„Frau Metzger wird jetzt gleich abgeholt.“
Frau Weigand war ganz perplex, denn Eugen hatte auf dem Weg hierher noch nichts zu ihr gesagt und sie dachte gar nicht an einen Mord, eher glaubte sie, dass Anna Metzger an einem Herzanfall gestorben ist.
Dann fing sie plötzlich an zu weinen, es war erst ein leises Wimmern, aber es schwoll dann immer mehr an. Kirsch schob ihr schnell den Stuhl hin, denn er kriegte es plötzlich doch mit der Angst zu tun, dass ihm die alte Dame auch noch umfallen könnte und dann auch noch verarztet werden musste.
„Herr Kirsch, Herr Kirsch, haben Sie den Lottoschein gefunden?“, rief sie dann unvermittelt aus.
Kirsch schüttelte nur den Kopf, weil er an den Lottoschein schon gar nicht mehr gedacht hatte.
„Vielleicht ist ja der Lottoschein in diesem Kästchen?“, meinte er nur und Anna Metzger wusste das nicht mehr.
„Nein, nein, sie war noch sehr hell im Kopf, das dürfen Sie mir glauben.“
„Jetzt müssen wir erst mal die Tote versorgen und das Kästchen zum Notar bringen.“
„Wissen Sie, welcher Notar für sie gearbeitet hatte?“
„Der Notar wohnt auf der Himmelswiese und heißt Martin Ochs“, informierte Frau Weigand Kirsch.
„Also Eugen, dann bringe doch bitte mal das Kästchen zu Herrn Ochs. Du hast ja gehört wo er wohnt. Sage ihm, dass es das Testament von Anna Metzger enthält und vielleicht noch andere wichtige Schriften und Informationen, weil es ganz rundum versiegelt ist.“
Frau Weigand konnte sich immer noch nicht beruhigen. Seppi beobachtete seine Herrin und Kirsch mit seinen Augen und fixierte die beiden, doch er war ganz still, obwohl auch noch die anderen Hunde um ihn herumstrichen. Aber sie kannten sich ja und da war alles gut.
„Helen, wann kommt denn Isabel Roth?“
Helen hatte doch ganz vergessen, die Tierheimleiterin anzurufen und wurde ganz rot im Gesicht. Sie war halt auch noch mit anderen Arbeiten beschäftigt gewesen und hatte alles im Raum inspiziert und die Hunde und Katzen etwas versorgt und gestreichelt, damit sie nicht weiter ungeduldig wurden.
Schnell rief sie die Tierheimleiterin an, die auch versprach gleich vorbeizukommen und ihre Helfer mitzubringen.
Frau Weigand saß nun stumm in einer Ecke. Auch der Neffe war noch immer stumm wie ein Fisch, er war irgendwie erstarrt.
Kirsch tippte ihn leicht von der Seite her an, um zu schauen, ob er überhaupt noch eine Regung von sich gab. Dann plötzlich sah er auf und schaute Kirsch an, aber er war nicht weiter ansprechbar. Er reagierte überhaupt nicht auf Kirschs Worte, die dieser an ihn richtete.
„Das ist doch merkwürdig“, sagte Kirsch zu Helen.
„Vielleicht könntest du mal Frau Weigand fragen, ob Anna Metzger eine Kaffeemaschine und den dazugehörenden Kaffee hat und dann koch uns mal einen starken Kaffee. Vielleicht wacht dann der Herr Kaplan wieder auf.“
„Den Bürgermeister sollten wir auch noch schnellstens verständigen, dass er herkommt. Vielleicht wäre es überhaupt das Beste, wenn der Bürgermeister, als Amtsperson, das Kästchen zum Notar bringen würde.“
Als Helen den Bürgermeister erreichte und ihm die schreckliche Nachricht überbrachte, war der außer sich, selbst Kirsch hörte sein Schnauben und dann riss er schnell Helen den Hörer aus der Hand und sprach beruhigend auf den Bürgermeister ein.
Dieser sagte dann auch sein Kommen gleich zu.
Inzwischen kam die Tierheimleiterin Isabel Roth und hatte einige Helfer dabei und auch einige Kisten und Körbe, um die Tiere einzufangen.
Zunächst nahmen die Helfer die Hunde und brachten sie in das Auto und dann ging es auf Katzensuche. Doch inzwischen waren einige nach draußen entwischt und so konnten sie nicht alle eingefangen werden.
Kirsch war darüber gar nicht erfreut, denn dann befürchtete er, dass der Ärger wieder mit den Nachbarn losgehen würde, die schon in einigen Grüppchen zusammen standen und zum Haus herüber blickten .
