»Ja, absolut“, bestimmte Kullmann
Der Summer ertönte. Hübner stieß die Tür auf und sie traten ein. Der Fahrstuhl war zu ihrem Pech defekt, so dass sie gezwungen waren, die Treppe hinaufzusteigen. Im dritten Stock wurden sie bereits von einem Mann mittleren Alters und strengen Gesichtszügen erwartet.
»Was führt denn die Polizei zu mir?«, fragte er, ohne sich vorzustellen.
»Guten Morgen, erst einmal“, keuchte Kullmann. »Dürfen wir nach diesen Anstrengungen wenigstens hereinkommen?«
»Sicher, entschuldigen Sie, treten Sie doch ein. Mein Name ist Adrian Schulz«, änderte er sogleich seinen Ton und ließ die beiden eintreten. Sie gelangten in einen großen modern ausgestatteten Büroraum überfüllt mit Personalcomputern, Fax-Geräten und Kopierern. Einige Ecken wurden durch Plexiglasscheiben von dem übrigen Büro getrennt. Der Boden war mit braunem Teppich ausgelegt, was dem Raum eine besondere Wärme verlieh. Das Mobiliar bestand aus alter, gut erhaltener Eiche, auch die Bürostühle verrieten einen besonderen Komfort.
Herr Schulz führte sie durch das Büro hindurch in ein weiteres Zimmer, das eine noch feudalere Ausstattung aufwies. Eine Ledercouchgarnitur protzte dort im Raum, umgeben von zimmerhohen Pflanzen, die sich teilweise sogar schon über die Decke ausbreiteten. Ein großer Schreibtisch aus Mahagoni, auf dem sich etliche Akten und sonstige Ordner türmten, stand am Fenster. Eine Seitenwand schmückte eine zimmerhohe Regalwand aus Mahagoni, auf der sich die Aktenordner stapelten. Leise Musik klang aus irgendeiner Ecke, die den ganzen Raum damit erfüllte. Es klang nach Chopin. Schulz bot ihnen den Platz auf der Couch an und setzte sich selbst an den Schreibtisch.
»Kaffee kann ich Ihnen leider keinen anbieten, da meine
Sekretärin heute nicht da ist. Wenn ich ihn selbst koche, kann ich ihn auch nicht anbieten«, meinte er verlegen, um endlich ein Gespräch einzuleiten.
»Das macht nichts«, erwiderte Kullmann, während er sich niederließ. Diese tiefen Sessel konnten noch so bequem sein, er mochte sie nicht. Das war für diesen Tag bereits der zweite, in dem er Platz nehmen musste. Es war immer wieder das gleiche Problem, aus diesen Sesseln herauszukommen, ohne das Bild eines alten Mannes dabei abzugeben. »Wir sind wegen den Mitarbeitern Klos und Wehnert hier.«
»Haben die beiden was verbrochen?«
»Warum fragen Sie das?«, erwiderte Hübner sogleich mit einer Gegenfrage.
»Warum sollte sonst die Polizei hier sein?«, erklärte Schulz seine spontane Frage.
»Die beiden sind heute Morgen erschossen im Wald aufgefunden worden“, antwortete Hübner ohne Umschweife.
Adrian Schulz reagierte nicht.
»Haben Sie verstanden, was ich gesagt habe?«
»Sicherlich.« Er schüttelte sich. »Sind sie tot?«
»Ja beide.«
»Wie ist so was möglich?«, fragte er verwundert.
»Um das herauszufinden, sind wir hier“, konterte Hübner ungehalten.
»Ach, Sie wissen noch nicht, wer das getan hat?«
»Nein.«
»Vermuten Sie etwa, jemand aus der Firma?« Es war an Schulz schwer zu erkennen, ob seine Sorge der Firma oder den Mitarbeitern Klos und Wehnert galt.
»Wir dürfen das nicht ausschließen. Aber die Ermittlungen haben erst angefangen, so dass wir noch gar nichts sagen können.
Zuerst müssen wir uns ja ein Bild über die beiden machen, bevor wir anfangen können, nach Verdächtigen zu suchen«, erklärte Kullmann sachlich. Schulz nickte nur verständnisvoll mit dem Kopf.
»Ich kann Ihnen die Personalakte geben. Aber das sagt wohl wenig darüber aus, wie sie waren«, stellte er nur fest.
