„Und zurück?“, entgegnete Frank und lachte.
Nach dem sie ausgiebig gefrühstückt hatten, entschlossen sie sich den Weg Richtung Stuttgart anzutreten. Frank gab Herrn und Frau Häberle Bescheid, dass er die kommende Woche nicht da sein würde. Sie versprach geflissentlich sich um alles zu kümmern. Einzig Herr Häberle machte ein trauriges Gesicht, da er nun niemand hatte, zu dem er sich flüchten konnte, wenn mal wieder dicke Luft war oder unangenehme Arbeiten zu verrichten waren.
„So ich habe alles für die Woche. Du musst jetzt bloß noch deinen blauen Bock von meiner Garageneinfahrt wegfahren, damit ich raus kann“, frotzelte Frank.
„Ja, ja. Lach du nur.“
Richard stieg in seinen Kombi und startete den Motor. Doch es blieb zunächst nur beim Versuch. Auch der nächste und übernächste Versuch misslangen.
„So, so. Zuverlässig. Scheint nicht zu wollen, wie es aussieht“, stellte Frank lakonisch fest. „Nehmen wir meinen. Der ist bequemer und schneller.“
Nach einigen weiteren erfolglosen Versuchen und dem obligatorischen Blick unter die Kühlerhaube sah Richard endlich ein, dass er es heute nicht mehr zum Laufen brachte.
„Scheiß Karre“, fluchte er, trat selbigen gegen den linken Vorderreifen, was dem Auto nichts ausmachte und ihm eine blaue Zehe einbrachte.
Sie schoben das Auto beiseite. Frank öffnete seine Garage und startete seinen V8 Motor. Ein sonores Blubbern erklang.
„Einsteigen, anschnallen, los geht´s“, sagte er. Richard stieg ein und befand sich wie in einer anderen Welt. Die Sitze und der Dachhimmel waren mit Alcantara veredelt. Im Armaturenbrett war feinstes dunkles Wurzelholz verarbeitet und überall blitzten verchromte Applikation, die das ganze Auto in einem edlen Licht erscheinen ließen.
„Nicht von schlechten Eltern“, staunte Richard. „Sehr bequem die Sitze. Wie schnell fährt der?“
„Bis dreihundert auf jeden Fall“, betonte Frank. „Der letzte Neunelfer kam jedenfalls nicht vorbei.“
Sie bogen rechts auf die Straße nach Konstanz ab und er ließ den V8 aufdrehen. Zwanzig Minuten später erreichten sie die B33 und fuhren von dort auf die A81 Richtung Stuttgart. Aufgrund der Tatsache, dass es Sonntagvormittag war, hielt sich das Verkehrsaufkommen in erträglichen Grenzen. Richard sah die Landschaft an sich vorbeifliegen.
„Wie schnell fährst du gerade?“, wollte er wissen.
„Angenehme zweihundertzweiundvierzig.“
„Kommt mir vor wie hundertzwanzig.“
„Ja, das ist das Problem bei dem Wagen“, seufzte Frank. „Man sollte immer den Tacho im Auge behalten.“
Von hinten näherte sich mit hoher Geschwindigkeit ein BMW, der anscheinend nicht wusste, dass es sich bei seinem Kombi um einen Mercedes AMG E63S handelte. Im Rückspiegel erkannte er zwei junge Burschen mit Migrationshintergrund. Frank blickte auf seinen Tacho, der nun aufgrund der Verkehrslage nur noch hundertachtzig anzeigte.
Als die Straße vor ihm wieder frei wurde, drückte er augenblicklich das Gaspedal voll durch. Richard wurde von einer brachialen Gewalt in den Sitz gedrückt und der AMG zeigte nun sein wahres Gesicht. Auf den ersten zweihundert Metern konnte der BMW noch mithalten, doch als Frank die Marke von zweihundertfünfzig erreichte, mussten die beiden hinter ihm einsehen, dass es keinen Sinn hatte sich mit ihm anzulegen. Frank verlangsamte daraufhin seine Fahrt wieder und wechselte auf die rechte Spur.
„Mein lieber Scholli. Das ist ja eine Waffe. Sieht man dem Auto gar nicht an, das der so schnell ist. Und bequem ist der auch noch“, staunte Richard.
„Deswegen habe ich ihn ja. Es ist immer gut, bei Verfolgungsjagden ein schnelles Auto zu haben“, lachte er.
Sie erreichten Stuttgart nach knapp einer Stunde und fünfundvierzig Minuten. Ab da war es trotz des Wochenendes, oder vielleicht gerade deswegen, mit dem hohen Tempo vorbei. Richard hatte Frank gewarnt, ab Stuttgart–Vaihingen etwas vorsichtiger zu fahren, da überall an der Strecke teure Passbilder gemacht würden.
