Ben Westphal - Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi

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Bulle bleibt Bulle - Ein Hamburg-Krimi: краткое содержание, описание и аннотация

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Der pensionierte Rauschgiftfahnder Gerd Sehling fliegt widerwillig mit seiner Frau Dörte in einen kulturellen Kurzurlaub nach Barcelona. Zeitgleich erhält Harry Goldutt, sein ehemaliger Chef und Leiter des Hamburger Rauschgiftdezernats, den Hinweis eines Informanten, dass mit einer größeren Lieferung von Kokain aus Spanien nach Hamburg zu rechnen ist.
Als Gerd von dem Hinweis erfährt und zugleich der von der Untersuchungshaft verschonte Drogenhändler Steven Winter mit seiner Familie in der Abflughalle nach Barcelona auftaucht, treibt ihn die Neugier wiedermal in gefährliche Ermittlungen, welche sich mehr und mehr mit dem Hamburger Fall verstricken.

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Ben Westphal

Bulle bleibt Bulle

Ein Hamburg-Krimi

Texte: © Ben Westphal

vertreten durch

Rechtsanwalt Jan Ontjes Güldenzoph

Lübecker Straße 1

22087 Hamburg

Umschlaggestaltung: © Moritz Seifert

Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

“für Holgi”

1

Missmutig blickt Gerd vom Beifahrersitz auf die Spitze des Hamburger Polizeipräsidiums, während seine Frau Dörte zum dritten Mal versucht, ihren Kleinwagen in eine ausreichend große Parklücke zu manövrieren. In den Fenstern des Gebäudes spiegelt sich das Orange der aufgehenden Sonne und taucht dessen dunkle Fassade in einen goldenen Schleier. Gerd versucht sich jegliche Kommentare zu verkneifen, weil er weiß, dass es Dörte nur noch nervöser machen würden. Er versteckt lieber den vom Bart umrandeten Mund und die knollige Nase hinter seiner kräftigen Hand und blickt traurig zum Präsidium. Dorthin, wo er die schönste Zeit seines Lebens verbracht hatte.

Inzwischen ist Gerd seit mehreren Monaten Pensionär. Er erinnert sich noch mit Vergnügen an den ersten Tag in Pension, als ein niederländischer Kurierfahrer mit einem Transporter und zehn Kilogramm Kokain gegen das Ortsschild von Dalldorf vor den Toren Hamburgs fuhr. Mit Hilfe der ehemaligen Kollegen konnte er an diesem Tag einen großen Dealerring in Hamburg sprengen und sogar den niederländischen Lieferanten festnehmen.

In Gedanken daran beginnt Gerd hinter der schützenden Hand zu lächeln, was sich umgehend in den tiefen Lachfalten seiner Augen widerspiegelt.

«Was gibt es da zu lachen?», schreit ihn Dörte fahrig von der Seite an. «Ich bin es nun einmal nicht gewohnt, in kleine Parklücken in der Stadt einzuparken. Bei uns in Dalldorf hab ich immer genug Platz. Wir hätten auch ein Taxi zum Flughafen oder einen Parkplatz am Terminal nehmen können.»

«Weißt du, was wir dafür zahlen müssten, Dörte? Die ganze Reise kostet uns bereits ein Vermögen», erwidert Gerd und muss dabei unwillkürlich an den Grund der Reise denken. Als er gleich wieder nach Verbrechern jagte, statt am nächsten Morgen die Reste seiner Pensionsfeier aufzuräumen und Dörte mit der gesamten Arbeit alleine ließ, bot er ihr nach der Rückkehr am späten Abend als Wiedergutmachung eine kurze Städtetour an. Er hatte eigentlich eine Fahrt ins schöne Lüneburg oder zum Schweriner Schloss im Kopf gehabt, aber Dörte ergriff die Chance beim Schopfe und buchte einen Trip nach Barcelona. Dabei setzte sie ihren Mann, der sich weder für warme Länder, die südländische Kultur, weltberühmte Museen noch die mediterrane Küche begeistern kann, vor vollendete Tatsachen.

Über die Wahl der Destination wurde zwar kurz gestritten, aber weil die Reise weder stornierbar war, noch Gerd die nächsten Wochen Schlechtwetterstimmung im Hause haben wollte, gab er klein bei.

So müssen sie nun hier in Alsterdorf auf seinen ehemaligen Kollegen Tim Dombrowski warten, der sie zum Flughafen fahren will. Dörte setzt bereits zum fünften Versuch an. Dieses Mal klappt es mit dem Einparken.

Beide atmen erleichtert auf, als Dörte endlich den Zündschlüssel aus dem Schloss zieht. Sie lösen die Anschnallgurte und steigen aus ihrem Fahrzeug. Dörte streckt sich einmal kräftig, als wäre sie Stunden unterwegs gewesen. Währenddessen zieht Gerd die Hose hoch und überprüft, ob das karierte Hemd noch darin steckt. Nachdem er die halblangen dunkelgrauen Haare zurückgestrichen hat, setzt er eine gestreifte Schiebermütze auf den Kopf und drückt die schwarze Hornbrille auf dem Nasenrücken nach oben.

«Wo bleibt denn dein Kollege, der uns fahren wollte?», fragt Dörte schnippisch, die am liebsten jeglichen Kontakt ihres Mannes zu den ehemaligen Kollegen unterbinden würde. «Hat er dich vielleicht versetzt?»

