»Ich bleib hier bei dir«, sagt er trotzig.
»Tust du nicht. Ich kann nicht auf dich aufpassen und mich von Sherwood jagen lassen. Ich muss wissen, dass du sicher bist.«
Sam schnaubt. »Bullshit. Du willst wissen, dass ich sicher verwahrt bin für den Fall, dass der Drecksack dich wie Mom und Dad umbringt. Dich kenne ich wenigstens, aber dieser Mensch, zu dem du mich abschieben willst, ist ein Fremder.« Er dreht sich um und geht wieder zurück in die Küche.
Ich verziehe das Gesicht, weil er recht hat. Ich reibe mir erschöpft über die Wangen. »Tut mir leid, aber es ist nur bis ich mit Sherwood einen Deal aushandeln konnte«, werfe ich ein. »Solange sie bei mir ist, wird mir nichts passieren.«
»Wenn sie ihm wichtig genug ist, dann könnte das funktionieren«, wirft Will ein. »Du kennst Sherwood besser als jeder andere, du weißt, dass er ein durchgeknallter Psychopath ist, der eigentlich nichts außer sich selbst liebt.«
Raven stößt ein dumpfes Lachen aus und fährt sich kopfschüttelnd durch die Haare. »Es wird nicht funktionieren. Ich hab es Ice schon gesagt, mein Vater und ich haben keine Verbindung. Er war so gut wie nie da. Und wenn, war er das Arschloch, als das ihr ihn auch kennt.« Raven ist ganz still geworden in den letzten Minuten, jetzt lächelt sie, als wäre sie zufrieden mit dem, was sie aus unserem Gespräch gelernt hat. Ihre Hand streichelt weiter den Kopf des Hundes, aber ihr Blick ist auf die Haustür gerichtet, als überlege sie, wie hoch ihre Chancen stehen, das Haus verlassen zu können, bevor ich sie zurückhalten kann. Ich könnte ihr jetzt erklären, wie schlecht ihre Chancen stehen würden, dort draußen einem anderen Menschen zu begegnen. Der Fußmarsch in die nächste Stadt würde die ganze Nacht dauern. Immer entlang einer stockfinsteren Straße, stundenlang durch absolute Dunkelheit. Aber ich schweige. Stattdessen tue ich so, als hätte ich ihren Blick nicht bemerkt.
»Ich schau mal, ob ich Sam in der Küche helfen kann«, schlägt Raven vor. »Ich muss mir nicht länger anhören, wie ihr über mich redet, als wäre ich irgendein Gegenstand.«
Ich ziehe grinsend eine Augenbraue hoch, denn ich bezweifle, dass sie Sam wirklich in der Küche helfen will, immerhin steht er im Durchgang zur Küche und ist gerade nur damit beschäftigt, Will und mir zornige Blicke zuzuwerfen. »Sultan, Tür«, sage ich leise und emotionslos zu dem Schäferhund, der sich sofort zur Tür begibt und sich aufmerksam davorsetzt. Sobald Raven sich ihm nähert, knurrt er düster und so gefährlich, dass sogar ich mich innerlich anspanne.
Raven wirft mir einen verhassten Blick zu.
»Hast du geglaubt, ich würde dich entkommen lassen? Du hast doch gehört, wir brauchen dich.« Ich erhebe mich langsam vom Sofa und fange die Handschellen mit einer Hand auf, die Will mir zuwirft.
Raven geht mit geweiteten Augen rückwärts und hebt beschwichtigend die Hände. »Keine Handschellen«, fleht sie unglücklich und geht immer weiter rückwärts, um mir zu entkommen.
Ich habe es nicht eilig, ihr zu folgen und lasse mir Zeit. Das Haus ist winzig, nur noch ein paar Schritte und sie steht in der Küche. Ich werfe Sultan nur einen flüchtigen Blick zu, mehr braucht es nicht, und er stellt sich hinter Raven und knurrt, um sie davon abzuhalten, weiter vor mir zu fliehen. »Bleib einfach stehen, Süße. Du entkommst diesem hübschen Silber nicht. So oder so wirst du sie heute Nacht tragen müssen, sonst macht keiner von uns ein Auge zu.«
Sie bleibt stehen, als Sultan seine große Nase in ihre Kniekehle drückt und reckt mir ergeben ihre Handgelenke hin. »Nun mach schon, du Arschloch«, fährt sie mich an.
