Adrian Plass
Warum ich Jesus folge
Das Glaubensbekenntnis des frommen Chaoten
Aus dem Englischen
von Christian Rendel
Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
Plass, Adrian:
Warum ich Jesus folge: das Glaubensbekenntnis des frommen Chaoten/Adrian Plass. Aus dem Engl. von Christian Rendel.
– 2. Aufl. – Moers: Brendow, 2000
(Edition C: M; 261)
ISBN 978-3-87067-829-1
2. Auflage 2000
ISBN 978-3-86506-727-2
Edition C, M 261
© 2000 by Brendow Verlag, D-47443 Moers
Originaltitel: WHY I FOLLOW JESUS
© 2000 by Adrian Plass
First published in Great Britain in 2000 by HarperCollinsReligious
Einbandgestaltung: Kortüm + Georg, Agentur für Kommunikation, Münster
Titelgrafik: Thomas Georg
Satz: Convertex, Aachen
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2014
Zu meinem Job gehört es, dass ich viele Menschen treffe und ihnen zuhöre. Manchmal bin ich überwältigt davon, wie viele Leute es gibt, die unablässig mit tiefen Verletzungen und chronischen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Als einmal diese dunkle Wolke des Schmerzes weniger Licht als je zuvor durchzulassen schien, schrieb ich das folgende Gedicht. Stammte es aus einer anderen Zeit und Weltgegend und wäre es besser geschrieben, so hätte man es vielleicht einen Psalm nennen können.
Winteranbruch wie ein fahler Mond am Himmel,
schert sich keinen Deut um das Geschick der Menschen,
sieh, wie die Krähen, schwarzen Müllsackfetzen gleich
hernieder schweben, um zu rauben, was sie finden,
und es gibt nichts zu sprechen.
Im Schlaf des Winters, da hörst du die traurigsten Schreie,
die kreisenden, kreischenden Möwenseelen
von Frau’n und Männern, die man vorzutreten lehrte
bis an den Rand,
doch als sie stürzten, merkten sie,
dass sie nicht fliegen konnten.
Es treibt dich in den Wahnsinn, sag ich dir,
treibt dich hinaus zu langen Märschen am herzlosen Meer,
du weinst und wütest und beschwörst den Einzigen, der
es wahrhaftig weiß:
Nun sag mir, sag mir, sag mir, sag warum
so viele Herzen brechen.
Dieses Buch ist jener besonderen Gruppe von Menschen gewidmet, die Gott, der Vater, so leidenschaftlich liebt – denen, die ein gebrochenes Herz haben.
Warum folge ich Jesus?
Es mag töricht sein, diese Frage zu stellen, denn ich habe vor, sie auf diesen Seiten wahrheitsgemäß zu beantworten, und wenngleich es zweifellos stimmt, dass die Wahrheit uns frei machen kann, kann sie uns auch in ziemliche Schwierigkeiten bringen. Wohlgemerkt, wenn ich wollte, könnte ich diesen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen, indem ich eine Antwort gebe, die völlig zufriedenstellend wäre für Leute, die jene Risse, durch die das Leben für viele von uns gewöhnlichen Gläubigen zu einem verschlungenen Irrgarten wird, lieber zubetonieren möchten. Hier ist sie: Christus ist für uns gestorben und auferstanden, und dieser Akt der Erlösung rettet uns vor der ewigen Trennung von Gott, wenn wir unsere Sünden aufrichtig bereuen, uns taufen lassen und an ihn glauben.
So, das wär’s. Ende des Buches. Das ist rein technisch gesehen die Wahrheit des Evangeliums, eine Wahrheit, die ich vor mehr als dreißig Jahren akzeptiert und befolgt habe, und ich glaube daran – meistens. Was für eine bessere Motivation könnte es geben? Natürlich keine, und doch verkörpert diese kahle Aussage allein noch nicht das Herz meiner Motivation, Jesus zu folgen.