»Sicher, aber die Akte kann nützlich sein. Was ist denn Ihr Eindruck, wie die beiden waren? Besteht die Möglichkeit, dass der Betriebsausflug im Zusammenhang mit der Tat steht?«
»Der Betriebsausflug? Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Die Stimmung gestern war über den ganzen Tag gut und ausgelassen. Da gab es nicht den geringsten Zwist«, erklärte Schulz entschieden und zündete sich eine Zigarette an. Er wirkte nervös. »Warum fragen Sie mich nach diesen Dingen. Können Ihnen die Familien da nicht besser weiterhelfen?«
»Sie können sich sicherlich denken, dass die beiden Frauen zurzeit nicht belastbar sind. Und schon gar nicht mit solchen Fragen«, meinte Kullmann nur und zündete sich ebenfalls eine Zigarette an. Er hatte sich vor einiger Zeit angewöhnt, immer dann zu rauchen, wenn seine Arbeit ihn belastete. Plötzlich hatte er das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette, was Hübner argwöhnisch beäugte.
»Erzählen Sie uns was über die beiden«, forderte Kullmann nun nochmal auf.
»Ich kann nicht viel sagen. Die Mitarbeiter kennen sich wohl besser miteinander. Ich weiß nur, dass beide für den Außendienst zugeteilt waren.«
»Wie lange sind die beiden schon bei Ihnen beschäftigt?«
»Jürgen Wehnert ist bestimmt schon 20 Jahre hier. Mein Vater hatte ihn schon eingestellt. Herbert Klos kam etwa vor 6 –7 Jahren auf Drängen von Herrn Wehnert. Daran kann ich mich noch gut erinnern, weil ich damals eigentlich noch keinen zweiten Außendienstmitarbeiter brauchte. Zu der Zeit lief das Geschäft nicht besonders. Aber Wehnert ließ nicht locker, er meinte, Klos besäße das Talent, das Geschäft wieder zu verbessern. Also gab ich nach und stellte ihn ein«, erzählte Schulz.
»Und hat es sich denn bestätigt?«
»Nicht unbedingt. Das Geschäft lief wieder besser, was aber nicht der Verdienst von Klos war. Was Wehnert mir über diesen Mann erzählte, stimmte nicht unbedingt. Man soll die Toten ja ruhen lassen, aber wenn Sie mich danach fragen, kann ich nur sagen, dass Klos keine besonderen Leistungen brachte. Was er am besten konnte, war, andere von der Arbeit abzuhalten. Er glaubte zeitweise, er würde hier als Alleinunterhalter beschäftigt.«
Die Worte verrieten, dass Schulz seinem Mitarbeiter Klos keine besondere Sympathie entgegenbrachte und dies auch nicht verheimlichte.
»Wie standen die Kollegen und Kolleginnen zu den beiden?«
»Sehr gut. Klos war in allen Dingen der Redeführer und Wehnert tat es ihm nach. Auf diese Weise waren beide beliebt unter den Kollegen, sie konnten die Stimmung immer aufheitern.«
»Was macht Ihre Firma denn genau?«, funkte Hübner dazwischen.
»Wir organisieren den Verkauf und die Vermietung von Spielautomaten.«
»Ja, das wissen wir. Wo bekommen Sie die Geräte denn her. Wie ich sehe, gibt es hier keine Werkstatt, die diese Automaten produziert.«
»Wir beziehen die Automaten von den beiden saarländischen Firmen Deskoswi und Royal und verkaufen bzw. verleihen sie an Gasthäuser, Kaufhäuser und vor allen Dingen Spielcasinos und Spielotheken im ganzen Saarland. Einige ausgefallene Automaten beziehen wir auch von Firmen von außerhalb, aber nur wenige«, erklärte Schulz.
»Und was heißt bei Ihnen Außendienst, das was Klos und Wehnert bei Ihnen machten?«
»Werbung vor Ort zum Beispiel. Einige Automaten werden neu vorgeschlagen bzw. andere Automaten müssen zurückgezogen werden und in einigen Fällen ist es notwendig, dass jemand hinausfährt und an Ort und Stelle alles abklärt. Das war ihre Aufgabe.«
»Waren die beiden immer zusammen unterwegs?«
»Ja immer.«
»Immer?«, Hübner war erstaunt.
»Ja, was ist daran so ungewöhnlich? Mir war es lieber so wegen der Sicherheit«, konterte Schulz.
»Arbeitet bei Ihnen sonst niemand mehr im Außendienst?«
»Nein, bisher hatte ich ja keinen Grund, noch jemand einzustellen. Die beiden machten ihre Arbeit ja gut, wobei ich feststellen musste, dass wohl Wehnert die produktive Arbeit geleistet hat und Klos sich damit stets ganz gut profilierte. Allerdings hat unter den Kollegen das niemand bemerkt. Sie ließen sich von Klos blenden und mir war es auch gleichgültig, wie es sich verhielt, solange die Arbeit nicht darunter litt.«
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