„Und?“
„Montag fangen wir an. Aber wenn der Fall gelöst ist, bin ich wieder weg. Und die Zeit häng ich hinten ran. Haben wir uns verstanden?“
Richard knuffte Frank am Oberarm.
„Du weißt nicht, was mir das bedeutet. Manfred und Walter werden sich bestimmt auch ein Loch in den Bauch freuen.“
„Wir wissen ja noch gar nicht mit Bestimmtheit, ob es Mord war. Wenn nicht, bin ich schneller wieder hier unten als ihr bis drei zählen könnt. Und du weißt, mit meiner Karre geht das.“
„Glaub mir. Spätestens am Montag weiß der Kollege aus der Rechtsmedizin, dass es Mord war.“
„Was machen eigentlich die Mädels?“
„Die haben ihr Auto hier geparkt. Ich denke, sie werden jetzt nach Hause fahren. Und ich wird es mir bei dir bequem machen.“ Er lachte.
Sabine gab Frank zum Abschied ihre Telefonnummer. Sie verabschiedeten sich, setzten sich beide in ihren VW Golf, und bedankten sich für den netten Abend.
„Die Sabine hat ein Auge auf dich geworfen“, konstatierte Richard fest, als die beiden winkend von Franks Hofeinfahrt in Richtung Konstanz davonfuhren.
„Ja, war ganz nett“, stellte er lässig fest. „Jetzt will ich aber erst mal ins Bett. Du solltest das ebenfalls tun.“
„Ich höre mich nicht Nein sagen.“
„Im Gästezimmer ist, glaube ich, alles da. Wo das Bad und die Küche sind, weißt du ja. Ich zieh mich jetzt zurück. Gute Nacht.“
„Ebenfalls gute Nacht. Und Danke, dass du mir helfen willst.“
„Wenn es was zum Helfen gibt“, sagte Frank, als er in sein Zimmer ging.
„Übrigens, ich hole morgen früh Brötchen. Willst du auch welche, oder isst du morgens immer noch nichts?“
„Ausnahmsweise kannst du für mich auch welche holen.“
Frank ging in sein Schlafzimmer, das im hinteren Teil des Hauses lag. Müde war er eigentlich schon, doch dann entschied er sich anders und holte sich in der Küche ein alkoholfreies Weizenbier, von dem er immer einen gewissen Vorrat im Kühlschrank hatte. Seiner Meinung nach war es das Beste, was es nach am Abend einer langen Radtour geben konnte.
Er verwarf seinen ursprünglichen Plan gleich, ins Bett zu gehen wieder, setzte sich auf seine Terrasse, schob den Stuhl unter seine Füße und blickte auf den See.
Es war eine milde Frühlingsnacht und, so schien es, der Sommer stand vor der Tür. Hatte er sich richtig entschieden? Beide waren Bauchmenschen, die auf jahrelange Polizeiarbeit zurückblicken konnten. Er fast zwanzig und Richard mittlerweile über dreißig Jahre. Frank ließ sich alles, was dieser ihm erzählt hatte, nochmals durch den Kopf gehen, doch auch jetzt kam zu demselben Schluss: Es musste Mord gewesen sein.
Das Bier ging langsam zur Neige, die nötige Bettschwere hatte nun eingesetzt, also ging er noch kurz duschen und schlief dann friedlich ein.
Am nächsten Morgen wachte Frank bereits gegen sieben Uhr morgens auf. Er setzte sich auf die Bettkante, schlurfte kurz danach direkt ins Bad. Er zog sich an und bereitete, während Richard noch den Schlaf der Gerechten schlief, auf der Terrasse alles für das Frühstück vor. Frank gehörte zu den Menschen, die morgens nicht sehr gesprächig waren. Früher im Büro konnte er außer guten Morgen keinen vollständigen Satz vor dem ersten Kaffee bilden.
Als er fertig war, grübelte er ob er denn nun mit Rad oder zu Fuß die Brötchen vom Bäcker holen sollte. Aus dem Gästezimmer war ein zufriedenes Grunzen zu hören, was bedeutete, das Richard noch schlief. Auch recht dachte er und entschied sich für die Laufvariante. Zu seinem Lieblingsbäcker waren es hin und zurück knapp zwei Kilometer was er bei guten Training, und Frank war fast immer bei gutem Training, in weniger als sechs Minuten schaffte. Natürlich musste man hier im Ort auch die Wartezeit, die aufgrund der hohen Rentnerdichte manchmal sehr lang werden konnte, mit einkalkulieren. Die Erbsenzählerinnen, wie er die Damen mit dem Kleingeld liebevoll nannte, waren aber um diese Zeit noch nicht da. Dafür ein jüngerer Herr, der ungefähr in Franks Alter war. Anscheinend ein Tourist.