Richard wohnte im Stuttgarter Osten, genauer gesagt, im Buchwald, einer kleinen Anhöhe am Rand des Talkessels. Von seiner Terrasse konnte er freien Blick Richtung Stuttgart sehen. Im Rücken des Hauses befand sich in ungefähr zweihundert Metern Entfernung besagter Wald, dem der kleine Stadtteil seinen Namen zu verdanken hatte.
„Schön hast du es hier getroffen“, meinte Frank. „Und ruhig scheint es auch zu sein.“
„Ja. Ich kann nicht klagen. Du weißt, ich mag diesen Trubel da unten in der Stadt nicht.“ Er deutete mit seinem Kopf in Richtung Tal.
„Du kannst dich frisch machen, dann zeig ich dir dein Zimmer und danach gehen wir was Essen.“
„Sehr vernünftig.“
Nach dem Frank geduscht hatte, zeigte ihm Richard seine vorübergehende Bleibe. Diese befand sich am Ende des Flurs auf der rechten Seite und hatte ebenfalls einen Terrassenzugang, von dem aus er in dem nahe gelegenen Wald sehen konnte.
Die Couch empfand Frank als bequem, zumal er davon ausging, dass er nicht lange bleiben würde.
„So jetzt laufen wir ein paar Meter. Hier in der Nähe gibt es einen schönen Biergarten mit Blick auf das Neckartal“, sagte Richard und fügte hinzu: „Schließlich müssen wir ja auch was für das Essen tun.“
Frank war es recht. Die Autofahrt durch Stuttgart und die ihm endlos lange scheinenden Ampelphasen hatte ihr Übriges getan, sodass ein spät nachmittäglicher Spaziergang ihm guttat. Auf dem Weg zum Biergarten redeten beide nicht viel, sondern sinnierten vor sich hin.
Bald darauf, nachdem sie durch die angrenzenden Gärten und ein Stück Wald gelaufen waren, erreichten sie den Biergarten. Es war noch nicht viel los, also hatten sie freie Platzwahl und suchten sich ein schattiges Plätzchen unter dem Sonnenschirm aus. Sie gaben der Bedienung ihre kulinarischen Wünsche mit auf den Weg, danach lehnte Frank sich zurück und streckte seine Glieder von sich.
„So lässt es sich aushalten.“
„Stimmt. Ich bin ab und zu hier, wenn ich abends zu faul zum Kochen bin. Früher war ich oft mit meiner Frau hier.“
Es schwang etwas Traurigkeit in seiner Stimme mit und obwohl Frank neugierig war, stellte er keine Fragen.
„Heute Abend können wir uns den Tatort reinziehen“, meinte er, um vom Thema abzulenken.
„Das klingt gut. Etwas Berieselung kann nicht schaden. Mal sehen welche Ermittlungsfehler die beiden Kommissare heute wieder machen. Morgen bin ich gespannt, was unser Walter wegen der Toten sagt. Er ist ja wie Manfred immer noch der Meinung, dass es ein Selbstmord war.“
„Jetzt denk nicht so viel nach. Das wird sich schon klären. Ich bin deiner Meinung, zumindest was die erste Einschätzung betrifft. Der Fundort ist schon merkwürdig. Das ist zumindest ein Indiz in Richtung Mord. Nicht mehr und nicht weniger. Schau jetzt kommt das leckere Essen.“
Die Bedienung servierte für Richard einen großen Teller mit Maultaschen und Kartoffelsalat. Frank hatte sich ein Cordon bleu bestellt und war wegen der Größe angenehm überrascht.
„Die scheinen zu wissen, das wir Hunger haben“, freute er sich.
Nach dem Essen trank Frank, um die zugegebenermaßen üppige Portion, die er mit Müh und Not geschafft hatte, noch einen Kaffee zum Verdauen. Richard lehnte mit der Begründung auf seinen empfindlichen Magen und die fortgeschrittene Stunde, es war kurz nach zwei Uhr am Nachmittag, ab.
Nach einem Waldspaziergang saßen beide später am Abend im Wohnzimmer. Richard hatte zwei Liegesessel und einen großen Flachbildschirm an der Wand. Die Sonne ging bereits hinter den Weinbergen unter, als die bekannte Tatortmelodie erklang. Es wurde ein gemütlicher Fernsehabend mit mehreren Flaschen Weißbier und einer halben Flasche Rotwein, die nach Richards Meinung noch geleert werden musste. Dazu diskutierte man über die diversen Ermittlungsmethoden der beiden Kommissare aus dem Tatort, die zufälligerweise am Bodensee ermittelten.
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