WAITING LIST
1. Südafrika – Kwa.Zulu.Natal 1
2. Berlin – ein Jahr vorher 2
3. Südafrika 3
4. Kommissariat 5314 Berlin 4
5. Am Strand in Südafrika 5
6. Private Klinik in Durban, Südafrika
7. Kerstin und Carl
8. Durban
9. Südküste am Indischen Ozean
10. Durban
11. Südküste
12. Durban City
13. Südküste
14. Durban
15. London
16. Durban
17. London
18. Durban
19. London
20. Durban
Zur Autorin
Bücher von Lisa Winter
Waiting List. Tod für gekauftes Leben
© Lisa Winter
published by: epubli GmbH, Berlin
Coverfoto: Bild von Engin_Akyurt auf Pixabay
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Südafrika – Kwa.Zulu.Natal
Die beiden Mädchen, Thoko und Souto machen sich auf den Weg zur Schule. Beide sind 9 Jahre alt und gehen in die gleiche Klasse. Thoko wird auch Happiness genannt und Souto, Sunday, da sie an einem Sonntag geboren ist.
Heute begleitet der Vater von Thoko die Kinder nicht zum Schulbus, da er starke Bauchschmerzen hat und seine Frau ihm Kräuterwickel zubereitet hatte, um seine Schmerzen zu lindern.
Bevor Thoko aus dem Haus ging, mahnte ihre Mutter Nande: „Thoko, du weißt, dass Ihr heute nicht durch das Zuckerrohrfeld geht. Lauft auf der Straße zur Bushaltestelle.“
„Ja, Mama, wir werden auf der Landstraße gehen, obwohl der Weg viel weiter ist. Ich weiß, dass letzte Woche in einer anderen Gegend, ein kleiner Junge im Zuckerfeld tot aufgefunden worden ist.“
Nande nickte mit dem Kopf und half Thoko beim Einräumen ihres Schulranzens, bevor Thoko das kleine Häuschen verließ.
Die Familie lebt in einem Township, etwas abseits von der Landstraße in einem kleinen Dorf, wo sich überwiegend Zulufamilien niedergelassen haben. Die Gemeinde ist klein und jeder kennt jeden. Wenn es notwendig ist hilft man sich gegenseitig, . Es gibt einen Bürgermeister und eine Sangoma, die im Dorf das Sagen haben. Die Sangoma ist für die Kranken zuständig und der Bürgermeister regelt das friedliche Zusammensein in seiner Gemeinde.
Souto wartete schon am Ende der lehmigen Straße auf Thoko. Souto nennt Thoko lieber Happiness, das klingt für sie moderner und angepasster.
„Heute müssen wir ohne meinen Vater zum Bus laufen. Er ist krank. Wir sollen auf der Landstraße gehen“, ruft Thoko der wartenden Souto entgegen.
„Ach was, das ist viel zu weit und wir sind viel zu spät. Wenn wir den Bus nicht rechtzeitig erreichen, fährt er ohne uns ab. Das weißt du doch. Komm, wir sind doch zu zweit und es wird schon nicht gefährlicher sein, als auf der befahrenen Straße zu gehen“, erwidert Souto.
Thoko nickt und beide nehmen sich an der Hand und biegen am Ende der Dorfstraße ab auf einen engen, steinigen Weg, der durch die hohen Zuckerrohrfelder führt. Die Ernte steht kurz bevor, dadurch sind die Pflanzen dicht und hoch gewachsen. Die Mädchen kennen den Weg seit sie laufen konnten.
Kurz vor der Landstraße bleibt Thoke plötzlich stehen. Ihr sonst bronzefarbenes Gesicht verändert sich gräulich vor Schreck.
„Was ist, was hast du?“, fragt Souto. Sie schaut nach rechts und auch sie blickt auf das Grauenvolle, das sie ein Leben lang verfolgen wird.
Am Wegesrand liegt ein sauber geputzter Kinderschuh auf dem staubigen Lehmboden. Thoke bückt sich und hebt den Schuh auf. Sie geht ein paar Schritte in das dicht bewachsene Feld, um nach dem anderen Schuh zu suchen. Der zweite Schuh hängt an einem Grasbüschel. Thoko zieht kräftig und der Schuh löste sich. Nun merkte sie, dass sie den Schuh von einem menschlichen Fuß gezogen hatte und blickte entsetzt auf den kleiner Körper in einer Blutlache. Es ist ein Junge. Obwohl er auf der Seite liegt, kann sie erkennen, dass seine Kehle durchgeschnitten ist. Getrocknetes, fast schwarzes Blut klebt auf einer senkrecht aufgeschlitzten Wunde, die über den gesamten Rumpf des Opfers reicht.
