bevor sie lange reden konnten, waren die beiden auch schon wieder halbnackt auf dem Sofa. Zumindest war es nicht das Bett, dachte sich Denniz. Und sie jetzt von sich wegzudrücken, fand er unangebracht und konnte es in dieser Situation auch einfach nicht.
Dass er seinen Vorsatz keine zwei Minuten durchgezogen hatte, löste erst ein schlechtes Gewissen bei ihm aus, als sich die beiden ihre Klamotten wieder anzogen. Sie lächelte ihn an. Er lächelte zurück, genoss dieses Gefühl und hoffte dass das, diese Vertrautheit, dieser liebevolle Umgang und die Zärtlichkeit nicht vorbei sein würden. Wobei Letzteres ja doch der Fall sein müsste. Wie schwer das werden würde, wurde ihm jetzt noch einmal schmerzlich bewusst.
Jennifer stand auf und ging zum Kühlschrank: „Darf ich mir ein Bier nehmen?“
„Klar, bringst du mir auch eins?“
Sie nahm die Dosen, öffnete beide, streckte ihm eine entgegen und prostete ihm zu: „Und was machen wir heute noch? Wollen wir was kochen und eine gute Flasche Wein aufmachen oder willst du lieber noch weg gehen?“
Denniz nahm einen grossen Schluck Bier und atmete schwer ein und aus.
Er nahm seinen ganzen Mut zusammen: „Eigentlich wollte ich mit reden!“
„Ja?“ Sie merkte gleich, dass es um etwas Ernstes ging und setzte sich gespannt neben ihn.
„Wir sollten das nicht mehr tun! Also ich meine, das eben sollte das letzte Mal gewesen sein. Ich kann das nicht mehr!“
Traurig sah er sie an, sie senkte den Kopf: „Hast du jemanden kennengelernt?“
„Nein!“ sagte er bestimmt „Nein, darum geht es nicht. Es ist…“ er zögerte und holte tief Luft: „Es tut mir weh, mit dir zu schlafen. Beziehungsweise eigentlich viel mehr zuzusehen, wie du dann wieder mit anderen nach Hause gehst. Ehrlichgesagt, und es fällt mir nicht leicht dir das zu sagen, ist es in letzter Zeit nicht mehr nur Freundschaft für mich und ich verletze mich selbst wenn ich so weitermache. Ich will unsere Freundschaft auch nicht auf Spiel setzen, deswegen müssen wir versuchen, es wieder auf eine platonische Ebene zu bringen. Es tut mir leid, aber ich halte das für das Beste!“
Einige Augenblicke, für Denniz schienen sie ewig, sass Jennifer noch immer mit gesenktem Kopf da. Er konnte ihr keine Reaktion ansehen und wartete gespannt darauf, was sie sagen würde. Aber sie senkte den Kopf noch weiter und legte ihn auf den auf dem Knie abgestützten Arm. Dann sah er wie ihr eine Träne die Wange herunterlief und auf den Boden fiel. Das wollte er nicht. Überrascht fragte er: „Was ist denn los?“
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