PETER MICHAEL LINGENS
Die Zerstörung der EU
Deutschland als Sprengmeister Österreich als Mitläufer
FALTER VERLAG
© 2019 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H.
1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9
T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at, W: www.falter.at
Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung!
ISBN ePub: 978-3-85439-654-3
ISBN Kindle: 978-3-85439-647-5
ISBN Printausgabe: 978-3-85439-633-8
1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2019
Cover
Titel PETER MICHAEL LINGENS Die Zerstörung der EU Deutschland als Sprengmeister Österreich als Mitläufer FALTER VERLAG
Impressum © 2019 Falter Verlagsgesellschaft m.b.H. 1011 Wien, Marc-Aurel-Straße 9 T: +43/1/536 60-0, E: bv@falter.at , W: www.falter.at Alle Rechte vorbehalten. Keine unerlaubte Vervielfältigung! ISBN ePub: 978-3-85439-654-3 ISBN Kindle: 978-3-85439-647-5 ISBN Printausgabe: 978-3-85439-633-8 1. digitale Auflage: Zeilenwert GmbH 2019
Die Thesen dieses Buches
Gelbe Karte für Macron
Das Drama Italiens
Das geleugnete Fiasko
Die einzigartige Rettung der Iberischen Halbinsel
Wie der Sparpakt Österreich schadet
Der verschwiegene Vorteil der Briten
Flüchtlinge als fatale Verschärfung
Das neue Deutschland
Wie die Deutschen den US-Dollar missverstehen
Was den Euro vom US-Dollar trennt
Die deutsche Führungsrolle nach der Krise
Was private Schulden von Staatsschulden trennt
Warum muss ein soveräner Staat nie pleitegehen?
Die gefährlichen privaten Schulden
Die Infektion der EU durch die USA
Sparen als protestantische Tugend
Weshalb muss Sparen die Wirtschaft bremsen?
Der Unfug von schwarzen Nullen und Überschüssen
Woher kommen die Schuldengrenzen?
Das fatale Misstrauen gegenüber dem Staat
Warum ist der Staat kein Unternehmen?
Der neoliberale Kampf gegen QE
Das Wunder von Wörgl
Warum wehren sich die Bürger nicht?
Lohnzurückhaltung – die deutsche Wunderwaffe
Die Agenda 2010
Die Wirkung der Wunderwaffe
Ist Freihandel immer das Beste?
Was bedeutet Lohnzurückhaltung zu Hause?
Die politischen Folgen der Lohnzurückhaltung
Der Jammer der Sozialdemokratie
Der rechte Weg, weg von der Sozialdemokratie
Wie Neoliberale den Markt missverstehen
Was bedeutet Neoliberalismus in der Praxis?
Wo bleibt eine neue Wirtschaftspolitik?
Epilog: Gregor Gysi zur Einführung des Euro
Der Autor
Endnoten
Für Anna, Max, Michael, Noah und Ben,
die in einer erfolgreicheren EU leben sollen
Umfragen zu Ende des Jahre 2018 bescheinigen der EU die größte Zustimmung der Bevölkerung seit 25 Jahren. Dieses Buch bescheinigt ihr zu Beginn des Jahres 2019 die schwerste Krise ihrer Geschichte. Die Erklärung für dieses Paradoxon ist die mediale Aufbereitung des Brexit: Nachdem die Briten ihn 2016 beschlossen hatten, befassten sich Europas Zeitungen und Fernsehstationen von Monat zu Monate weniger mit dieser dramatischen Schwächung der EU, stattdessen immer intensiver mit den gewaltigen Problemen, die sich Großbritannien mit dem Verlassen der EU angeblich einhandelt. Das hat Leser und Zuhörer entsprechend beeindruckt und sie ziehen daraus den Kurz-Schluss, dass es doch ein entscheidender Vorteil sei, der EU anzugehören. Selbst Heinz-Christian Strache, Marine Le Pen oder Matteo Salvini fordern nicht mehr den Austritt ihrer Heimatländer aus der Europäischen Union, sondern nur ihre Reform.
