Brustriemen, und sauste über das offene Meer
dahin; des Pferdes Huf ward nicht nass, und der
Schlitten hinterliess keine Spur. Sie fuhren weiter und
immer weiter, bis die Nacht sie auf dem Meere überraschte.
Da sang Ilmarinen, der Schmied, sein Zauberlied,
und alsbald erhob sich mitten im Meere eine
Insel, auf welcher sich der Schmied mit seinem Weibe
zur Ruhe begab. Sie schliefen die Nacht durch bis
zum Morgen. Da erwachte Ilmarinen aus dem Schlafe,
schaute zur Seite, – aber er sah sein Weib nicht mehr.
Er stand vom Lager auf, schritt dem Meeresstrande zu
und zählte alle Enten auf der Insel. Siehe da, eine
Ente war überzählig. Als er das sah, sang der
Schmied schnell sein Zauberlied und sagte: »Verstekke
dich nicht, Katrina, da bist du ja!« Alsbald verwandelte
sich die Ente wieder in sein Weib. Sie sausten
wieder über das offene Meer dahin, wer weiss,
wie lange sie gefahren sein mochten, da überraschte
sie wieder die Nacht auf ihrer Fahrt. Aber der
Schmied Ilmarinen sang sein Zauberlied und es entstand
eine Insel auf dem Meere, auf welcher sich die
Beiden zur Ruhe legten. Die Nacht verging, der Morgen
brach an; da erwachte Ilmarinen, der Schmied,
aus seinem Schlafe und blickte zur Seite: aber sein
Weib war nicht mehr da. Eilig sprang er von seinem
Lager auf und zählte alle Bäume auf der Insel, – da
fand sich ein überzähliger Baum. Schnell sang Ilmarinen
sein Zauberlied und rief: »Verstecke dich nicht,
schöne Katrina, da bist du ja!« und augenblicklich
stand sein Weib wieder vor ihm. Der Schmied Ilmarinen
setzte sich neben sie in den bunten Schlitten, gezogen
vom trefflichen, drei Sommer alten Fohlen, und
fort sausten sie über das offene Meer. Sie fuhren den
Tag über, bis die Nacht hereinbrach, da sang der
Schmied Ilmarinen sein Zauberlied wie früher, und
zauberte auf dem Meere eine Insel hervor, auf welcher
er sich neben seinem Weibe zur Ruhe legte. Die
Nacht verging, der Tag dämmerte bereits, als der
Schmied aus dem Schlaf erwachte und zur Seite
schaute: aber sein Weib war nicht mehr da. Diesmal
ward Ilmarinen, der Schmied, zornig auf sein Weib;
er sprang schnell von seinem Lager auf und wanderte
am Meeresstrande umher. Beim Herumgehen zählte er
die Steine auf der Insel und fand einen überzähligen
Stein. »Verstecke dich nicht, Katrina, da bist du ja!«
sagte er schnell, sang sein Zauberlied, und alsbald
stand sein Weib wieder vor ihm. Aber der Schmied
redete sie zürnend an: »Um dich zu erlangen, du schöne
Katrina, habe ich Riesenarbeit gethan und habe
Riesenmühe gehabt, und du betrügst mich immer. So
gehe denn hin und treibe dich für ewige Zeiten auf
dem Meere umher!« Als er das gesagt, sang der
Schmied sein Lied und verwandelte sein Weib, die
blendend weisse, schöne Katrina, in eine Möwe, ewig
verdammt über dem Meere gegen den Wind zu flie-
gen.
Doch das Leben ohne Weib ward dem Schmiede zu
einsam, und er begann sich aus Kupfer ein Weib zu
schmieden. Er sang ein Zauberlied, und es entstand
ein Menschenbildniss. Er sang ein zweites Lied, und
es kam Leben in das Herz des Weibes. Ilmarinen
legte sich neben sein selbsterschaffenes Weib zur
Ruhe; die eine Hand that er auf den Busen der Frau,
die andere auf die eigene Brust. Als er am folgenden
Morgen erwachte und seine Hände befühlte, da war
die Hand warm, welche er auf der eignen Brust gehabt
hatte, und die andere eisigkalt, die er zu seinem
Weibe gethan. Da sprach der Schmied Ilmarinen, der
ewige Meister, die Worte: »Niemand schmiede sich
selbst ein Weib; man nehme nur das erschaffene!«
Dann sang er noch ein Zauberlied; da verwandelte
sich die Möwe wieder in sein Weib, die blendend
weisse, schöne Katrina, wie sie leibt und lebt. Er setzte
sich mit ihr in den Schlitten, gezogen vom trefflichen
Fohlen, und fuhr mit eilender Fahrt in die Heimat,
wo seine Mutter die Schwiegertochter aufs beste
empfing.
