Beauty schluckte und es fiel ihr schwer weiterzusprechen. Stockend, mit bebender Stimme, fuhr sich fort.
„Als sie zurück kam und in ihr Haus eintrat fand sie in ihrem Wohnzimmer ihre toten Kinder. Mörder haben alle drei aufgeschlitzt, ihnen sämtliche Organe und sogar die Augen entnommen.“
Beauty trocknete sich ihre Tränen mit einem abgerissenen Stück Papier von der Küchenrolle.
„Dem kleinen Themba haben sie auch seine Hoden abgeschnitten.“
Sichtlich erschüttert legte Kerstin Beauty ihren Arm um die Schultern.
„Und was hast du jetzt vor?“
„Unser Bürgermeister hat uns angewiesen in Gruppen unsere Kinder an die Haltestelle zum Schulbus zu bringen und sie am Nachmittag wieder dort abzuholen. Das machen wir abwechselnd. Heute bin ich dran. Sorry Mam, ich werde mich mit der Arbeit beeilen.“
Kerstin fragte weiter:
„Und die Polizeit? Hat die schon etwas herausgefunden? Wer tut denn so etwas Schlimmes?“
„Mam, die Ambulanz und ein Polizist kamen erst drei Stunde später, um die Kinder abzuholen. Erst am nächsten Tag kam der Polizist wieder zu uns ins Dorf, um die Mutter und uns zu vernehmen. Nachdem wir die toten Kinder gefunden hatten, haben wir sie in ihre Bettchen gelegt und ihre offenen Wunden mit Handtüchern zugebunden. Dann haben wir das viele Blut von den Wänden und dem Fußboden weggewischt. Wir wussten nicht, was wir tun sollten. Später hat der ermittelnde Polizist gesagt, dass das ein Fehler gewesen wäre, da wir brauchbare Spuren verwischt hätten. Wir glauben, dass die Polizei mehr weiß, als sie uns erzählen will. Wir trauen denen nicht.“
Als Carl vom Golfen zurückkam, war er überrascht, dass Beauty schon aus dem Haus gegangen war. Er ließ sich von Kerstin die grausame Geschichte erzählen.
„Fast wie in meinem letzten Fall in Deutschland“, sagte er erschüttert und ging in die Küche, um sich sich ein Glas Wasser zu holen.
Kerstin folgte ihm und sagte:
„Wie du siehst kann man von den gemeinen Verbrechen nicht davonlaufen. Überall in der Welt geschehen die gleichen grausamen Dinge, sogar hier, in der hintersten Ecke der Welt. Überall werden Kinder ermordet, missbraucht, entführt oder versklavt. Es ist so traurig.“
Carl nickte nachdenklich. Nachdem er langsam das Glas Wasser ausgetrunken hatte, sagte er:
„Ich fahre gleich mal zur Polizeistation hier im Ort. Mal sehen, ob ich etwas erfahren kann.“
„Anscheinend bist du doch noch nicht in deinem wohlverdienten Ruhestand angekommen“, erwiderte Kerstin lächelnd und sagte:
„Ich geh mal zum Supermarkt, wir brauchen noch Tomaten. Ich werde mich auch mal umhören“.
Kerstin war mit dem Abendessen beschäftigt. Sie hörte, wie sich das Garagentor in ihrem Haus öffnete und Carl hineinfuhr. Die Garage ist mit einer Tür zu dem Wohnhaus verbunden
„Bin gleich mit dem Essen fertig. Es gibt Spaghetti mit frischer Tomatensoße und grünem Salat aus dem Garten“, rief sie Carl entgegen, als er das Haus betreten hatte.
„Das ist prima, ich habe Hunger und Durst. Ich geh noch unter die Dusche, bevor ich dir alles erzähle. Ich muss jetzt duschen, ich fühle mich schmutzig, nach all dem was ich erfahren konnte.“
Kerstin deckte den Tisch und entkorkte eine Flasche Rotwein.
Nach dem ersten Schluck stellte Carl das Glas ab und begann zu erzählen:
„Stell dir vor, den Täter haben sie gefasst. Es ist einer von ihnen. Einer vom Dorf. Und das Unfassbare ist, dass dieser Mann der Busfahrer der Kinder ist, der sie jeden Morgen zur Schule gefahren hat.“
Kerstin ließ die Gabel mit den aufgerollten Spaghetti auf den Teller sinken.