«Dumbo vergisst mich nicht. Der ist immer für mich da.» Während Gerd sich leicht schmollend abwendet, schlendert Otto Kuhnert den Gehweg vom Präsidium hinunter direkt auf die beiden zu. «Der hat nur viel zu tun, aber wir kommen schon rechtzeitig zum Flughafen.»

Otto winkt den beiden zu. Gerd wedelt mit beiden Armen in der Luft zurück und beginnt, vor Freude breit lächelnd zu glucksen. Unterdessen wuchtet Dörte die beiden Koffer aus dem Kofferraum und stellt sie scheppernd auf dem Gehweg ab.

«Hallo, ihr Lieben. Dumbo hat leider einen Termin in der Untersuchungshaftanstalt. Ich fahre euch zum Flughafen. Ich habe den Dienstwagen am Ausgang abgestellt. Kommt, ich helfe euch bei dem Gepäck», erklärt Otto und kommt noch einen Schritt näher.

«Das kann Gerd auch alleine tragen», antwortet Dörte angesäuert und geht an Otto vorbei in Richtung Polizeipräsidium.

Gerd hebt kurz die Achseln und ergreift die Koffer, um sie hinter sich herzuziehen, nachdem er sein inzwischen rausgerutschtes Hemd wieder mühsam zwischen Bauch und Gürtel gestopft hat.

«Wie ihr wollt», sagt Otto irritiert, aber auch froh, dass er mit seinem schmerzenden Rücken verschont bleibt. «Wir fahren mit dem grauen Kombi dort vorne. Der ist schön groß und geräumig». Otto drückt auf den Knopf der Zentralverriegelung, so dass die Warnblinklichter des Fahrzeugs kurzzeitig aufleuchten.

Vor Gerd und Otto läuft Dörte mit schnellen kurzen Schritten auf den Wagen zu, dabei wippen ihre kleinen blonden Locken auf und ab. Sie ist extra noch einmal beim Friseur in Geesthacht gewesen, um sich auf die Kulturreise auch optisch perfekt vorzubereiten.

«Ist deiner Frau ‘ne Laus über die Leber gelaufen?» Otto starrt Gerd mit seinen kleinen Augen an, die von dunklen Ringen unterlaufen sind. Otto ist wie Tim Dombrowski, den alle nur Dumbo nennen, ein langjähriger Kollege von Gerd. Er ernährt sich vornehmlich von Kaffee, Keksen und Zigaretten, was sich an tiefen Augenringen, dem kugelförmigen Bauch und der kehligen Stimme zeigt. «Oder ist die immer so gelaunt?» Otto zieht eine silberne Schatulle mit selbstgestopften Zigaretten aus der Hemdtasche und entnimmt eine Zigarette.

«Überleg dir gut, was du jetzt antwortest, Gerhard», ertönt es streng von der Tür des Dienstwagens, an der Dörte bereits angelangt ist. «Ich durfte die letzten Tage den Haushalt schmeißen, einkaufen, die Koffer packen, die ganzen Reiseführer studieren, damit wir unseren Aufenthalt auch gescheit ausnutzen können. Gerd hing nur an seinem Moped und hat alles auseinander- und wieder zusammengeschraubt.» Dörtes Kopf läuft bei der Erinnerung daran rot an, während sich zwischen ihren Augenbrauen eine tiefe Furche bildet. Sie stemmt die Arme in die Hüfte und behält Gerd genau im Auge.

Otto bleibt mit offenem Mund stehen und steckt sich die Zigarette in den Mund.

«Du wirst jetzt ja wohl nicht im Auto rauchen?», entfährt es Dörte vorwurfsvoll.

«Äh, nein. Natürlich nicht», antwortet Otto irritiert und lässt das gezückte Feuerzeug sinken.

«Dann steck das Ding wieder ein. Wir müssen los. Unser Flieger geht bereits in vier Stunden. Außerdem ist Rauchen sowieso ungesund.» Ohne eine Antwort abzuwarten, öffnet Dörte die Tür, setzt sich auf die Rückbank und knallt die Tür hinter sich zu.

«Na, das kann ja was werden», entfährt es Otto. Er öffnet den Kofferraum und wuchtet schnaufend die Koffer hinein.

2

Mit einem gellenden Piepen schließen sich hinter Tim Dombrowski die Türen der silber-orangenen Hamburger U-Bahn. In Fahrtrichtung geht er direkt auf die lange Rolltreppe zu, deren Ende man selbst am Sockel kaum erkennen kann. Die U-Bahn nimmt währenddessen Fahrt auf und zieht einen kühlen Fahrtwind hinter sich her, der Dombrowskis braune Haare aufwehen lässt.

Er stellt sich auf die erste Stufe und blickt hinauf zum Ende der Treppe, das gemächlich auf ihn zukommt.

Er ist nicht in Eile, denn er ist pünktlich zu dem kurzfristig vereinbarten Termin mit der verkehrsunabhängigen Hochbahn losgefahren. Viel lieber würde er jetzt im Dienstwagen sitzen und seinen alten Kollegen Gerd Sehling zum Hamburger Flughafen bringen. Obwohl sie sich immer gut verstanden haben, sehen sie sich in letzter Zeit immer seltener. Gerd hält offenbar absichtlich Distanz zum alten Leben oder wird vielleicht von Dörte ferngehalten. Und die Arbeit hält ihn selbst auch stets in Atem. Kaum ein Arbeitstag an dem mal ein wenig Luft zum Verschnaufen bleibt. Der Tag müsste einfach mehr Stunden zur Verfügung haben oder die Woche ein paar mehr freie Tage.

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