Sie verstärkte ihre Anstrengungen, die Tür zu schließen. Mein Fuß tat schon richtig weh. „Ich habe nicht gestöhnt. Ich hatte mich lediglich verschluckt. Mein Name ist Jonathan Lärpers von der Detektei Argus.“ - „Das kann jeder sagen. Ich habe sie doch deutlich stöhnen gehört!“
Die Tür öffnete sich wieder ein kleines Stückchen mehr. Vorsichtig bewegte ich meinen Fuß, der zuvor eingeklemmt war. Dann versuchte ich erneut die Situation zu erklären: „Ich musste husten. Das mag sich vielleicht wie ein Stöhnen angehört haben, war es aber auf gar keinen Fall. Ich bin jetzt wegen des Pudels der Frau Ottkans hier. Das habe ich am Telefon ja schon mit ihrer Kollegin abgesprochen. Vielleicht können sie die einmal herholen.“
Die junge Dame – ich schätzte sie auf vielleicht siebzehn Jahre – sah mich abschätzend an. „Mit welcher Kollegin denn? Wie hieß die?“ - „Das weiß ich nicht. Leider hat sie sich mir nicht vorgestellt und ich habe vergessen zu fragen.“ - „Aha.“ Dann zog sie die Tür zu. Ich schaute auf meinen Fuß, den ich dummerweise zurückgezogen hatte. Wer rechnet denn aber auch damit, dass die dumme Kuh die Tür jetzt wieder zumachen würde? Da stand ich nun da. Was tun? Nach reiflicher Überlegung kam mir die rettende Idee. Ich zückte mein Handy und wählte die Nummer des Tierheims.
„Tierheim Mönchengladbach. Ja?“ Das war eindeutig nicht der Anrufbeantworter. Leider aber die Stimme des jungen Mädchens. „Hallo, bitte legen sie nicht auf. Ich bin Jonathan Lärpers. Ich möchte doch nur den Hund abholen.“ Stille am anderen Ende. „Sie haben wirklich nicht gestöhnt?“ - „Nein, ich habe gehustet, gekeucht, aber nicht gestöhnt. Geben sie mir doch einfach die Kollegin. Die weiß doch Bescheid. Bitte!“
Ich verlegte mich auf Betteln.
„Die Kollegin ist hier die Chefin. Das hätten sie aber wissen müssen. Und die ist nicht da. Die Chefin hat jetzt Mittagspause.“
Ich richtete mich darauf ein, bis nach der Pause warten zu müssen. Vielleicht könnte ich ja hier in der Gegend eine Kleinigkeit zu essen finden ... „Gut, dann warte ich, bis ihre Chefin wieder hier ist“, lenkte ich ein und plante schon mein Mittagessen.
„Die Chefin kommt erst morgen Früh wieder. Die muss heute noch zum Amt.“ Wieder Stille. Ich wollte gerade das Gespräch abbrechen, als die Kleine sich doch noch meldete: „Warten sie mal. Hier liegt ein Zettel von der Chefin. Da steht etwas von einem Lärper und Argus. Sind sie das?“
Ich atmete vorsichtig auf. Jetzt nicht zu früh freuen. „Ja, Jonathan Lärpers. Von der Detektei Argus. Ich soll den Hund von Frau Ottkans abholen und zu seiner Besitzerin zurückbringen.“
„Ja, so steht das hier auch. Dann warten sie doch bitte einen Moment.“
Das Gespräch wurde unterbrochen. Hatte ich es geschafft? Könnte ich jetzt endlich diesen Scheißkö... pardon – den lieben Hund – zu seinem Frauchen zurückbringen? Quietschend öffnete sich die Tür. Immerhin musste ich lediglich zehn Minuten warten, aber ich war ja geduldig. War ich das?
„Haben sie einen Ausweis, Herr Lärper?“ - „Lärpers. Jonathan Lärpers. Und ja, natürlich habe ich einen Ausweis.“ - „Kann ich den auch mal sehen?“
Ich hielt ihr meinen Ausweis hin. Das Mädchen versteckte sich halb hinter der Tür und es schien als würde sie die wieder zuziehen, sobald ich eine falsche Bewegung machte.
„Gut, Herr Lärpers. Da meine Chefin alles so fein aufgeschrieben hat, kann ich ihnen den Hund übergeben. Sie müssen dann nur noch hier unterschreiben.“ Sie hielt mir einen Zettel und einen Stift hin. „Und ich bekomme noch einhundertundachtzig Euro von ihnen.“
Ich stockte mitten in der Unterschrift. „Einhundertachtzig? Liebe Frau, ich will den Hund nicht kaufen. Ich will ihn nur seiner Besitzerin zurückbringen.“
„Fräulein“, korrigierte sie mich. „Das sind die Kosten für die Unterbringung. Zwei Tage Logis und Verpflegung. Zahlen sie nun, oder nicht? Ohne Zahlung kann ich ihnen den Hund nicht herausgeben.“ Schon schien sie wieder die Tür zuziehen zu wollen.