»Ich muss gestehen, es turnt mich an, wenn du so dreckig sprichst«, sage ich humorlos und lasse eine der Schellen um eins ihrer Gelenke zuschnappen. Die andere Schelle lege ich mir selbst um. »Fühlt sich doch gut an. So intim, findest du nicht auch?«, werfe ich ein, ohne eine Antwort von ihr zu wollen.
»Nichts zwischen uns wird jemals intim sein«, sagt sie und zerrt ruckartig an ihrer Seite der Schelle.
Aber ich stolpere nicht einmal. Stattdessen packe ich sie an der Kehle und drücke zu. »Dir wird nichts passieren, also führ dich nicht so auf. Wir verbringen ein paar schöne Tage, reisen etwas durch das Land, führen deinen Vater und die Jäger möglichst weit weg von Sam. Wenn der Zeitpunkt gut ist, schlage ich deinem Vater vor, dein Leben gegen das von Sam und mir einzutauschen. Dann darfst du gehen und tun, was auch immer du tun möchtest. Oder du bleibst bei deinem Vater und ziehst zu ihm auf die Farm. Nicht mehr meine Verantwortung.«
Sie schnaubt, lässt sich aber von mir zurück zum Sofa führen, wo wir wenige Minuten später etwas zu weiche Spaghetti aus der Dose essen, während Sam uns von seinen Erfolgen bei einem Videospiel erzählt, das er gerade auf einem alten Nintendo zockt, der noch mit Batterien läuft, und von dem ich keine Ahnung habe, weil ich nie Zeit hatte, solche Spiele zu spielen. Ich war mein halbes Leben lang damit beschäftigt, Abtrünnige zu jagen und Moonshine zu verteilen.

An meinen Rücken schmiegt sich ein warmer Körper, als ich am Morgen vom Zwitschern der Vögel geweckt werde. Auf meiner Taille lastet das Gewicht eines schweren Arms und auf meinem Bauch liegt eine Hand, die mich hält und gegen einen nackten Oberkörper drückt. Aber das ist noch nicht das Schlimmste. Das Schlimmste ist die Erektion, die sich zwischen meine Pobacken drückt und das leise Lachen, das der Mann hinter mir ausstößt, als ich erschrocken hochfahre, sobald mein Körper seine Bestandsaufnahme vollendet hat und mein Verstand zu arbeiten beginnt.
Leider komme ich nicht weit, denn noch immer bin ich mit Handschellen an Ice gefesselt, die mich zum Straucheln bringen, sobald er stur daran zerrt und mich zurück auf das Bett zieht. »Wie oft willst du es noch versuchen? Du und ich sind so lange eine Einheit, bis ich habe, was ich will.«
Ich setze mich auf den Rand des Bettes, ohne ihn anzusehen, weil ich nicht will, dass er die Tränen in meinen Augen bemerkt. Ich bin zu stur, um ihm meine Schwäche zu zeigen. Ich will nicht, dass er sieht, wie verloren ich mich fühle, deswegen schniefe ich nicht einmal, um mir Luft zu machen. »Ich hasse dich«, sage ich trocken und straffe die Schultern.
»Bist du dir sicher, denn ich glaube dir nicht«, murmelt er.
Seine warmen Finger legen sich auf meinen Oberschenkel und streicheln über meine Haut. Ich versteife mich, als er unter den Saum des Shirts fährt und seine Hand sich auf meine Hüfte legt. »Fass mich nicht an«, stoße ich mit zitternder Stimme aus. Mein Kopf verabscheut es, von ihm berührt zu werden, aber mein Körper reagiert mit Hitze darauf. Ein verwirrendes Gefühl, fast wie ein Krieg, den ich mit mir selbst ausfechte. Ich rücke von ihm ab, was ihn ein weiteres Mal lachen lässt.
»Ich bin fasziniert davon, wie du auf meine Berührungen reagierst und zugleich so tust, als wärst du völlig angewidert von mir. Also verzeih mir, wenn ich Spaß daran habe, dich immer wieder zu reizen. Dieser Widerspruch zwischen der deutlichen Erregung in deinem Körper und dem Hass in deinem Gesicht macht mich an.« Um seine Mundwinkel zupft ein zufriedenes Grinsen. »Raven, du bist eine schlechte Schauspielerin. Du willst mich mindestens so sehr wie ich dich will. Gehen wir duschen«, sagt er, als wäre es etwas, das wir jeden Morgen und schon seit sehr langer Zeit zusammen tun. Er schiebt sich neben mir aus dem Bett und geht ohne Rücksicht auf die Tür zum Bad zu, so dass ich gezwungen bin, ihm zu folgen, wenn ich nicht will, dass er mich über den Boden dorthin zerrt.
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