Sollte man nicht meinen, dass ich nach all diesen Jahren die Quellen meines Glaubens erfolgreich identifiziert haben könnte? Schließlich ist es eine ziemlich lange Zeit. Ich habe mir mühsam mit dem Taschenrechner ausgerechnet, dass ich wahrscheinlich an ungefähr 1.620 Gottesdiensten zuzüglich einer ebenso großen Zahl Treffen während der Woche teilgenommen habe. Das bedeutet, dass ich bei 3.250 verschiedenen Gelegenheiten mit der Bibel, dem Evangelium und meinen Mitchristen in Berührung gekommen bin – mindestens! Nicht gerechnet die Male, wo ich zufällig im Fernsehen darauf gestoßen bin. Beängstigend, nicht wahr? Da müsste mir doch mittlerweile alles klar sein? Ich fürchte nein. Es dauert sehr lange, zu lernen, dass man nichts weiß – oder zumindest sehr wenig.
Warum folge ich immer noch Jesus? Ich habe in der Wirre meiner Gefühle und Gedanken nachgegraben, um einen ganzen Haufen Antworten für Sie zu Tage zu fördern, und die erste, auf die ich zu sprechen kommen werde, ist, für mich zumindest, eine der wichtigsten.
… ich für immer mit meinen Freunden zusammen sein möchte
Ist ja gut und schön, aber es beantwortet nicht die naheliegendste Frage, nicht wahr? Wer sind meine Freunde? Nun, wenn ich mir diese Frage stelle, denke ich natürlich sofort an meine Frau Bridget und an meine Familie sowie an jene engen Freunde, die mich lieben und die ich liebe. Natürlich möchte ich mit all den Leuten zusammen sein, die in meinem Leben so wichtig sind, aber darüber hinaus gibt es noch allerhand klarzulegen.
Wie wichtig dieser ganze Bereich Jesus ist, können Sie sehen, wenn Sie die letzten Kapitel des Johannesevangeliums lesen. Jesus hört sich fast wie eine Mutter an, die ihrer Familie einzuhämmern versucht, dass irgendjemand die Verantwortung dafür übernehmen muss, den Kanarienvogel zu füttern, während sie weg ist, sonst wird er eingehen, denn normalerweise ist sie es, die sich regelmäßig darum kümmert. Immer wieder und wieder beschwört er die Jünger, einander zu lieben. Wir sind seine Freunde, wenn wir seine Gebote befolgen, und sein Gebot ist, dass wir einander lieben. Und diese Liebe sollen wir, wie er sagt, nicht nur denen entgegen bringen, die uns nahe stehen und zu unserem kleinen Winkel des Reiches Gottes gehören, sondern zu allen Christen in aller Welt.
Sein Beispiel steht uns vor Augen – der allmächtige Gott, der bereitwillig Jesus sandte, damit er sich um unsere offenen Schnürsenkel kümmert. Zufällig verstehen Bridget und ich einiges von offenen Schnürsenkeln. Die Gemeinde Jesu erinnert uns oft an die Wanderungen, die wir mit Heimkindern unternahmen, als wir noch als Sozialarbeiter in einem Heim lebten.
Vorneweg ging bei diesen denkwürdigen Wanderungen unser Kollege Mike, ein Sportler mit mächtigen Schenkeln, ohne jede Phantasie und mit richtiger Wanderausrüstung, begleitet von seinem eifrigen Fanclub von Kindern, die alle aussahen wie ein Werbespot für ein gesundes Frühstücksmüsli.
Dann, im Mittelfeld, kam ich mit den intelligenten, aber problembeladenen, leistungsverweigernden Brillenträgern unter meinen Fittichen. Wir spekulierten stets spöttisch über die poetische, philosophische und künstlerische Bedeutung des Wanderns.
Und ganz hinten sah man Bridget, die den Dicken und Langsamen zur Seite stand, und denen, deren Schuhe niemals zu blieben, denen die Füße weh taten und die nicht daran glaubten, es je schaffen zu können, und denen, die nur mitgekommen waren, weil sie sich vor etwas anderem drücken wollten, und sich nun wünschten, sie hätten lieber das andere auf sich genommen, was immer es war, was sie hatten umgehen wollen.
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