Die Dinge mögen heute vielleicht ein wenig anders liegen, da in den vergangenen Jahren ein kaum zu übersehener Hype die Barszene erfasst hat, der nicht zuletzt auch in der zunehmenden und dringend notwendigen Professionalisierung des Berufes mündete. Doch sind immer noch unglaublich viele Schwachköpfe in der Branche unterwegs, die vielleicht gerne können wollten, jedoch nicht genügend wollen, um auch wirklich zu können.
Wer nicht früher oder später vor seinen Gästen wie ein ahnungsloser Volltrottel dastehen will, dem wird nichts anderes übrig bleiben, als sich selbst ein wenig zu bilden. Dies erreicht man am besten über Bücher. Zwar werden auch Kurse und Schulungen zuhauf angeboten, die durchaus dazu geeignet sind, die Basics zu vermitteln und den Einstieg in den Beruf zu erleichtern. Andere zielen hingegen auf die Leitung einer Bar ab oder sollen den Grundstein für den Weg in die Selbständigkeit legen. Doch muss man sich diese alles andere als günstigen Weiterbildungen erst einmal leisten können und wollen, zudem wird das notwendige und in seinem Umfang leicht zu unterschätzende Fachwissen aus Zeitgründen meist nur im Schnelldurchlauf behandelt.
Ich selbst habe unmittelbar nach dem Abschluss meiner Berufsausbildung einen 15tägigen Barkurs unweit von München besucht. Dieser Kurs hat Spaß gemacht und mir den Einstieg in den Barbetrieb ohne Frage vereinfacht, gerade wenn es um das Pauken klassischer Rezepturen ging oder um das praxisnahe Speed-Mixing. Doch wirklich angefangen zu lernen habe ich erst wesentlich später. Wer sich ein solides Fachwissen aneignen will, dem kann ich letztlich nur zu einer Vorgehensweise raten: lesen.
Dank der herausragenden Arbeit einiger Autoren existiert längst eine unglaublich bunte Palette an Literatur, die sich mit Cocktailrezepturen, Spirituosen, Weinen, Bieren usw. ausgiebig und oft reichlich bebildert befasst. Diese Bücher mögen nicht unbedingt günstig sein, aber glauben Sie mir, sie sind die Investition wert.
Wer sich einen ersten Überblick verschaffen will, dem empfehle ich die bereits heute zu den Klassikern zählenden Bücher von Charles Schumann (American Bar) und Franz Brandl (Brandls Barbuch). Daneben gibt es eine ganze Latte an Werken, die sich gezielt mit jeweils nur einer ganz bestimmten Getränkekategorie beschäftigen, von Absinth über Bier, bis hin zu Wein. Von der unüberschaubaren Menge an reinen Rezeptbüchern für Cocktails fange ich gar nicht erst zu sprechen an.
In den Jahren 2009 bis 2013 habe ich den Versuch gewagt, all diese Vielfalt an Getränken und Marken so detailliert wie möglich in nur einem Band zu vereinen. Daraus entstanden ist die „Barfibel“, ein Lexikon der Warenkunde, ohne irgendwelche Rezepturen. Ich halte es für ein gelungenes Fachbuch, allerdings wird mir oftmals angekreidet, das Werk würde viel zu viel Text beinhalten. Bartender mögen zwar ebenfalls von den Beutelratten abstammen, zu den Leseratten zählen sie aber nur selten. Zudem ist die Barfibel als Nachschlagewerk konzipiert, sie soll also nicht in erster Linie von Anfang bis Ende durchgelesen werden, stattdessen lassen sich wichtige Informationen gezielt nachschlagen. Es dürfte wenig überraschen, dass ich Ihnen gerade den Kauf dieses Buches ganz entschieden raten möchte.
Allerdings ist es mit Fachwissen alleine nicht getan. Da man als Tresenmann immer wieder einmal in die Verlegenheit gerät, mit fremden Menschen sprechen zu müssen, kann es nur von Vorteil sein, über ein fundiertes Allgemeinwissen zu verfügen. Je nach Region, in der Sie leben und arbeiten, sollten Sie vielleicht auch über den aktuellen Tabellenstand des 1. FC Hinterdupfing oder den neuesten Klatsch, den man sich über Bauer Huber erzählt, Bescheid wissen.
Die Menschen wollen sich mit dem Bartender über alle möglichen Dinge unterhalten. Natürlich weiß niemand alles, doch je mehr man weiß, desto erquicklicher die Unterhaltung. Also nochmal: lesen Sie!