Das tut auch dieses Buch – wenn auch aus anderer Perspektive. In denkbar ungewollter Gemeinsamkeit mit Matteo Salvini halte auch ich die aktuelle Wirtschaftspolitik der EU, voran der Eurozone, für katastrophal und vertrete in diesem Zusammenhang folgende drei Thesen:
Erstens: Sparen des Staates, wie der Vertrag von Maastricht es fordert, wie Deutschlands vormaliger Finanzminister Wolfgang Schäuble es predigt und wie Kanzlerin Angela Merkel es via Sparpakt der gesamten EU mit Ausnahme Großbritanniens und Tschechiens unter Strafandrohung verordnet hat, ist wirtschaftlich maximal kontraproduktiv. Denn Wirtschaftswachstum kann nur zustande kommen, wenn mehr verkauft wird, und es kann aus Gründen der Mathematik nur mehr verkauft werden, wenn zugleich mehr eingekauft wird. Wenn von den drei großen potenziellen Einkäufern einer Volkswirtschaft – Konsumenten, Unternehmen und Staat – einer, nämlich der Staat, seine Einkäufe zum Zweck des Sparens einschränkt (ohne dass Konsumenten und Unternehmer ihre Einkäufe ausgeweitet hätten), ist es denkunmöglich, dass der Gesamtverkauf wächst. Wenn er es, wie etwa in Deutschland, dennoch tut, dann zulasten anderer Volkswirtschaften, deren Konsumenten, Unternehmen und staatliche Stellen sich an Deutschlands Stelle verschulden. Sofern es EU-Mitglieder sind, verstoßen sie damit gegen den von Deutschland initiierten Sparpakt. Diese absurde Konstellation ist verantwortlich für die, verglichen mit Großbritannien oder den USA, so schleppende Erholung der Eurozone.
Zweitens: Deutschlands „Lohnzurückhaltung“, die seine Unternehmen seit der rot-grünen Regierung Gerhard Schröders im Jahr 2000 üben, verdient die Bezeichnung „Lohndumping“: Die Waren deutscher Unternehmen nehmen den Waren aller anderen Volkswirtschaften, voran jenen Norditaliens und Frankreichs, immer mehr Marktanteile weg, ohne dass sich die Qualität deutscher Waren oder die Effizienz ihrer Herstellung erhöht hätte. Vielmehr subventionieren Deutschlands Arbeitnehmer Deutschlands Warenpreise durch real sinkende Löhne. Damit vermindert sich zugleich Deutschlands Kaufkraft, so dass weder deutsche noch gar französische oder italienische Unternehmen auf dem deutschen Markt mit ausreichendem Warenabsatz rechnen können. Das erschüttert Europas Wirtschaftsgefüge gleich doppelt. In den Ländern, die solcherart Marktanteile an Deutschland verlieren, kommt es zwingend zu hohen Arbeitslosenraten und explodierender Jugendarbeitslosigkeit, während in Deutschland Arbeitskräfte-Knappheit eintritt. Das deutsche Verhalten ist unvereinbar mit den Regeln fairen Wettbewerbs auf einem freien Markt und verstößt gegen die in der EU vereinbarte Zielinflation von 1,9 Prozent.
Drittens: Der „Neoliberalismus“ als Wirtschaftsideologie begünstigt das in „erstens“ und „zweitens“ angeführte Fehlverhalten. Er ist voller ökonomischer Missverständnisse bezüglich jener wirtschaftlichen Bedingungen, die er selbst für wirtschaftlich optimal hält. Neoliberale Vorstellungen vom Sinn „betriebsspezifischer“ Lohnverhandlungen oder bezüglich der Funktion von Gewerkschaften sind ebenso falsch wie die neoliberale Vorstellung vom maximalen Wohlergehen der Bevölkerung oder vom Entstehen gefährlicher Inflation.
Leider konzentrieren sich alle drei Fehlverhalten in der Politik von deutschen Regierungen, die ich bezüglich ihrer sonstigen Außen-, Innen- und Umweltpolitik durchaus schätze. Angela Merkel ist für mich eine der wenigen Staatschefs, die Wladimir Putin mit der nötigen Reserve begegnen, und ihr Verhalten anlässlich der in Budapest gestrandeten Flüchtlinge habe ich in einem Kommentar für Profil „ein deutsches Märchen“ genannt, auch wenn ich heute erkennen muss, dass das Zusammentreffen des Flüchtlingsproblems mit den Problemen der europäischen Wirtschaft zu einer extrem explosiven Gemengelage geführt hat. Aber diese Gemengelage wäre ungleich weniger explosiv, wenn die Wirtschaftspolitik der EU – in Wahrheit die Wirtschaftspolitik Angela Merkels und Wolfgang Schäubles – keine so katastrophale wäre.
Читать дальше