„Moment, Moment. Ich zahle. Natürlich.“
Den Betrag müssten wir der Frau Ottkans in Rechnung stellen. Dann würde ich ja auch mein Geld wiederbekommen.
Endlich war der Köter auf dem Rücksitz verstaut und ich quälte mich durch den immer noch dichten Verkehr zurück nach Rheydt. Diesmal versuchte ich gar nicht erst irgendwo einen Parkplatz zu finden, sondern fuhr direkt in die Tiefgarage. Die Parkgebühren gehörten natürlich auch zum Thema ‚Spesen‘. Hinten im Wagen winselte der Pudel leise, als wir in die dunkle Garage einfuhren. Ich wusste ihn aber zu beruhigen: „Ist ja gut, gleich bist du wieder bei Mama.“ Als ich ihn dann auf dem Rücksitz losmachte, musste ich einen nassen Fleck auf meinem Polster erkennen. Undicht war das Tier also auch noch!
Bei Frau Ottkans brauchte ich mich nicht einmal zu legitimieren. Ich zeigte ihr den Pudel, den ich übrigens alle drei Etagen hochtragen musste, und sie öffnete sofort die Tür.
„Mein Hundi, mein Männe, mein Liebling! Da bist du ja wieder. Was haben die bösen Menschen dir alles angetan?“ Ich hoffte, Frieda Ottkans meinte damit nicht mich. „Kommen sie, kommen sie. Schön, dass sie mir meinen Racker wiedergebracht haben. Auf die Polizei ist doch immer Verlass.“ - „Frau Ottkans, ich bin nicht von der Polizei. Ich bin von der Detektei Argus. Jonathan Lärpers.“
„Ja, ja. Das weiß ich doch. Kommen sie, jetzt trinken wir erst einmal einen schönen Tee. Das stärkt und weckt die Lebensgeister.“
Ich winkte ab. „Danke, das ist sehr nett, leider muss ich ...“ - „Ach was. Nichts da. Aber ich sehe schon: Sie sind eher der Kaffeetyp. Also, sie nehmen jetzt da Platz und ich koche uns einen guten Kaffee.“ Frieda Ottkans zeigte auf den mir bekannten Sessel. Seufzend nahm ich Platz. Gab es für mich denn eine Wahl? Und in Gedanken an den Tee heute Vormittag nahm ich mir vor, direkt genügend Zucker in den ‚Kaffee‘ zu tun.
„So, jetzt lassen sie es sich einmal gutgehen, Herr L...“ - „Lärpers. Jonathan Lärpers.“ - „Ja, Herr Lärpers.“ Ich griff zum Zucker und füllte ordentlich in meine Tasse. Dann wollte ich umrühren, bekam aber Probleme. Der Löffel steckte im Kaffee fast fest. Was war das jetzt wieder? Das ähnelte weniger einem Gebräu, sondern eher einem Brei ... Ich stellte die Tasse sacht auf dem Unterteller ab.
„Schmeckt der Kaffee? Ich trinke ja immer nur Tee. Ist auch besser für die Gesundheit.“ Die alte Dame plauderte munter drauflos. Ich überlegte mir allmählich eine Fluchtmöglichkeit. „Danke, Frau Ottkans. Ich muss jetzt aber gehen. Sie erhalten dann vo...“ - „Einen Moment, junger Mann.“
Frieda Ottkans stand auf und durchquerte den Raum. Dann öffnete sie eine Tür - die offensichtlich zum Schlafzimmer führte - und verschwand in dem Raum. Freudig springend folgte ihr der Hund.
Keine zwei Minuten später stand sie wieder vor mir und hielt mir einen fünf Euro Schein hin. „Das ist für ihre Mühe. Ich bin ihnen ja so dankbar!“
Ich wehrte ab: „Das ist sehr nett, Frau Ottkans, aber ich da...“ - „Papperlapapp. Das nehmen sie jetzt an, Herr L...“ - „Lärpers.“ - „Ja, Herr Lärpers. Davon gehen sie jetzt erst einmal richtig lecker Essen. Nach all der Mühe. Und jetzt Schluss! Ich will nichts mehr hören.“
Seufzend nahm ich den Schein. Rasch kramte ich mein Portemonnaie hervor und verstaute das Geld. In diesem Moment klingelte es an der Wohnungstür.
„Wer wird das wohl sein? Ich bin gleich wieder bei ihnen, Herr L...“ - „Lärpers.“
Aber da war sie schon verschwunden. Neugierig geworden, legte ich meine Geldbörse auf den Tisch und lugte um die Ecke. „Wir sind vom Wasserwerk“, hörte ich eine männliche Stimme. Dann lenkte mich ein kurzes Aufjaulen hinter mir ab. Ich sah mich um und konnte eben noch ‚Racker‘ mit meiner Brieftasche im Schlafzimmer verschwinden sehen. Oh, warte! Der Köter würde doch meine wertvolle Geldbörse - echt Schweinsleder - jetzt nicht zerfleddern? Keine zwei Sekunden stürzte ich hinter ihm her ins Schlafzimmer.
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