weiter gehen, wir haben hier nichts mehr zu schaf-
fen.« Die Anderen schämten sich und wagten gar
nichts zu erwidern, sondern wanderten mit Mikko
weiter. Sie schritten und schritten immer vorwärts und
fanden in einem Walde eine Grube, die so tief war, so
tief, dass man den Grund nicht sehen konnte.
»Man müsste doch erforschen, was in der Grube
ist«, meinte Mikko Mieheläinen; »aber wie erreichen
wir den Grund?« Die Gefährten sannen ein wenig darüber
nach und fanden endlich ein Mittel; sie sagten:
»Wir haben ja die drei Kuhhäute aus dem Hause der
Hexe mit; lasst uns daraus eine Wiege machen und
darin hinunterfahren!« Dieser Rath dünkte auch
Mikko gut, und sie verfertigten aus den Häuten eine
Hängewiege, an welche sie so lange Lederstreifen befestigten,
als die Häute dazu ausreichten; daran sollte
die Wiege hinuntergelassen werden. Als das Werk
fertig war, fragte Mikko die Anderen: »Wer von uns
soll sich in die Wiege setzen?« – »Setze du dich hinein,
Mikko Mieheläinen«, sagten die Gefährten, »wir
schwächeren Männer wollen an den Riemen heraufziehen,
was du in die Wiege thun wirst.« – »Gut, so
mag es sein«, sagte Mikko Mieheläinen, setzte sich in
die Wiege und gebot den Anderen, ihn an den Riemen
hinunterzulassen. Die Gefährten thaten es, und Mikko
Mieheläinen glitt mittelst der Riemen immer tiefer
hinab, bis er endlich unter die Erde gelangte, wo sich
ihm ganz fremde Länder und nie gesehene Gegenden
zeigten. Vor ihm lag eine neue Welt, der oberen jedoch
ähnlich, und am Ufer eines Meeres stand eine
Hütte. Mikko Mieheläinen stieg aus der Hängewiege
und ging in die Hütte hinein; siehe, da sass ein wunderschönes
Mädchen in weissen Gewändern, und
Sie webet goldnes Linnen,
Silberfädchen wohl auch drinnen.
Golden sind des Mädchens Hände,
Füsschen silbern bis zur Lende.
Sonne auf dem Haupt ihr glänzet,
Mondenlicht die Stirne kränzet,
Nordstern ihr die Schultern schmücket,
Dass ihr Sternenglanz entzücket,
Siebenstern thront ihr am Nacken.
Als das Mädchen Mikko erblickte, erschrak sie und
sagte: »O du Mann aus fremdem Lande, wie bist du
Unglückseliger hierher gerathen? Wenn meine Mutter
nach Hause kommt, wird sie dich tödten!« – »Ich
habe noch keinen Mann getroffen, der mir gleich kam
und den ich zu fürchten gebraucht hätte; sollten mich
jetzt gar Weiber besiegen?« sagte Mikko Mieheläinen
und erzählte sodann dem Mädchen, wie er in der Hängewiege
aus der Oberwelt heruntergefahren war.
Dem Mädchen ward es leid um den Burschen, da er
ihr gut gefiel, und sie führte Mikko Mieheläinen in
das Vorrathshaus, wo sie ihn unter ihren Kleidern
versteckte, damit ihn die Mutter nicht finden sollte;
dann schloss sie die Thür hinter sich zu. Aber bald
darauf kam die Alte nach Hause und rief schon von
der Schwelle ihrer Tochter zu: »Wo hast du den Burschen
verborgen? Eben ist ein Bursche hier gewesen!
Bringe ihn aus dem Versteck herbei, dass ich mit ihm
kämpfe!« Dem Mädchen half alles Leugnen nicht, sie
musste den Burschen herbeiholen, und nun entstand
ein fürchterlicher Kampf zwischen ihm und der Mutter;
doch zuletzt gewann Mikko den Sieg und tödtete
das alte Weib. Da vertraute sich das Mädchen dem
Manne an und ward Mikko Mieheläinens Weib, und
Beide machten sich bereit auf die Oberwelt zu steigen.
