»Nö, der hat sich ebenfalls verdrückt, als Balthasar anfing den Zaubertr... die Stinkbombe zu brauen«, antwortete Niko.
»Meine Hände frieren ein«, schimpfte Kaspar und steckte sie in die Tasche seiner Felljacke.
»Der Alte hat uns warme Mützen gegeben«, schimpfte Niko zurück, »aber die warmen Handschuhe hat er vergessen – Senilität, sage ich da nur.«
»Sollen wir etwas spielen, damit uns warm wird?«, fragte Lars vorsichtig.
»Was schwebt dir denn da so vor?«, fragte Niko schnell.
»Wir können Drachenjäger spielen«, antwortete Lars begeistert.
»Tolle Idee«, schwärmte Niko sofort und war mit voller Begeisterung bei der Sache. »Was ist mit dir, Kaspar? Spielst du auch mit oder willst du weiter schmollen?«, sprach Niko ihn laut an.
»Ich habe jetzt keine Lust zu spielen«, verzog Kaspar genervt das Gesicht.
»Egal, dann spielen wir ohne dich Drachenjäger«, schimpfte Niko und wandte sich Lars zu: »Komm, Lars, fangen wir an mit dem Drachenjägerspiel und lassen der Spaßbremse ...«, Niko deutete auf Kaspar, »... seine Ruhe.«
Lars nickte freudig.
»Dann legen wir mal los«, sagte Niko. »Hast du dein Schwert bei dir? Ach ja, ich sehe du trägst es bei dir«, sagte er.
»Und dieses Mal haben wir richtige Schwerter«, sagte Lars und deutete auf sein Schwert, das an seiner rechten Seite in der Scheide steckte.
»Ja«, grinste Niko und umfasste seinen Schwertgriff, dann fuhr er mit verstellter Stimme fort: »Der Nordwald ist sehr alt, älter als jeder Drache auf dieser Welt, und er breitet sich weiter aus, denn an seinen Rändern wachsen neue Bäume heran.« Niko vollzog eine Geste mit der rechten Hand und sagte dann: »Inmitten dieses dunklen Waldes, wo oft ein dämmeriges Zwielicht herrscht, versteckt sich ein bösartiger ...«, Niko überlegte, »... Schwarzdrache«, hauchte er und fuhr mit fester Stimme fort, »der ein ganzes Dorf mit einem einzigen Feuerball vernichtet hat. Es ist unsere Aufgabe als Drachenjäger, dass wir uns in den finsteren Nordwald begeben, um den Drachen aufzuspüren und zur Strecke zu bringen.«
»Ja, und wir werden ihn zur Strecke bringen, darauf kannst du dich verlassen, mein Freund«, bekräftigte Lars und zog sein Schwert.
»Komm, mein Freund«, sagte Niko und zog ebenfalls sein Schwert, »folgen wir diesen Drachenspuren hier«, sprach er mit verstellter Stimme und deutete mit der Spitze seines Schwertes auf den Boden, wo tiefe Drachenspuren zu sehen waren.
»Inmitten dieses Waldes gibt es eine Reihe von Lichtungen«, sagte Lars und schwang sein Schwert, »auf einer von ihnen werden wir diesen Schwarzdrachen finden.«
»Das werden wir, mein Freund«, nickte Niko voller Leidenschaft, »und wir werden ihm sein schwarzes Drachenherz aus seiner Drachenbrust schneiden.«
Kaspar beobachtete stumm das Schauspiel.
»Hast du immer noch keine Lust Drachenjäger zu spielen?«, rief Lars Kaspar zu.
Kaspar schüttelte lustlos den Kopf, dann rief er: »Nein, wirklich nicht, Lars. Aber ich bin gespannt, wie ihr den bösartigen Schwarzdrachen vernichten wollt.«
Niko winkte ab und sprach weiter: »In diesem Wald erheben sich die letzten, gewaltigen Urbäume dieser Welt«, Niko legte die linke Hand auf die Schulter von Lars, »genau an diesen Bäumen müssen wir vorbei, um auf die große Lichtung zu kommen, wo sich der Drache aufhalten soll.«
Niko und Lars taten so, als würden sie durch einen Wald schleichen, vorbei an den mächtigen Urbäumen, an denen Niko ab und an aufblickte, um die imaginären, gewaltigen Baumkronen zu bewundern.
»Da vorne ist die Lichtung«, flüsterte Niko.
»Ja, ich sehe sie«, flüsterte Lars zurück.
»Wir müssen leise sein, damit uns der Schwarzdrache nicht kommen hört«, sagte Niko leise.
»Ja«, murmelte Lars.
Niko und Lars gingen nebeneinander ein paar Schritte vor.
»Es ist kein Drache auf dieser Lichtung zu sehen«, flüsterte Niko und schwang sein Schwert.