„Was? Der Busfahrer? Wie sind die denn dem auf die Schliche gekommen?“
Ein Undercoverpolizist hatte herausgefunden, dass der Mann schon länger mit illegalem Organhandel zu tun hatte. Man konnte ihm nichts beweisen und so hatte man diesen Polizisten auf den Täter angesetzt. Er sollte als Kunde, also Kaufinteressent, Kontakt aufnehmen. Das tat er auch. Er erfuhr, dass, wenn er genug Geld bezahlen würde, er alles an menschlichen Teilen von ihm bekommen könnte. Alles, was er haben wollte. So, als wenn man in der Autowerkstatt Ersatzteile bestellen würde. So fragte der Polizist nach dem Preis für Nieren. Der Verdächtige verlangte 70.000 Rand für eine. Der Polizist sagte, er hätte nur 40.000. Sie wurden sich einig und verabredeten sich im Haus des Täters.“
Beeindruckt vergaß Kerstin zu essen und nahm auch einen kräftigen Schluck vom Wein.
„Als er in der Dunkelheit der Nacht am Haus des Täters ankam, erwartete ihn der Mann vor seiner Haustür. Er führte ihn hinter das Haus. In einem Verschlag stand, unter Holzästen versteckt, ein mit Eis gefüllter Behälter.
„Hier ist das, was du brauchst“, sagte der Händler.
Der Polizist nickte. Nach dem Öffnen blickte der Polizist im Schein der Taschenlampe in den Behälter. In durchsichtigen Plastiktüten, mit Etiketten versehen, befanden sich verschiedene Organe.“ Carl nahm einen Schluck von seinem Wein.
„Es musste für den Polizist schwer gewesen sein, sein Entsetzen zu verbergen“, meinte Kerstin.
„Muss wohl. Dann ließ er sich weitere menschlichen Teile zeigen und fragte ihn, was er denn mit den ausgenommenen Körpern gemacht hätte. Jetzt stell dir vor! Stolz führte er diesen raus ins Freie hinter den Verschlag und zeigte auf eine mit Erde und Zweigen zugeschüttete Stelle.“
Kerstin hatte keinen Appetit mehr und schob den noch gefüllten Teller von sich.
Auch Carl ließ die halbe Portion im Teller.
Kerstin räumte den Tisch ab. Auf dem Weg in die Küche fragte sie:
„Was hat der Polizist danach getan?“
„Er hat das Geld bezahlt und in dem Moment, als er die Niere in Empfang genommen hatte, traten zwei uniformierte Polizisten aus der Dunkelheit hervor. Sie hatten auf diesen Moment gewartet. Der Zugriff war so geplant, dass der Informant nicht aufflog. Die beiden, auch der angebliche Käufer und der Verkäufer, versuchten zu flüchten. Doch es lauerten noch weitere Polizisten in ihren Verstecken und konnten beide einfangen und ihnen Handschellen anlegen. So war die Identität des Informanten geschützt. Der Dealer sitzt jetzt in Margate im Gefängnis und wartet auf seine Vernehmung“, antwortete Carl.
„Das Traurige daran ist, dass dieser Täter ein kleines Licht in dieser organisierten Verbrecherbande ist. Wenn der den Mund aufmacht, ist er tot“, meinte Carl.
„Ist wie in Deutschland. Die Kleinen werden gefasst und die wirklichen Täter laufen als unbescholtene Bürger frei herum, ohne dass man ihnen etwas beweisen kann“, sagte Kerstin traurig.
„Übrigens spricht man hier im Supermarkt auch von den Kindern. Eine Kundin sagte, dass sie ein Video im Internet angeschaut hat, auf dem man sehen konnte, wie mitten in einer Stadt ein Schuljunge von der Straße weg entführt werden sollte. Zufälligerweise hatte ein anderes Kind, das auf der anderen Straßenseite ging, alles auf seinem Hand mitgefilmt. Man sah, wie ein Auto langsam an den Jungen heran fuhr, dann sprang ein Mann aus der Beifahrerseite, um sich den Jungen zu schnappen. Dieser konnte sich Gott sei Dank losreißen und davon rennen. Glücklicherweise fand er eine offene Gartentür und konnte sich auf das Grundstück retten.“
Carl hörte nachdenklich zu und sagte: „Ich kann nicht tatenlos zusehen. Ich werde mal sehen, was ich noch herauskriegen kann, damit man an die Hinterleute kommt. Ich habe dem Chef der Polizeistation erzählt, dass ich auch im Polizeidienst in Deutschland tätig war und wir hier unseren Ruhestand genießen wollten. Er war sehr aufgeschlossen und ich denke, dass er für meine Anteilnahme dankbar war.“
„Die Wartelisten auf den legalen Organspenden der Patienten sind einfach zu lange, zu viele Menschen warten auf Spender und wenn sie an erster Stelle vorgerückt sind, sind viele schon vorher an ihren Krankheiten gestorben. Ich habe von Studenten gehört, die ihre Organe verkaufen, um mit dem Geld studieren zu können. Oder von anderen armen Menschen in der Welt, die für wenig Geld ihre Nieren oder andere Organe verkaufen. Meistens werden sie nach den Operationen schlecht versorgt und zu früh auf die Straße gesetzt. Viele leiden ihr Leben lang unter den Folgen“, erwiderte Kerstin.
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