Noch während meine Gedanken weiter und weiter kreisten, wie ich aus diesem verdammten Büro rauskommen konnte, hörte ich hinter mir ein Geräusch. Das klang fast wie eine Türschnalle, die nach unten gedrückt wurde. Das war meine Chance. Ich konnte einfach hinauslaufen und diesem Psychopaten entkommen.
Jetzt durfte ich nur nichts übereilen. Die Tür musste offen sein, damit ich schnell genug hinauslaufen konnte. Seine Umarmung war fest, aber nicht so fest um mich an der Flucht zu hindern. Überhaupt wenn er nicht damit rechnete. Er glaubte er hat mich. Ich werde ihm beweisen, dass man mich nicht bekommen kann. Niemals würde ich mich einem Mann unterwerfen.
Ich nahm meine ganze Kraft zusammen und warf mich zurück. Wie ich es mir gedacht hatte, er rechnete nicht damit und ich war außerhalb seiner Reichweite. Ich drehte mich gerade um und rannte los. Mein Blick fiel aber noch mal auf sein Gesicht. Warum wirkte er nicht überrascht?
Der Blick nach vorne wäre wichtiger gewesen, als sein hübsches Gesicht näher zu studieren. Die Tür war nur noch einen Spalt offen und ich musste sie einfach erwischen. Leider dachte ich in diesem Moment nicht, dass sich eine Tür meistens dann öffnet, wenn jemand einen Raum betreten oder verlassen will. Nachdem niemand hinaus konnte, musste jemand den Raum betreten haben. Leider habe ich genau diesen jemand nicht gesehen.
Ich war so richtig am Arsch.
Kurz bevor ich die Türschnalle erreicht hat, griff mich eine Hand. Und zwar fest. Sie zog mich zurück in den Raum und schleuderte mich in den hinteren Bereich des Büros. Ich hatte Mühe nicht zu stolpern, aber dann knallte ich gegen den Kasten und war kurze Zeit benommen. Nach ein paar Sekunden war ich wieder einigermaßen bei mir und sah mich in diesem verfluchten Büro um. Wer war diese Person und wie war sie verdammt noch mal herein gekommen, wenn diese scheiß Tür zugesperrt war?
„Ich sehe sie hält dich auf Touren, Markus“, dunkel erklang eine fremde Männerstimme.
Markus fügte lachend hinzu:
„Sie hält was du versprochen hast. Leider bin ich mit ihr noch nicht weit gekommen.“
Die Person kam auf mich zu und ging einmal um mich herum. Immer noch benommen sah ich nicht wirklich wer diese Person war oder wie sie aussah oder wer verdammt noch mal sie war. Jetzt konnte ich meine Flucht verdammt noch mal vergessen. Ich saß hier fest. Wahrscheinlich nicht nur mit einem Psychopaten, sondern mit zwei von der Sorte. Kann man die Fenster des Büros öffnen und hinaus springen? Wie stehen die Chancen aus dem 9 Stock zu überleben?
„Hinknien!“, die Stimme des Mannes hallte durch das Büro.
Meine Kraft war weg. Also völlig weg. Ich hatte nicht die Kraft mich zu widersetzen, aber mir fehlte auch die Kraft zu gehorchen. Ich resignierte. Ich stand da und tat nichts. Ich blickte auf den Boden und wartete.
Der Mann kam auf mich zu, griff sich mein Gesicht und zwang mich ihn anzusehen. Jetzt erst erkannte ich ihn. Es war Johanns Sohn. Er hatte definitiv das gute Aussehen seines Vaters geerbt. Seine Augen hatten eine eigenartige gold-braune Farbe, genau die gleiche Farbe wie seine Haare. Markus war vielleicht nur 1,2 Zentimeter größer als er, aber die Kraft dieses Mannes hatte ich ja schon am eigenen Leib gespürt.
Ich war verloren. Was würden die beiden mit mir anstellen? Mich misshandeln? Mich vergewaltigen? Am liebsten würde ich zu weinen beginnen und ich schwor, ich war knapp davor.
Johanns Sohn zog mein Gesicht näher zu ihm. Leider kannte ich seinen Namen nicht.
„Ich sage es nicht noch einmal“, seine eiskalte Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Widerstand brachte hier nichts mehr. Ich schlug meine Augen nieder. Das war für ihn wohl das Signal mein Gesicht loszulassen und einen Schritt zurück zu treten. Langsam ließ ich mich auf meine Knie nieder. Ich verharrte in dieser Position und sah wieder zu Boden. Noch nie in meinem Leben war ich so beschämt worden, noch nie so gedemütigt. Noch nie war ich so verloren oder hatte solche Angst. Was hatte ich verbrochen?
