„Hier steht unser Jeep. Wir fahren gleich los zum Camp nahe der Stadt Fizi, in der Provinz Sud Kivu im Osten der Republik.
Sind ein paar Stunden Fahrt. Wir müssen unterwegs übernachten. Ich habe alles eingepackt. Schlafsäcke, Wasser und Proviant.
„Schlafen wir im Freien?“ Julia war entsetzt.
„Nein, ich habe immer zwei zusammenklappbare Zelte dabei. Keine Sorge. Ihr müsst Euch nicht wundern, wenn die Straßen immer holpriger werden. Ist eine kleine Provinz. Dort werden wir am meisten gebraucht.“
Nachdem das Gepäck verstaut war, ging die Fahrt los. Karsten setzte sich einen breitkrempigen Hut und seine Sonnenbrille auf. Esmeralda hatte neben Karsten auf dem Vordersitz Platz genommen, Julia saß auf der Rückbank. Im Rückspiegel konnte sie Karstens lebhafte blaue Augen beobachten.
„Toller Typ, der hat was“, dachte sie.
Tatsächlich wurden die Straßen immer schmaler und holpriger. Der Asphalt verschwand ganz nach einigen Kilometern. Esmeralda erinnerte sich an ihr Heimatland.
„Afrika hat mich wieder“, dachte sie und freute sich bei diesem Gedanken.
Langsam fuhren sie durch den dichten Regenwald und auf den vom Regen ausgeschwemmten, staubigen Fahrwegen. Fast hätte sich Julia auf der Rückbank den Kopf an der Autodecke angestoßen, als Karsten etwas unvorsichtig über ein Schlagloch gefahren war.
„Entschuldigt meine Schönen. Ich hatte das Schlagloch übersehen. Kommt nicht mehr vor“,
dabei schaute er verschmitzt durch den Rückspiegel zu Julia. Sie wurde rot. Ihr war bewusst, dass er wohl ihre an ihm interessierten Blicke bemerkt hatte. Esmeralda war von der exotischen Landschaft angetan. Fasziniert schaute sie aus dem Seitenfenster.
Karsten erzählte:
„Dieses Land mit ca. 2400 Quadratkilometer Staatsgebiet besteht fast zur Hälfte aus dem immergrünen tropischen Regenwald, Bergregenwald, Savanne und Seen. Nachdem Amazonasbecken ist es das zweitgrößte Urwaldgebiet der Welt.“
„Ist wirklich interessant. Dauert es noch lange, bis wir eine Rast machen? Ich muss mal“, sagte Julia.
„Nein, nur noch eine halbe Stunde. Wir halten auf einem bewachten Campingplatz. Da sind Toiletten und Duschen. Wenn du es nicht aushalten kannst, halte ich an und du kannst in den Busch gehen.“
„Nein danke!“
Nie und nimmer wollte sie hier in der Wildnis aussteigen. Karsten verlangsamte sein Tempo.
„Hier schaut mal nach rechts. Auf dem dicken Baum sitzen die typischen Bewohner des Regenwaldes, das sind Gibbon Affen, der gesamte Clan hat sich versammelt, um Euch zu begrüßen. Die sind doch lustig.“
„Ja richtig süß, schau doch, wie sich die Babys an den Bauch ihrer Mamis klammern.“ Julia war begeistert.
Karsten: „Ja, die sind niedlich. Im Bergregenwald leben auch Berggorillas. Die werden uns hier nicht begegnen.“
„Welche Arten von Tieren leben hier noch?“, fragte Esmeralda.
„Löwen, Wildelefanten, Zebras, Leoparden, Krokodile, Giraffen, Geparden“, zählte Karsten auf.
Er liebte dieses Land und war stolz darüber zu erzählen.
„Das sind die, vor denen wir uns in Acht nehmen müssen.
Doch es leben auch wunderschöne Pfauen, Flamingos, Papageien und andere schöne Vögel auf diesem Stück Erde. Es könnte ein Paradies sein, wenn die Menschen es begreifen könnten.“
Dann huschten ein paar Gazellen, begleitet von Antilopen, durch das trockene Geäst.
Mitten in der Wildnis tauchte ein eingezäuntes Gelände auf. Nach mehrmaligem Hupen kam ein älterer Mann und öffnete das verschlossene Tor. Karsten unterhielt sich kurz mit dem Mann. Der Mann nickte ließ die Reisegruppe in das Gelände einfahren und ging zurück in eine kleine Hütte auf dem Gelände aus der er gekommen war.
„Das ist der Wachmann. Schein wohl keiner außer uns hier zu sein. So haben wir das ganze Gelände für uns.“
Die beiden Freundinnen schauten sich unsicher an.
Er lächelte den Frauen aufmunternd zu.
