1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Ich werde den ganzen Weihnachtsabend an Dich denken und weiß, dass Du das Gleiche tust. Ich habe Dich ja so lieb und bin unendlich glücklich und dankbar, dass ich Dich habe. Und ich gehöre Dir ganz. Sei recht von Herzen in Liebe gegrüßt von Deiner Diethild
Die „Löwin“ Rosana Böttcher hat das Inserat im Forum für Senioren eingesetzt, um vielleicht einen Mann zu finden, mit dem sie ab und zu etwas unternehmen kann, denn ihre Berufstätigkeit geht bald zu Ende. Als sie bald Fyps‘ Antwort findet, ist sie von seinem knappen Ton angetan, besonders von dem unkonventionellen Schluss „Ich bin gespannt“. Doch von seiner Webseite fühlt sie sich zunächst erschlagen, soviel Selbstdarstellung war in der DDR nicht üblich. „Angeber!“ denkt sie, bis sie in der Leseprobe aus seinem Buch „Leben mit Kerstin“ gerührt ist von der liebevolle Darstellung ihres langen Leidens und Sterbens. Dieser Mann hat wohl doch eine ganze Menge Herz und ist fähig zu lieben. Er könnte zu ihr passen, wenn er auch im Westen ganz anders lebt. Deshalb muss sie ihm von vornherein sagen, dass sie sich mit diesem Stil nicht vergleichen kann. Also schreibt sie ihm noch in der Nacht eine Mail an seine normale Adresse:
20. 9. 2002 Hallo Fyps.
Dank für Ihre Zeilen im Forum. Ich habe Ihre Webseite mit Interesse gelesen. Es hat mich sehr bewegt. Doch ich kann einem so bewegten Leben nichts entgegensetzen. Ich bin seit langem allein und habe meinen Sohn selbst groß gezogen (es musste sein). Ich war immer berufstätig, und bin heute verantwortlich für die Fachbibliothek eines Institutes in Dresden. Auch bei mir gab es Höhen und Tiefen, aber sie sind anders gelagert. Was uns ähnlich ist, ist die Liebe zur Musik. Ich habe vom 10. Lebensjahr an klassische Kirchenmusik (Bach, Schütz, Mozart, Reger usw.), gesungen später war ich 39 Jahre in einem großen Chor aktiv (als Hobby, hauptberuflich hätten mir die Nerven gefehlt). Die Liebe zur Musik wurde mir vom Elternhaus mitgegeben. Ansonsten bin ich ein ganz normaler Mensch mit Widersprüchen. Da ich ehemaliger DDR-Bürger bin, muss ich nicht erklären, warum ich nicht viel von der schönen Welt gesehen habe.
Mein Sohn ist verheiratet, und dazu gehört 1 Enkel (2 Jahre), der mich jung und fit hält. Durch meine Tätigkeit habe ich ja viel mit jungen Leuten zu tun, was mir Spaß macht und mich flexibel hält. Aber selbst, wenn ich im nächsten Jahr das aktive Berufsleben verlasse, werde ich mich nicht langweilen. Erstens kann ich das gar nicht, und zweitens lässt das eine so interessante Stadt wie Dresden auch nicht zu. Nun schließe ich erst einmal und bin gespannt, ob meine Zeilen Sie etwas unterhalten haben.
Ihnen ein schönes Wochenende, Gruß, Löwin
Wolfgang Fabers Herz schlägt höher, als er Samstag früh die Antwort findet. Das ist genau die Frau, die er sucht. Im Internet findet er Anschrift und Telefonnummer und denkt einen Moment daran, sie anzurufen, verwirft aber die Idee sofort wieder, er hat stets seine Frauen mit großer Behutsamkeit gewonnen. Weil er sie gewinnen will, bastelt er lange an einem Text, der sein Interesse an ihr zum Ausdruck bringen soll, ohne aufdringlich zu wirken:
21. 9. 2002 Hallo, liebe Löwin,
herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Unterhalten, wie Sie schreiben, sollten ihre Zeilen mich wohl gar nicht, ich kann eher sagen, sie haben mich angerührt.
Sicher haben meine Frau und ich ein abwechslungsreiches Leben geführt, doch das ist nun leider vorbei, und sie hat, als wir beide genau wussten, dass ihr Ende nahe ist, zu mir gesagt: „Mach dir noch ein schönes Leben“. Ich bin dabei, das zu versuchen. Dass Sie diesem Leben nichts entgegen setzen können, glaube ich nicht. Ich habe verwandtschaftliche Verbindungen in die ehemalige DDR und weiß einiges über das Leben dort, das viel schwieriger war als bei uns. Dafür, dass Sie Ihren Sohn alleine erzogen haben, gebührt Ihnen eine hohe Achtung; im Übrigen muss unser bisheriges Leben doch nicht vergleichbar sein. Wichtig ist, was vor uns liegt.