Eine Stunde später rückt eine Polizeilimousine gefolgt von einem Krankenwagen an. Inzwischen haben sich am Tatort viele der Dorfbewohner versammelt. Aus der Polizeilimousine steigt ein korpulenter Uniformierter. Er geht zum Dorfältesten, den er aus seiner Kindheit kennt. Hinter ihm stehen die noch vom Schrecken des Grauens gezeichneten kleinen Mädchen.
„Wer hat uns gerufen?“, fragt der Polizist. Dabei wischt er sich mit seinem Taschentuch über sein rundes vor Schweiß glänzendes Gesicht.
„Ich, nachdem die beiden Mädchen aufgeregt in unser Dorf zurückgerannt kamen“, antwortete der Dorfälteste.
„Sie haben den kleinen Jungen gefunden.“
Mittlerweile kommen zwei Sanitäter und beschäftigen sich mit der Leiche, die mit Krusten von Blut übersät ist.
„Wir haben ihn hier her getragen. Dort konnten wir ihn nicht liegen lassen. Insekten hatten sich schon auf ihn niedergelassen“, fuhr der Dorfälteste fort.
Der Polizist schreibt auf einem kleinen Notizbuch, das er aus seiner Jackentasche gezogen hat, die Fakten auf, die er auf den ersten Blick feststellen kann.
„Wir werden die kleinen Mädchen später befragen, sind sicher schwer traumatisiert. Wir sehen ja vor uns, was wieder geschehen ist.“
Der Dorfälteste nickt und schiebt die beiden Kinder zu einer weinenden Frau. Sie legt den beiden ihre Arme um die Schultern und führt sie zu ihren Familien.
Danach dreht sich der Polizist zu den Sanitätern um, die ihm schweigend zunicken. Im gleichen Moment kommt ein weiteres Polizeifahrzeug, um die Spuren zu sichern, während der kleine Leichnam im Krankenwagen abtransportiert wird.
Carl und Kerstin Braun, ein deutsches Ehepaar, wohnen wenige Kilometer entfernt in ihrem südafrikanischen kleinen Paradies. Dieses Dorf erreicht man direkt über die gut ausgebaute Landstraße. Luxuriöse Villen mit gepflegten, subtropisch angelegten Vorgärten, empfangen die Ankommenden Das Dort liegt direkt am Indischen Ozean und ist überwiegend von Weißen bewohnt. Während ihres Urlaubes in Südafrika fanden Carl und Kerstin zufällig ihre neue Heimat und hatten sich sofort buchstäblich in diesen zauberhaften kleinen Ort „auf den ersten Blick“, verliebt. Nach vielen Dienstjahren als Polizeihauptkommissar hatte Carl seinen wohlverdienten Ruhestand angetreten und sich seinen langersehnten Lebenstraum erfüllt. Er hatte vor, sich mit den schönen Dingen des Lebens zu beschäftigen. Endlich konnte er so oft er wollte, Golf spielen, spazieren gehen, oder im warmen Indischen Ozean schwimmen. Kerstin war selbständige Journalistin und konnte aus gesundheitlichen Gründen ihren geliebten Beruf nur noch eingeschränkt ausüben. Begeistert teilte sie mit Carl die Idee „Abenteuer in ein neues Leben in Südafrika“ .
„Mam, könnte ich heute schon um 1 Uhr gehen? Es ist sehr wichtig. Ich werde heute keine Mittagspause machen.“
Beauty arbeitet schon seit 2 Jahren als Hausmädchen bei Carl und Kerstin. Sie ist sehr zuverlässig und ehrlich und arbeitet zwei Tage in der Woche von 8 bis 15 Uhr im Haushalt.
„Ja, klar, was ist denn der Grund?“, fragt Kerstin.
„Oh, ganz schreckliche Dinge passieren hier Mam. Am Samstag kam meine Cousine nach dem Einkaufen nach hause. Ihre zwei kleinen Mädchen und ihren Jungen hatte sie im Haus gelassen und ihnen verboten, das Haus während ihrer Abwesenheit zu verlassen, weil in der Gegend andauernd Kinder spurlos verschwunden waren.“
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