Shanli schnaufte beleidigt und wirkte wie ein kleines, trotziges Kind. Navid schmunzelte, und die Bäckerstochter registrierte zum ersten Mal die winzigen Grübchen, die auf seinen Wangen erschienen.
»Du brauchst also einen Liebestrank?«, fragte der Dschinn freundlich.
»Nein!«, empört schüttelte Shanli den Kopf.
»Ja, aber … du willst doch, dass dieser … Parviz dich liebt. Oder nicht?« Navid verstand die Welt nicht mehr, bis ihm ein neuer Gedanke kam. »Ach, dir geht es nur um seinen Reichtum? Ja, dann wünsch dir doch Gold.«
»Äh … nein!« Aufgebrachter als zuvor verneinte Shanli erneut seinen Vorschlag und stierte Navid böse an. »Ich brauch kein Gold, auch keine protzigen Ringe, wie andere Personen hier im Raum!« Der eingebildete Fatzke schloss wohl von sich auf andere. Frechheit! Bitterböse blitzten Shanlis Augen. »Mir geht es nicht darum, reich zu sein. Ich will schlank und blond werden. Das ist mein Wunsch.«
Navid zog schlackernd den Kopf zurück. Zum einen, weil Shanli wieder kräftig austeilte und zum anderen, weil er glaubte, sich verhört zu haben. »Was?! Warum denn schlank und blond?«
Genervt schnaubte Shanli und gestikulierte ungeduldig mit ihren Händen. »Parviz sucht nach einer schlanken, hellhaarigen Braut. Also will ich eine dünne Blondine werden. Ist doch logisch.«
Mit einem leicht verwirrten Ausdruck fragte Navid: »Wäre es nicht einfacher, ihm den Liebestrank einzuflößen, damit er sich in dich verliebt?«
»Nein, das will ich nicht. Er soll sich echt in mich verlieben und nicht wegen so eines blöden Tranks.«
Fassungslos schaute Navid auf Shanli hinunter. »Aha. Er ist also echt in dich verliebt, wenn du vollkommen anders aussiehst als in Wirklichkeit? Verstehe ich das richtig?«
Ein Strahlen fegte über Shanlis Gesicht. »Ja, genau so ist es! Denn dann verliebt er sich tatsächlich in mich, weil ich noch immer ich bin. Verstehst du?«
Navid schüttelte irritiert den Kopf und nuschelte leise vor sich hin. »Nein. Diese Logik kann wahrscheinlich nur eine Frau verstehen.«
»Der Schah sagte, wenn ich abnähme, wäre es leicht, sich in mich zu verlieben«, prahlte Shanli stolz.
»Ach was?!«, entfuhr es Navid lakonisch, was ihm prompt ein Fauchen von Shanli einbrachte.
»Wie? Glaubst du mir nicht? Oder stellt dieser Wunsch ein Problem für dich dar, oh großer Dschinn in lila Pumphose? Dann sag es lieber gleich.«
Navids Stirn legte sich in Falten, als er sich verteidigte. »Dich in einen Mann zu verwandeln, war eine große Nummer. Unterschätze das mal nicht, ja! Gewöhnlich zaubere ich Gegenstände herbei, die bereits existieren. Gold, Schmuck, Liebestränke, Essen, solches Zeugs eben. Ich verschiebe sie von einem Ort zum anderen, sozusagen. Weder habe ich bisher Dinge erschaffen noch welche verändert, und schon gar keine Menschen. Wie ich dir vorhin erklärte, habe ich noch nie zuvor eine Frau in einen Mann verwandeln müssen. Es hat mich selbst überrascht, dass es geklappt hat.«
»Ja, aber du hast es geschafft, mit allem Drum und Dran!«, bestätigte Shanli mit einem fröhlichen Nicken. Doch dann hielt sie kurz inne, weil eine unangenehme Erinnerung sie einholte. »Wie ich selbst festgestellt habe.«
»Na gut, wir können es versuchen. Aber ich kann dir nichts versprechen. Also beschwere dich nicht, wenn es schiefläuft.«
Von Navids Mahnung beunruhigt fragte Shanli ängstlich: »Was genau kann da schieflaufen? Dass ich oben dick und unten dünn bin? Oder lediglich blonde Flecken in meinen Augenbrauen bekomme?«
Der Dschinn zuckte mit den Achseln. »Könnte sein!«
Leicht entsetzt schaute Shanli ihn an. »Nichts Schlimmeres, oder? Kein drittes Auge oder so?«
»Nein, wo denkst du hin? Ich bin doch kein blutiger Anfänger! Hier geht es um die Kraft, die der Zauber benötigt, nicht um die Zauberkunst«, entrüstete sich Navid, schob dann jedoch ein nicht ganz überzeugtes »Denke ich!« hinterher.