Was in des Mädchens Hause an Sachen, Vorräthen
und Reichthümern, an Silber und Gold zu finden
war, nahmen sie mit und trugen Alles an die Grubenmündung,
wo die lederne Wiege hing. Die Sachen
thaten sie hinein, und Mikko's Gefährten zogen die
Wiege an den Riemen hinauf, leerten sie aus und
senkten sie wieder herab, bis alle Schätze auf diese
Weise unten zu Ende waren. Eben senkte sich die
Wiege wieder leer herab, und es gab nichts mehr hineinzuthun,
da sagte Mikko Mieheläinen zu seinem
Weibe: »Setze du dich jetzt hinein, mein liebes Mädchen,
damit du hinaufgelangst; ich folge dir nach,
wenn die Reihe an mir ist.«
Das Mädchen setzte sich in die Wiege und ward
hinaufgezogen; dann ward die Wiege noch einmal
hinabgelassen und Mikko Mieheläinen schwang sich
als der Letzte hinein. Die Gefährten zogen ihn eine
Strecke an den Riemen herauf, da sagte der eine Bursche
zum andern: »Wenn Mikko Mieheläinen aus der
Grube herauskommt, wird er uns gewiss keinen Theil
an seinen Vorräthen gönnen, sondern wird uns dort
hineinwerfen. Wollen wir ihn lieber in der Grube lassen
und alle seine Sachen behalten!« Der Andere ging
auf den Vorschlag des Genossen ein, und sie zerschnitten
alsbald die Riemen, an denen die Wiege
hing, und Mikko Mieheläinen fiel auf halbem Wege
in die Grube zurück.
Was sollte er nun anfangen? Mikko ging in der Unterwelt
in seiner Trauer am Meeresstrande umher und
erblickte einen Vogel, der am Himmel flog; schnell
rief er ihn herbei: »Komm her, mein Vögelchen!« Der
Vogel flatterte heran und sagte: »Ich grüsse dich,
Mikko Mieheläinen! Worüber sinnst du?« – »Darüber
sinne ich, wie ich wohl in meine Heimat gelangen
könnte«, antwortete Mikko; »trage mich, lieb Vögelchen,
in meine Heimat!« Der Vogel erbarmte sich seiner,
nahm Mikko schnell auf den Rücken und flog mit
ihm davon. Er flog und flog mit ihm weite Strecken,
bis er Mikko endlich an die Stelle brachte, wo dieser
mit seinen Gefährten Holz zum Kochen der Kühe geschlagen
hatte; hier liess ihn der Vogel vom Rücken
herab und fragte: »Kennst du das Land, wo du dich
befindest?« Mikko schaute sich um, erkannte den Ort
und sagte: »Nun weiss ich, wo ich bin, mein Vögelchen;
schön Dank fürs Herbringen!« Dann schieden
die Beiden voneinander; der Vogel flog wieder fort,
und Mikko ging nach der Grube zu, wo er die Gefährten
verlassen hatte. Als er sich der Stelle näherte,
hörte er ein Kampfgeschrei von der Grube her, und
als er nahe daran stand und von der Seite hinschaute,
sah er den Felsenstosser und den Flüsselenker heftig
miteinander ringen. »Nimm die Schätze! gieb mir das
Mädchen!« so schrie Einer zum Andern, und sie
konnten sich nicht über ihren Antheil an den Sachen,
die sie in der Wiege heraufgeschafft, einigen. Da
stand plötzlich Mikko Mieheläinen vor ihnen und
sagte: »Ich grüsse euch, Gefährten! Hier seid ihr ja,
und hier bin auch ich!« Mit der einen Hand packte er
den Einen an der Brust, mit der andern Hand den Andern,
und stiess die beiden Kumpane in die Grube
hinein, indem er sagte: »Geht, Brüderchen, wo ich gewandert
bin, mögt ihr auch wandern!«
Alsbald fuhren sie kopfüber unter die Erde, und
man sah sie nie wieder und hörte nichts mehr von
ihnen; aber Mikko Mieheläinen nahm seine Schätze
vom Grubenrande zusammen und ging mit seiner
Braut in die einstige Wohnung der Hexe; sie
schmückten das Haus mit allem möglichen Reichthum
aus und lebten darin miteinander vergnügt und
voll Freuden, bis der Tod sie erreichte. – So lang ist
die Geschichte!
Fußnoten
1 des Tapio (Waldgeistes) Wohnung.
2 Ein Musikinstrument der Finnen.
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