Doch Isabel Roth beruhigte ihn, dass sie gleich heute noch und auch morgen nach den Katzen suchen wollte.
Dann ging sie auf Anna Metzger zu und strich ihr über das Haar. Der Neffe, beobachte sie ganz genau, das bemerkte Kirsch gleich. Er wandte kein Auge von Isabel Roth und schluckte ziemlich heftig, dass sich sein Adamsapfel nur so hin und her bewegte. Das sah lustig aus und Kirsch hätte gerne losgeprustet, aber beim Anblick der toten Frau Metzger verging ihm das Lachen. Denn die Würde der Toten wollte er nicht stören.
„Adalbert“, rief Isabel Roth und der Neffe blickte sie nur von der Seite her an, wenn du Hilfe brauchst, dann lass es mich wissen. Ich bin immer für dich da“, flötete sie ziemlich zuckersüß zum Neffen, der jedoch verschämt die Augen niederschlug und als sie ihn leicht berühren wollte, zuckte er nur zusammen und stieß sie ein wenig weg.
„Was soll das denn?“, sagte Kirsch zu Helen sehr leise, die es auch bemerkt hatte und ihre Stirn runzelte.
„Na ja, vielleicht kennen sich die beiden. Isabel Roth war des Öftern im Haus und da sind sie sich vielleicht etwas näher gekommen“, meinte Kirsch zu Helen.
Doch die Reaktion von Kaplan konnte Kirsch nicht so richtig einordnen und irgendwie passte das auch nicht in seine Überlegungen.
Doch Kirsch hing kaum diesen Gedanken nach, polterte auch schon der Bürgermeister in das Zimmer. Er stürzte sich gleich auf Anna Metzger, als wollte er sie wieder zum Leben erwecken und Kirsch hielt ihn nur mit Mühe zurück.
„Herr Bürgermeister, nicht so heftig. Lassen Sie bitte Frau Metzger ihre Ruhe. Sie können doch nicht wie ein Stier ins Zimmer stürzen und uns mitsamt den Tieren in Angst und Schrecken versetzen.“
„Entschuldigung“, sagte der Bürgermeister nur, dem dann schon bewusst wurde, was er aufgrund seiner Bestürzung angerichtet hatte.
„Was sollen wir jetzt nur machen?“, rief er unvermittelt zu Kirsch aus, der gar nicht wusste, was der Bürgermeister meinte.
„Jetzt, geht alles seinen gewohnten Gang, die Spusi war auch schon hier und hat alles aufgenommen und die Spuren gesichtet. Anna Metzger kommt jetzt gleich in die Pathologie und Doktor Dorer wird sie obduzieren und dann wissen wir mehr.“
„Hat sie denn noch gelebt, als sie eingetroffen sind?“, fragte der Bürgermeister, etwas nach Fassung ringend, nach.
„Ich glaube nicht, sie hatte die Augen fest geschlossen und ich konnte eigentlich nur noch ihren Tod feststellen. Wir wissen es nicht wie es passiert ist, ob sie einen Herzinfarkt erlitten hat oder ob sie ermordet wurde, wobei Doktor Dorer eher aufs Letztere tippt. Er hatte einen kleinen Einstich an ihrer Hand entdeckt und er vermutet, dass sie eventuell vergiftet wurde. Ob und mit welchem Gift, das muss auch der Obduktionsbericht ergeben.“
Der Bürgermeister hörte aufmerksam zu und schob dann Kirsch in eine Ecke des Raumes. Dort redete er sehr stark auf ihn ein und Helen vernahm nur, wie er sagte, jetzt haben wir den Skandal, ein Mord so kurz vor meiner Bürgermeisterwahl, das passt mir jetzt gar nicht in den Kram. Ich hatte Sie doch so gebeten, aufzupassen.
Kirsch bekam schon ein mulmiges Gefühl, aber eine Schuld bei sich zu suchen, das konnte er so nicht stehen lassen.
„Herr Bürgermeister, Sie wissen doch ganz genau, dass ich dafür nichts kann. Ich hatte das beste Verhältnis zu Anna Metzger, obwohl sie mir manchmal natürlich auch gewaltig auf die Nerven ging. Und jetzt der Zwischenfall mit den Nachbarn, vielleicht hatte sie sich dabei auch stark aufgeregt, die jüngste war sie ja auch nicht mehr. Möglich, dass der Vorfall der Verursacher ihres Todes war.“
„Wir dürfen jetzt nicht die Nerven verlieren und Sie vor allem nicht. Wir brauchen einen starken Bürgermeister. Übrigens Eugen bringt gerade ein schwarzes Kästchen zum Notar Martin Ochs. Wie Frau Weigand erzählte, ist darin das Testament von Anna Metzger.“
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