»Ähm, wenn du sie entbehren kannst. Aber vielleicht ruft sie besser zurück, wenn die Kinder im Bett sind? Das hört sich bei euch so an, als ob ihr gerade gut beschäftigt seid.«
»Ja«, meinte Sami, »gib ihr 20 Minuten. Heute ist sie mit der Gute-Nacht-Geschichte dran.«
Es dauerte eine dreiviertel Stunde, bis Meli zurückrief. »Puh, heute wollten diese kleinen Monster gar nicht ins Bett. Ich bin vollkommen fertig.«
»Entschuldige, Meli. Sollen wir lieber ein andermal telefonieren?«
»Nein, nein. Jetzt sind sie im Bett und Sami schaut Fußball. Und wir hatten doch heute kaum Zeit zum Quatschen bei dem Trubel im Café. Alles in Ordnung bei dir? Ist was passiert? Sami meinte, du hättest eben schon so traurig geklungen.«
»Ach, hat man das gehört?« Ich schluckte. »Keine Ahnung. Sven ist gerade zu Joe gegangen. Ganz plötzlich. Und er ist in der letzten Zeit immer so schlecht gelaunt. Ich weiß nicht, was los ist.«
»Hanne, entschuldige, wenn ich das so sage, aber dein Sven ist fast immer schlecht gelaunt.« Meli sagte wie immer geradeheraus, was ihr durch den Kopf ging.
»Wenn du das so sagst, klingt es viel schlimmer, als es ist. Klar, er ist schon echt oft etwas miesepetrig, aber meistens nicht. Man muss halt wissen, wann man ihn besser in Ruhe lässt.«
»Du lässt dir viel zu viel von ihm gefallen, Hanne. Das habe ich dir schon immer gesagt. Du musst das nicht hinnehmen! Wie Sven manchmal mit dir redet, das würde Sami sich nie erlauben. Dem würde ich was erzählen!«, schimpfte Meli. Ich merkte, wie mir Tränen in die Augen traten und schluckte erneut.
»Hanne?«
»Hm?«
»Hanne, weinst du? Was ist denn überhaupt passiert?«
»Nein. Ach, Meli, wenn ich das wüsste! Ich bin nach Hause gekommen und Sven hat gekocht und ich habe mich über sein Essen gefreut. Nach dem Essen wollte ich ihn etwas aufmuntern, weil er von der Arbeit und seinen Kunden so genervt war. Und da meinte er, er hätte keinen Bock auf meine gute Laune! Und dass ich endlich erwachsen werden soll … Und dann ist er zu Joe …«
»Der hat sie ja nicht mehr alle!«
»Meli!«
»Was denn, ist doch wahr! Was hat er denn für ein Problem, dass er das an dir auslassen muss?«
Ich schwieg und auch Meli sagte eine Weile nichts.
»Soll ich vorbeikommen?«, unterbrach sie die Stille.
»Ach, quatsch. So schlimm ist das nicht. Ich wollte nur gerne mit dir sprechen. Ich muss einfach nochmal mit Sven reden, wenn er sich wieder etwas beruhigt hat. Auch wegen der Flugschule. Vielleicht kann er mir da helfen.«
»Läuft es immer noch nicht besser?«, fragte Meli.
»Schlimmer. Ich wollte Sven zumindest bitten, ob er mir helfen kann, die Homepage neu zu machen.«
»Ach, das schaffst du doch alleine! Wenn er so schlecht drauf ist … Wir haben die Seite für unser Café auch ganz einfach selbst gemacht. Da gibt es so Baukästen. Kannst du einfach googlen.«
»Okay, ich schaue es mir mal an.«
»Ich schicke dir in den nächsten Tagen eine Mail mit dem, was wir gemacht haben, okay? Was du auf jeden Fall brauchst, sind Fotos. Viele Fotos. Von den Flugzeugen und aus der Luft und vom Team und so.«
»Das haben wir massenweise.« Fotos hatte ich wirklich zur Genüge, auch von verschiedenen Ausflügen, bei denen wir uns gegenseitig in der Luft fotografiert hatten. »Danke schon mal, Meli.«
»Mach dir jetzt keine Gedanken mehr über Svens schlechte Laune. Morgen redest du mit ihm. Das wird schon.«
»Danke, Meli. Jetzt geht es mir wieder besser. Bis morgen, ja?«
»Warte mal!«, rief Meli in den Hörer. »Sollen wir am Freitag ausgehen? Mädels-Abend in Nürnberg?«
Ich lächelte. »Ja, das klingt perfekt. Also, bis morgen.«
»Prima. Schlaf gut, Süße! Das wird schon.«
***
»Hallo, Schatz, bist du schon zu Hause?« Keine Antwort. Ich kam gerade aus dem Café und vom Einkaufen. Sven hatte ich eine Nachricht geschickt, dass ich heute das Abendessen übernehmen würde. Ich schloss die Wohnungstür mit einem Hüftschwung, stellte meine Einkaufstaschen ab und warf meinen Schlüssel in das Körbchen auf der Flurkommode. Svens Schlüssel war nicht darin, mein Freund war also noch unterwegs. In der Nacht war er erst spät nach Hause gekommen und heute war er früh aufgebrochen, um vor der Arbeit noch ins Fitness-Studio zu gehen. Und er war extrem wortkarg gewesen.