2.
Lippo und Tapio.
(Aus Ilomants.)
Lippo, der flinke Mann, der Jäger, begab sich eines
Tages mit zwei Gefährten auf die Rennthierjagd.
Einen ganzen Tag wanderten sie im Walde umher, da
brach die Nacht herein, und sie suchten in einer Reisighütte
Schutz gegen die Finsterniss und die Kälte.
Sie brachten die Nacht in der Hütte zu, und als der
Tag zu dämmern begann, glitten die drei Männer auf
ihren Schneeschuhen weiter; bevor sie die Hütte verliessen,
schlug Lippo seine Schneeschuhe aneinander
und sagte: »Heute muss mir der Tag Beute bringen;
ein Stück dem einen Schneeschuh, ein Stück dem andern,
ein drittes meinem Stabe.« Die Männer hatten
sich kaum in Bewegung gesetzt, als sie auch drei
Rennthierspuren fanden; sie folgten ihnen und erblickten
bald die drei Rennthiere: zwei nebeneinander,
das dritte etwas weiter ab von den andern. Da
sagte Lippo zu den Gefährten: »Ihr mögt die beiden
Thiere verfolgen, das sei eure Beute; ich will dem einzelnen
nachjagen.« Mit diesen Worten glitt er auf dem
Schnee dahin, den ganzen Tag, bis ihn die Nacht
überraschte; aber das Rennthier holte er nicht ein, obgleich
er der schnellste Schneeschuhläufer war. Da
kam er im Walde an ein Gehöft; das Rennthier flüchtete
sich in den Stall auf dem Hofe und Lippo eilte
ihm nach. Auf dem Hofe stand der Herr des Hauses,
ein ehrwürdiger Greis, Haupt und Kinn mit grauem
Tannenmoos bewachsen. »Oho!« sagte er, »welcher
Krötensohn hat meinen Hengst heute in Schweiss gejagt?
« – Lippo trat vor, begrüsste den Greis und
sagte: »Ich habe es gethan, konnte ihn aber nicht einfangen,
und bin so in diesen Hof gerathen.« – Der
Greis, welcher Tapio selber war, sagte darauf: »Nun,
wenn du bis zum Abenddunkel meinen Hengst gejagt
hast, so magst du zur Nacht in meiner Stube bleiben.«
Lippo trat in die Stube des Tapio ein und schaute sich
darin verwundert um: hier waren Rennthiere und Hirsche,
dort Bären, Füchse, Wölfe und alle nur erdenklichen
Thiere des Waldes. Tapio setzte ihm ein
Abendessen vor und bewirthete ihn gut. Am folgenden
Morgen wollte Lippo seine Fahrt fortsetzen, aber
er konnte seine Schneeschuhe nicht finden. Er fragte
den Tapio danach, doch dieser sagte: »Willst du nicht
als Schwiegersohn bei mir bleiben? Ich habe eine einzige
Tochter.« Lippo antwortete: »Gern bliebe ich,
aber ich bin ein ganz armer Mann.« – »Das lass
meine Sorge sein!« rief Tapio, »Armuth ist kein Fehler,
und bei uns sollst du haben, wonach dein Sinn ge-
lüstet.« Er gab dem Lippo seine Tochter, und der flinke
Schneeschuhläufer und Jäger blieb als Schwiegersohn
in der Waldhütte des Tapio.
Drei Jahre waren vergangen, seitdem er zu Tapio
gekommen, da gebar ihm Tapio's Tochter einen Sohn.
Nun gedachte Lippo seine Heimat zu besuchen und
bat Tapio, ihn dorthin zu führen. Tapio sagte: »Wenn
du mir Schneeschuhe nach meinem Sinn verfertigst,
lasse ich dich ziehen.« Lippo eilte in den Wald und
begann Schneeschuhe zu schnitzen. Ueber ihm sass
eine Meise auf einem Baumzweige und sang:
»Tii, tii, ich kleine Meise
Lehre dich die rechte Weise:
Nach unten thu ein Zweiglein spitz,
Ans Ende vorn des Fusses Sitz!«
Lippo warf ein Holzstückchen nach dem Vogel und
sagte: »Was pfeifst du da, du dummes Thierchen?« Er
machte seine Schneeschuhe fertig, verzierte sie so
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