„Kommt, steigt aus. Hier rechts ist das Gebäude, da sind die Duschen und Toiletten untergebracht. Hoffentlich ist das Wasser für Euch nicht zu kalt, denn es gibt keine Warmwasseraufbereitung.“
Julia folgte sofort der Aufforderung. Der Druck auf ihrer Blase wurde schmerzhaft.
Esmeralda schaute sich neugierig um. Das Gelände war großzügig. Auf dem ausgetrockneten Boden standen ein paar Bäume mit dürren Ästen und braunen Büschen, deren Blätter die Farbe des Lehmbodens durch den Staub angenommen hatten. Außer dem Haus des Wächters und dem Toilettengebäude war nichts auf dem Platz zu sehen.
„Neben dem Rastplatz liegt einer von den zahlreichen Seen. Auch hier ist Vorsicht geboten. Darin leben Flusspferde und Krokodile. Wir sind mitten in der Wildnis“, mahnte Karsten.
„Auch kann sich eine hochgefährliche Mamba mal verirren. Sie sind nur gefährlich, wenn sie sich bedroht fühlen. Also seid vorsichtig beim Gehen. Die mögen es überhaupt nicht, wenn man auf sie tritt. Das kann tödlich enden.“
„Was erzählst du uns! Willst du uns Angst machen?“
Julia war aufgebracht.
„Nein, ich will Euch nur auf die Gefahren des Landes aufmerksam machen.“
„Woher kommt denn hier das Wasser?“
„Einmal im Monat kommt ein Lastwagen mit einem großen Tank vorbei.“ Karsten lachte, als er antwortete:
„Hoffentlich war der LKW dieses Mal da“, denn, als er das letzte mal auf dem Platz war, gab es kein Wasser.
Es gab Wasser. Allerdings nicht erhitzt. Das war jedoch nicht notwendig. Die kühle Dusche tat bei der prallen Hitze von knapp 40 Grad C gut.
Karsten hatte, während die Frauen duschten, die Zelte aufgebaut und das Abendessen aus den mitgebrachten Plastikcontainern auf einem kleinen Klapptisch aufgestellt. Aus der großzügigen Kühlbox tranken sie gut gekühlten Weißwein und Mineralwasser. Die Frauen langten mit Appetit zu, die Reise hatte sie hungrig und durstig gemacht. Schnell brach die Dunkelheit ein, nachdem sie einen phantastischen Sonnenuntergang beobachtet hatten. Der Himmel hatte sich von erst orange, dann in`s lila über pink und rosa gefärbt, bis die Sonne vollständig in den Erdboden eingetaucht war.
Julia und Esmeralda waren nach dem Essen gleich in ihr Zelt gegangen, konnten jedoch vor Aufregung nicht gleich einschlafen, obwohl beide übermüdet waren.
Ganz in der Nähe hörten sie die Rufe von Hyänen.
Julia meinte:
„Bin ich froh, dass das Gelände eingezäunt ist.“
„Hoffentlich ist kein Loch im Zaun“, antwortete Esmeralda.
Im Morgengrauen des nächsten Tages ging die Fahrt weiter, nachdem sie flink alles Mitgebrachte im Auto verstaut hatten. Noch vor dem Mittagessen erreichten sie ein Dorf mit einem Hauptgebäude und mehreren kleinen Gebäuden. Vor einem der Häuser warteten Einheimische in einer Warteschlange. Einige hatten Verbände um die Köpfe, andere am Körper. Einige Frauen trugen ihre Babys auf dem Arm oder auf den Rücken gebunden. Jeder wartete geduldig auf medizinische Hilfe.
Karsten sprang aus dem Jeep und öffnete den Kofferraum, um das Gepäck der Frauen auszuladen. Esmeralda trat auf die staubige Straße und Julia kletterte aus dem Fond des Autos. Als sie auf dem Weg standen kamen nach und nach die Truppe der Hilfsmannschaft aus den Häusern. Die Frauen wurden herzlich begrüßt. Neugierig blickten Julia und Esmeralda zu dem Begrüßungskomitee.
„Hier bringe ich unsere beiden neuen Krankenschwestern, Julia und Esmeralda“, sagte Karsten während er die Koffer abstellte. Ein etwas älterer weißhaariger Mann, ca. um die 50 Jahre alt, er trug, wie die anderen, lässige Tropenkleidung, trat hervor. Man konnte ihm seine Erfahrungen, die er in den Jahren als Arzt im Kongo gesammelt hatte, von seinem Gesicht ablesen.
„Zuallererst wünschen wir Euch beiden ein herzliches Willkommen in Sud Kivu. Ich bin der Leiter dieses Krankenlagers. Wir haben uns in den Kopf gesetzt, diesen armen Menschen hier ...“, dabei zeigte er auf die Warteschlagen der Patienten „ … zu helfen. Ich heiße Wilfried Krüger. Nennt mich Wilfried. Wir sprechen uns hier alle mit Vornamen an.“
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