Ja, wir sind viel gereist und ich will auch weiterhin noch viel von der Welt sehen. Aber ich habe gemerkt, dass das Reisen alleine viel trister ist, als wenn man jemandem immer wieder etwas Schönes zeigen oder Interessantes erzählen kann. Ich muss auch nicht nur Neues sehen. Es gibt viele schöne Stellen, die ich mit jemandem kennen lernen möchte, der sich auch daran begeistert. Ich höre gerne klassische Musik, bin aber nicht sehr musikalisch und kann keine Noten lesen. Als junger Pfadfinderführer habe ich Akkorde auf der Gitarre gezupft zur Begleitung unserer Volks- und Fahrtenlieder. Aber ihrer Erfahrung kann ich nichts entgegen setzen.
Wir waren im Herbst 1990 zum ersten Mal in ihrer schönen Stadt und ich habe sie sofort lieben gelernt. Für mich ist sie neben Nürnberg die schönste Stadt Deutschlands. Auch die Semper-Oper habe ich genossen. Ein paar Worte zu meiner Familie, die international zusammengesetzt ist: Der Älteste lebt in Hamburg, hat eine Frau aus der Karibik geheiratet und zwei Söhne von 8 und 6 Jahren. Die zweite lebt in Seattle, USA, dauerhaft mit einem Amerikaner italienischer Abstammung zusammen, sie haben eine Tochter von drei Jahren. Der Dritte lebt ungebunden und ohne Kinder in Göttingen. Die Vierte ist mit einem Holländer verheiratet, lebt in Gronau an der holländischen Grenze und hat eine Tochter von 7 Jahren. Ich lebe jetzt alleine in dem Einfamilienhaus, das wir vor 35 Jahren für uns und die Kinder gebaut haben, und das mir allmählich zu groß wird. Ich würde mich über eine Antwort freuen, denn so weit ist der Weg zwischen Dresden und Hamburg gar nicht, und Pferde stehle ich immer noch gerne, auch wenn ich schon 71 Jahre alt bin. Sind Sie so gefährlich wie eine „Löwin“? Mein Spitzname stammt von einem Lehrer und war dann mein Pfadfindername.
Ich wünsche Ihnen noch einen schönen (Wahl)-Sonntag und grüße Sie herzlich, Wolfgang
22. 9. 2002 Hallo, lieber Fyps,
ich habe Ihre Zeilen zweimal gelesen. Sie haben so viel von sich geschrieben, da fällt meiner Wenigkeit gar nichts rechtes ein. ... Also, mein Pseudonym ist mein Sternbild. Außerdem liebe ich Löwen, nicht, weil sie gefährlich sind, sondern weil sie so stolz wirken, ohne arrogant zu sein. Das haben sie uns Menschen voraus. Und bei Löwinnen fasziniert mich die unendliche Mutterliebe, irgendwie sind sie mir wesensnah.
Ja Reisen – Um ehrlich zu sein, ich war bisher ein Reisemuffel. Das ist erklärbar. Erstens komme ich ja aus der DDR und zweitens, ich bin da sehr ehrlich, Reisen kostet Geld.
Ich finde Ihre internationale Familie toll. Ich habe jetzt im Dienst oft nette Begebenheiten. Im Institut sind viele Ausländer. Da es mit meinem Englisch hapert, ist die Verständigung mit Händen und Füßen köstlich. Aber alle sind bemüht, Deutsch zu lernen. Ich habe nach der Wende großes Glück gehabt, mit 54 Jahren noch eine unbefristete selbständige Tätigkeit zu bekommen. Ich war vorher als Sekretärin in einem wissenschaftlichen Institut tätig, und diese Institute wurden, Gott sei Dank, zu einem Großteil von einer westdeutschen Forschungseinrichtung übernommen. Und ich bin froh, dass ich bis zu meinem 65. Lebensjahr im Beruf sein kann, das verbessert meine zu erwartenden Rente etwas, aber ich zähle schon die Monate. Nun habe ich etwas von mir berichtet, das kann ich ja bei Gelegenheit fortsetzen.
Ich werde mich auf Ihren Rat hin bemühen, positiv in die Zukunft zu schauen. Ist das was? Ich wünsche Ihnen einen schönen Wochenanfang. Herzliche Grüße, Rosana
23. 9. 2002 Hallo, liebe Rosana,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort. Die Erklärung Ihres Pseudonyms gefällt mir. Auch ich sehe mich einem Tier verwandt, dem Wolf. Als junger Mensch habe ich begeistert Hesses Steppenwolf gelesen und mich immer wieder als solcher gesehen. Meine Frau war bisher der einzige Mensch, der mich zähmen konnte, ich hoffe, es bleibt nicht dabei. Bei dem Wort „zähmen“ kommt mir ein anderer Schriftsteller in den Sinn, Saint-Exupery, der im Kleinen Prinz den Fuchs erläutern lässt, dass zähmen „vertraut machen“ bedeutet, das werden Sie kennen. ... Ich kann mir gut vorstellen, dass der Umgang mit den jungen Ausländern interessant ist und jung erhält. Ich wusste gar nicht, dass Ihr Institut ausländische Gäste beschäftigt, finde es aber ausgezeichnet.
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