Damit eine vernünftige Unterhaltung aber überhaupt stattfinden kann, darf natürlich ein ganz wichtiger Punkt nicht vergessen werden: die Sprache.
Verfügen Sie nur über rudimentäre Deutschkenntnisse und kommunizieren mit Ihren Mitmenschen mittels urbaner Ghetto-Zischlaute, mag dies in Wedding und Neukölln kein Problem, im Gegenteil sogar ein Vorteil sein. Sich in den lokalen Slang einzufügen sichert einem die Sympathien der Ureinwohner, wie schon die Pilgerväter nur zu genau wussten. In einem Hotel von internationalem Renommée können Sie damit allerdings nicht wirklich punkten. Hier sind vielmehr eine gepflegte Aussprache und die Kenntnis der einen oder anderen Fremdsprache gefragt. Ein durchschnittlicher Bartender sollte deshalb zumindest des Englischen halbwegs mächtig sein.
Abschließend zu diesem Kapitel bleibt daher noch eine weitere Aufforderung, vor der ich Sie nicht verschonen möchte: denken Sie!
„Wegen mir könnte man die Cocktailkarte abschaffen, weil ich Purtrinker bin.“
Charles Schumann
Das Zubereiten von Getränken und insbesondere das Mixen von Cocktails ist für die wohl meisten Menschen das Sinnbild für die Arbeit in einer Bar – zugleich ist es aber auch der am einfachsten zu erlernende Aufgabenbereich des Berufes.
Wenn ich zur Rush Hour an einem Samstagabend an der Cocktailstation stehe und immer wieder vier Cocktails parallel zubereite, dann werde ich manchmal von fasziniert dreinblickenden Gästen gefragt, wie lange es wohl dauern würde, auf diese Weise Herr über den Cocktail-Shaker zu werden. Ich gebe ihnen immer dieselbe Antwort: höchstens ein paar Wochen. Was ich sodann ernte ist ebenfalls stets dasselbe: ungläubige Blicke, Kopfschütteln oder ein gekünsteltes Lachen, weil die Leute denken, ich würde scherzen.
Es mag schon spektakulär aussehen, wenn da ein Typ in Hemd und Krawatte steht, gleichzeitig mit links und rechts verschiedene Flaschen greift, unterschiedliche Mengen von dem flüssigen Zeug in Gläser voller Eis gießt, und beim Abseihen nicht ein Tropfen zuviel den Cocktail zum Überlaufen bringt. Doch vergessen die Menschen dabei eins: das alles ist nur simple handwerkliche Routine.
So wie der Tischler seinen Hobel schwingt, der Fußballprofi seine Dribblings und Tricks beherrscht, oder der Hütchenspieler mit flinken Händen naiven Touristen am Alexanderplatz das Geld aus der Tasche zieht, so ist auch das Mixen von Getränken, lediglich ein sehr bescheidenes Maß an natürlichem Geschick vorausgesetzt, eine reine Übungssache. Man muss nur einmal die richtigen Handgriffe beherrschen und den idealen Arbeitsablauf verinnerlicht haben, die oft in Erstaunen versetzende Geschwindigkeit kommt dann irgendwann ganz von selbst. Der Arbeitsakt ist also für sich genommen kein Hexenwerk, im Gegenteil sogar einer der banalsten Aspekte des Bartending.
Das damit zusammenhängende und unwahrscheinlich häufig zu beklagende Problem bzw. die Ursache dafür, dass viele Barleute oft auch noch nach Jahren unsauber und ungenau arbeiten, oder schlichtweg zu langsam sind, ist woanders zu suchen. Nämlich ganz zu Beginn ihrer Laufbahn, wenn sie ihre allerersten Tage hinter der Theke verbringen und die Grundlagen des Handwerks beigebracht bekommen – oder eben auch nicht. Denn in den meisten Bars ist es nun einmal leider so, dass Neulinge großenteils sich selbst überlassen werden, sich nur hier und da ein paar Dinge abgucken, und sich den Rest selbst zurechtbasteln. Besonders schlimm trifft es den Neuen, wenn er von einem ausgemachten Stümper „angelernt“ wird, der zwar selbst keine rechte Ahnung hat von dem, was er da tut, sich aber ausgesprochen wichtig nimmt und sich an dem lächerlichen Fünkchen Macht, das ihm hier zwischen Glasflaschen und Holzköpfen zuteilwurde, regelrecht aufgeilt.
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