„Guten Morgen Herr Jonas. Schon so früh auf den Beinen“, wurde Frank von der Bäckereiverkäuferin begrüßt. Cordula, so hieß die beleibte Dame Anfang fünfzig, war die gute Seele der Bäckerei. Ihre Stimme war zwar auf der Frequenz einer Verona Feldbusch, aber ansonsten war sie ihm gegenüber sehr freundlich und zuvorkommend.
Der Tourist vor Frank konnte sich nicht recht entscheiden, ob er nun Dinkel- oder Roggenbrötchen nehmen sollte. Als die Wahl dann auf die Roggenbrötchen fiel, war aber die gewünschte Anzahl, nämlich acht Stück, nicht vorhanden. Daher nahm er seine Bestellung zurück und entschied sich für die Dinkelbrötchen.
Fünf Minuten später kam dann auch Frank endlich an der Reihe. Er wusste, dass Richard gern Brezeln aß, daher bestellte er drei Stück, sowie zwei Dinkelbrötchen und zwei Roggenbrötchen.
„Haben Sie heute ganz schön Hunger, Herr Jonas.“
„Ich habe Besuch aus der Landeshauptstadt. Deswegen. Der Herr steht auf Brezeln. Und wir aus der Provinz wollen doch, dass es den Städtern an nichts fehlt.“
Cordula lachte, gab Frank die Brötchen und Brezeln und verabschiedete sich.
Drei Minuten später stand Frank wieder auf seiner Terrasse vor dem Haus und blickte auf den Untersee, wo bereits die ersten Sonnenstrahlen Sonne auf das Wasser schienen und die ersten Segelboote ihre Linien zogen.
Richard grunzte immer noch zufrieden vor sich hin. Frank, der die Kaffeemaschine angeschaltet hatte, bevor er losgelaufen war, nahm sich eine große Kaffeetasse mit der Aufschrift Cheftasse und goss sich den ersten Kaffee des Tages ein. Man konnte die Stille förmlich greifen, als er auf den See blickte, während seine Lebensgeister langsam erwachten. Die erste Tasse war immer die schönste, dachte er.
Ein paar Minuten später kam Richard angeschlurft und gähnte noch mal, als Ausdruck das er gut geschlafen hatte, genüsslich vor sich hin.
„So gut habe ich lange nicht geschlafen. Langsam versteh ich, warum es dir hier so gefällt.“
Frank, der seine erste Tasse bereits getrunken hatte, war nun mittlerweile in der Lage eine Konversation auf niedrigem Niveau zu führen.
„Freut mich. Du weißt, dass mein Haus für dich immer offen steht. Bedien dich.“
Er deutete auf den gedeckten Tisch auf dem neben Schinken, Salami und anderen Wurstsorten auch verschiedene Marmeladensorten standen.
„Frühstückst du immer so opulent?“
„Ja. Ich kann mich morgens nicht entscheiden, ob ich süß oder herzhaft essen will. Also stell ich immer beides raus.“
Richard griff wie erwartet zur Brezel und belegte sie mit einem herzhaften Stück Schwarzwälder Schinken.
„Der schmeckt gut“, sagte er mit vollem Mund.
„Ist direkt aus Blumberg. Von meiner letzten Radtour“, erwiderte Frank.
Er goss sich seine zweite Tasse Kaffee ein und schmierte sich ein Dinkelbrötchen mit Marmelade.
„Wie machen wir das eigentlich mit der Unterkunft, wenn ich in Stuttgart bin? Das wollte ich eigentlich schon gestern fragen, habe ich aber vergessen.“
„Du wohnst selbstverständlich bei mir. Ich habe noch meine drei Zimmer Wohnung in Stuttgart-Ost. Da kannst du schlafen. Die Couch ist eine bequeme Schlafcouch. Jedenfalls hat sich von den Mädels noch keine beschwert“, lachte er.
„Dann bin ich ja beruhigt. Am Wochenende fahr ich sowieso hierher. Den Abstand brauch ich.“
„Nichts dagegen“, erwiderte Richard. „Wenn du mich mitnimmst.“
„Weißt ja, du bist jederzeit willkommen. Die Frage ist nur ob dein Opel das überlebt. Scheint nicht mehr der Jüngste zu sein.“
Er blickte hinüber zur Garage, vor der Opel Astra Kombi in blaumetallic stand.
„Das funktioniert schon. Bis jetzt hat er mich überall hingebracht.“
Читать дальше