Ich packte die Tüten aus und verteilte meinen Einkauf in der Küche. Ich wollte eine Pilzpfanne machen, weil wir noch Pilze vom Vortag übrighatten. Mit Semmelklößen. Das mochten wir beide gerne. Für die Klöße hatte ich allerdings auf eine Fertigpackung zurückgegriffen. Wenn ich versuchen würde, die Dinger selbst herzustellen, wäre ich wahrscheinlich noch morgen beschäftigt.
»Huch, wie sieht es denn hier aus?« Sven war, ohne dass ich ihn gehört hatte, in die Wohnung gekommen und stand nun in der Küchentür. Ich sah mich um. Auf dem Küchentisch lag der restliche Einkauf, den ich noch nicht weggeräumt hatte. Auf der Arbeitsplatte waren Zwiebelschalen verteilt. Daneben lag ein Haufen mit den nassklebrigen Beuteln der Klöße.
»Hallo, Schatz, ich bin gleich fertig«, rief ich ihm entgegen.
Sven grinste, kam in die Küche und küsste mich flüchtig auf die Stirn. »Danke, dass du das Essen machst. Aber die Küche hättest du nicht verwüsten müssten. Wie du das immer schaffst, ist und bleibt mir ein Rätsel.«
»Ich räume gleich wieder auf. Versprochen.«
Sven ging kopfschüttelnd aus der Küche. Während die Pilze fertig schmorten, räumte ich den restlichen Einkauf weg, beseitigte die Küchenabfälle und deckte den kleinen Küchentisch. Sven kam kurze Zeit später dazu und schnupperte. »Hm, riecht gut. Du kannst ja doch kochen. Und aufräumen.«
»Hey, klar kann ich das! Sei nicht so frech! Bloß, weil ich meine Prioritäten etwas anders setze als du.«
»Ja, das tust du wohl«, sagte Sven, aber diesmal klang es nicht vorwurfsvoll. Seine Laune schien wieder besser zu sein.
Ich verteilte das Essen auf den Tellern, während Sven sich setzte. Es roch richtig lecker und war, wie ich nach dem ersten Bissen feststellte, nur ein ganz klein wenig versalzen. Sven war hungrig genug, dass es ihn fast nicht zu stören schien. Fast. Er grinste erneut.
»Hanne, ich hoffe, dass wir noch Bier haben, ich habe einen fürchterlichen Durst. Warum nur?«
»Entschuldige, es ist ein bisschen salzig geworden. Im Kühlschrank sind noch zwei oder drei Flaschen.«
Sven stand auf und holte zwei Flaschen aus dem Kühlschrank hinter ihm. »Du auch?«
Ich nickte. »Puh, die Pilze sind wirklich salzig.«
»Halb so wild. Lecker war es trotzdem.« Sven öffnete die Flaschen, reichte mir eine und setzte sich wieder. Dann räusperte er sich. »Hanne, hör mal. Entschuldige, dass ich so schlecht gelaunt war in den letzten Tagen. Es war einfach viel los, ich hatte zu wenig Schlaf …«
Na ja, wohl auch zu viel Alkohol am Wochenende, dachte ich. Aber ich schwieg.
»Und seit du an diesem Flugzeug herumschraubst, hast du kaum noch Zeit!«
Daher wehte also der Wind. Sven war eifersüchtig auf einen alten Doppeldecker. »Ich möchte den halt gerne bald in die Luft kriegen«, sagte ich. »Es tut mir leid, wenn du dich vernachlässigt fühlst.«
Sven rückte seinen Stuhl vom Tisch ab, stand auf und sah mich einfühlsam an. Ich legte meinen Kopf an seine Hüfte, während er mir die Locken aus dem Gesicht streifte, die mir ständig vor die Augen fielen. Ich seufzte.
»Komm, heute wasche ich ab und du machst es dir schon mal im Wohnzimmer gemütlich. Ich komme gleich nach, okay?« Er räumte die Teller zusammen. Lächelnd ging ich aus der Küche. Ich hatte es gewusst: Svens schlechte Laune hielt meist nicht lange an. Auf dem Weg durch den Flur hörte ich das leise Brummen eines Handys und tastete nach meiner Hosentasche. Mein Telefon hatte nicht vibriert. »Sven, du hast eine Nachricht bekommen, soll ich dir dein Telefon bringen?«, rief ich.
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