»Aber ich könnte mich wieder normal wünschen, falls mir zwei Pobacken am Hinterkopf wachsen sollten?«
Navid prustete bevor antwortete. »Den normalen Zustand wieder herzuzaubern, ist kein Problem. Da muss ich ja nichts verändern.
»Gut, wenn das so ist … auf geht’s!«
Voller Tatendrang stellte sich Shanli kerzengerade hin. Sie schöpfte einen tiefen Atemzug und wollte gerade ihre Wünsche aussprechen, als Navid sie unterbrach.
»Halt! Warte! Erst nur einen Wunsch, damit ich mich besser konzentrieren kann.«
Nach einem kurzen, verstörten Nicken ließ Shanli die Luft aus ihren Lungen heraus und stürzte sich ins Abenteuer, indem sie laut verkündete: »Ich wünschte, ich wäre schlank.«
Kapitel 7
Unerwünschte Wünsche
Ein Sternenreigen setzte ein, und Shanli fühlte sich, als würde ihr Körper, von den Zehenspitzen an, in ein zu enges Loch gezogen. Als würde sie in einen schmalen Ring gesaugt und zum anderen Ende wieder ausgespuckt werden. Während das Engegefühl ihren Hals erreichte, befürchtete sie für einen Moment, erwürgt zu werden. Doch das beängstigende Gefühl wanderte zügig weiter, und nachdem es ihre Schädeldecke überwunden hatte, gab es ein dumpfes, ploppendes Geräusch, wie wenn man einen vollen Wasserbeutel entkorkte.
Etwas benommen blinzelte Shanli. Sie fühlte sich ungewohnt leicht, als würde sie im Wasser treiben. Sie schaute an sich herab. Die gute Nachricht war, sie war offenbar noch immer eine Frau, denn sie hatte einen Busen. Zwar nicht mehr so gewaltig wie zuvor, aber immerhin war er da. Was aber nicht hieß, dass wieder etwas zwischen ihren Schenkeln baumelte. Schnell fasste sie sich in den Schritt. Erleichterung machte sich in ihr breit. Puh! Alles in Ordnung.
»Was zum Geier machst du da?«, fragte Navid, der sie bisher stumm beobachtet hatte.
Shanli zuckte mit den Schultern. »Ich schau nach, ob nichts dazugekommen ist.«
Dann hob sie ihre Hände an und konnte nicht fassen, was sie sah. Lange, schlanke Finger und ein dünnes Handgelenk. Und auf jeder Seite gleich! Erfreut lachte sie auf.
»Keine Dattelfinger mehr. Ich kann sogar meine Knöchel auf dem Handrücken sehen. Schau dir das an, ich umfasse mein Handgelenk mit zwei Fingern.« Shanli begann, vor lauter Aufregung zu kreischen. »Oh, das ist ja … das ist ja unglaublich.« Sie hob ihr Kleid an, das nun nicht mehr spannte, sondern viel zu weit war. Neugierig betrachtete sie ihre Beine und streckte ihr rechtes aus. »Ich habe schlanke Fesseln. Und meine Waden erst!«
Begeistert raffte die junge Frau den Rock noch höher und bestaunte ihre neuen, wohlgeformten Gliedmaße, ohne einen Gedanken daran zu verwenden, dass ein Mann neben ihr stand. »Sind das nicht wunderschöne Beine? Sieh dir das an. Die sind doch eine Wucht, oder?«
Glücklich strahlend blickte Shanli zu ihrem Dschinn auf, der mit einem ziemlich seltsamen Gesichtsausdruck ihrem Befehl Folge leistete und ihre nackten Beine anstarrte.
»Das … äh … also …«
Grimmig fuhr Shanli ihn an »Was?! Sind sie etwa nicht schön?«
»Doch, doch! Sie sind … wunderschön«, stammelte Navid und schluckte. »Du bist wunderschön.«
Heiliger Bim-Bam, Shanli war wirklich eine Schönheit. Zuvor hatte sie schon ein hübsches Gesicht gehabt, trotz ihrer feisten Wangen, aber nun … Sie war eine Augenweide. Die hohe gewölbte Stirn kam erst jetzt richtig zur Geltung. Selbst ihre Stupsnase, die vorher bereits niedlich war, war nun entzückend. Aber ihre dunklen Augen und ihr süßer Mund wirkten jetzt noch betörender und raubten ihm schier den Atem, wenn er sie betrachtete.
»Ist das wahr?«, fragte Shanli ungläubig. »Ich bin wirklich schön?«
Navid nickte mit einem Schmunzeln. »Ja.« Er reichte ihr eine kleine glänzende Kupferkanne, die über der Kochstelle hing. »Hier, schau dir dein Spiegelbild an.«
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