Markus Stimme erklang:
„Jetzt haben wir sie soweit. Oder was meinst du?“
„Du hast mich ja noch gar nicht vorgestellt, Markus.“
„Was bin ich denn für ein unhöflicher Mensch. Ava, das ist dein Chef. Dominik. Du weißt ja, wir sind hier in der Firma alle per Du. Er ist der Leiter dieser Abteilung und wird in ein paar Jahren die ganze Agentur übernehmen.“
Wollten die mich verarschen? War das hier so ein Initiationsritus für alle neuen? Waren meine Ängste von gerade eben völlig unbegründet? Ungläubig hob ich den Kopf und blickte sowohl Markus, als auch Dominik an.
„Wollt ihr mich eigentlich komplett verarschen?“, ich schrie die beiden an und stand gleichzeitig auf, „Was seid ihr für kranke Arschlöcher? Ihr jagt mir hier den Schreck meines Lebens ein.“
Mein Blick ruhte auf Dominik.
„Du schleuderst mich gegen einen Kasten, sodass ich mich fast verletzt hätte. Was ist mit euch?“
Die beiden starrten mich an, wechselten dann kurz einen Blick und sahen wieder mich an. Ihre Gesichter waren nicht zu entziffern. Sie wirkten nicht so, als wäre das alles hier ein Scherz, aber ernst gemeint KANN das hier alles nicht sein. Markus reagierte als erster. Er ging zu mir und trat hinter mich. Er schnappte sich meine Arme, wie er heute schon einmal getan hatte, drehte sie mir auf den Rücken und zwang mich auf die Knie zu gehen.
Diesmal versuchte ich mich zu wehren. Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen ihn, aber er verstärkte seinen Griff und bereitete mir damit immense Schmerzen. Zum dritten Mal an diesem Vormittag fiel ich vor jemanden auf die Knie.
Dominik hatte sich einen halben Meter vor mir positioniert. Er sprach über mich hinweg mit Markus.
„Bist du dir sicher, dass du sie im Griff hast?“
Markus lachte wieder nur:
„Sie wäre die erste, die ich nicht in den Griff bekommen hätte.“
Jetzt lachte auch Dominik:
„Da hast du allerdings Recht mein Freund. Hast du ihr schon die Regeln erklärt?“
„Wann hätte ich sollen? Glaubst du, sie würde einmal ihren Mund halten oder das machen, was man ihr sagt?“
„Na dann, ich will nicht weiter bei deiner Arbeit stören. Wenn du eine Pause brauchst, schick sie zu mir.“
„Ich befürchte auf den Weg in dein Büro würde sie entweder versuchen abzuhauen oder mich umzubringen. Ich behalte sie vorerst hier drin.“
Die beiden Vollidioten reden einfach über mich hinweg, als wäre ich nicht anwesend. Dominiks Schuhe verschwanden aus meinem Blick und ich sah ihm nach wie er aus der Tür hinausging.
Ich starrte diese scheiß Türe noch lange an. Warum verdammt noch mal ging sie bei mir nicht auf? Warum kann Dominik raus und rein wie er will?
Markus ging um mich herum, bis er vor mir stand.
„Sieh mich an!“
Ich hob meinen Kopf an und blickte in Markus Augen. Ich sah eine gewisse Strenge darin, die ich heute schon ein paar Mal gesehen hatte. Aber auch Genugtuung. Dieses Blau faszinierte mich weiterhin.
„Nach diesem Theater kann ich dir jetzt endlich erklären, was ich schon die ganze Zeit versuche. Die Regeln, die du befolgen wirst – ich werde sie dir jetzt erklären und du WIRST dich daran halten.“
Das Beste war jetzt, glaubte ich, einfach mal still zu sein und mir diese dämlichen Regeln anzuhören. Ich kann mir meinen Teil dazu ja denken.
Markus startete sofort:
„Regel 1: Du gehorchst, immer und jeder Zeit. Ohne zu hinterfragen oder zu diskutieren.“
Diese Regel werde ich jeden Tag mindestens dreimal brechen. Was glaubt der, wer er war?
„Regel 2: Du respektierst mich und alle anderen Männer in dieser Firma immer. Keine frechen Antworten, kein Zurückreden. Du bist immer und zu allen höflich.“
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