»Wir warten auf ihn«, Lars schwang ebenfalls sein Schwert, »bis er kommt, und dann kämpfen wir und werden die Bestie besiegen.«
Niko und Lars sahen sich an und riefen zur gleichen Zeit mit erhobenem Schert: »Wir sind die unbezwingbaren Drachenjäger.«
Kaspar spürte einen Luftzug im Nacken und sah empor zu den Sternen. Er legte die Hand auf den Schwertgriff, als er einen großen Schatten bemerkte, der schnell über ihn hinwegglitt. Kaspar lächelte vergnügt und ließ den Schwertgriff wieder los. Dann wandte er den Blick seinen beiden Freunden zu und verfolgte gespannt das Schauspiel. Dabei stieß er ein leises Seufzen aus, als er sah, dass die beiden Drachenjäger nicht bemerkten, wie sich ein gewaltiges Ungetüm ihnen von oben näherte. Kaspar beugte den Oberkörper leicht vor und wollte seine Freunde warnen, doch aus irgendeinem Grund ließ er es.
»Der Schwarzdrache wird bald kommen. Ich spüre es«, flüsterte Lars Niko zu, und Kaspar dachte: Damit liegst du völlig richtig, Lars, mein Freund.
»Wer wagt es mich zu jagen?«, donnerte eine mächtige Stimme vom Himmel herab. »Ah, da sind ja meine Todfeinde, die beiden Drachenjäger«, sagte die Stimme, und Niko und Lars warfen gleichzeitig den Kopf in den Nacken und blickten in das Gesicht eines zornigen Schwarzdrachens, der über ihnen kreiste.
»Ich werde euch das Fürchten lehren«, brummte der Drache, streckte seinen Kopf den Sternen entgegen und ließ ein gewaltiges Drachenfeuer ab.
Niko war der Erste der einen Schrei abließ, dann folgte Lars. Als Niko einen Schritt zurücktrat und prompt stolperte, fiel er auf den Po und ließ dabei das Schwert fallen.
Kaspar lächelte, als er Nikos ängstliche Miene sah.
Lars stand wie festgefroren und hatte das Schwert erhoben, als der Drache auf ihn zuflog und brummte: »Dein Mut wird dir nichts nützen, Drachenjäger, denn mit einem Schwert kannst du mich nicht töten. Du wirst mein Drachenfeuer zu spüren bekommen.«
Lars bewegte sich immer noch nicht.
»Hast du mich nicht verstanden, Lars?«, brummte der Drache. »Du wirst gleich mein Drachenfeuer zu spüren bekommen.«
»Lars ist vor Angst erstarrt«, rief Kaspar dem Drachen zu, »lass ihn einen Augenblick durchatmen, Numba. Lars und Niko haben dich wahrscheinlich nicht sofort erkannt.«
Kaspar vermutete, dass die kühle Nacht Numba heimkehren ließ, der nun lautlos dahinglitt und vor Balthasars Hütte landen wollte. Numba schüttelte den Kopf, und Kaspar glaubte dabei ein Lächeln über das Drachengesicht huschen zu sehen.
»Sag deinen Freunden, dass sie etwas Platz machen sollen. Ich werde nämlich gleich landen, und wir wollen ja nicht, dass deine Freunde Mus werden«, sprach Numba Kaspar an.
Lars löste sich aus der Starre und rannte zu Kaspar.
»Willst du dem Dicken nicht auf die Beine helfen?«, brummte Numba Lars hinterher. »Er versperrt mir den Landeplatz.«
»Wer ist hier dick?«, entgegnete Niko und kam auf die Beine. Gemächlich hob Niko sein Schwert auf.
»Komm endlich zu uns, Niko!«, schimpfte Lars, der wohl tatsächlich glaubte, Numba würde landen, während Niko auf der Lichtung stand.
Als Niko neben Kaspar trat, landete Numba. Obwohl Kaspar und seine Freunde Numba kannten und wussten, dass der Schwarzdrache ein guter Freund von Balthasar war und ihnen nichts antun würde, standen Niko und Lars ohne die kleinste Rührung und jeglichen Mucks vor ihm.
Der Erdgeist Nox erschien wie aus dem Nichts in einem leichten Nebel an Kaspars linker Seite und fragte: »Was ist das für ein Krach hier draußen? Balthasar will in Ruhe arbeiten.«
»Wir waren ganz leise«, wimmerte Lars.
»Ja, das waren wir«, schimpfte Niko laut, »erst als der da aufgetaucht war, ging der Lärm los.« Niko deutete mit der Schwertspitze auf Numba.
»Wähle deine Worte mit Bedacht«, sagte Numba lässig, »denn du könntest den Zorn eines Drachen auf dich ziehen«, ergänzte er und trat einen Schritt vor.
Читать дальше