schön er's verstand und brachte sie dem Tapio. Tapio
versuchte sie, sagte aber alsbald: »Diese Schneeschuhe
sind nichts für mich!« – Am folgenden Tage
musste Lippo aufs neue hinaus in den Wald an die
Arbeit. Wieder sass die Meise da und sang:
»Tii, tii, ich kleine Meise
Lehre dich die rechte Weise:
Nach unten thu ein Zweiglein spitz,
Ans Ende vorn des Fusses Sitz!«
»Bist du schon wieder da mit deinem Geschwätz?«
rief Lippo zornig und warf ein Holzstückchen nach
dem Vögelchen. Er dachte nicht daran, den Rath der
Meise zu befolgen, sondern schnitzte die Schneeschuhe
nach alter Art und brachte sie dem Tapio. »Das
sind nicht meine Schneeschuhe«, sagte Tapio wieder.
Nun, als Lippo am dritten Tage in den Wald ging und
die Meise wieder ihr Liedlein sang:
»Tii, tii, ich kleine Meise
Lehre dich die rechte Weise:
Nach unten thu ein Zweiglein spitz,
Ans Ende vorn des Fusses Sitz!«
da dachte Lippo: »Gut, ich thue wie du mich heissest;
umsonst wirst du wohl nicht singen.« Er nahm einen
recht ästigen Zweig und befestigte ihn an der schmalen
Rinne unter dem Schneeschuh, und an dem oberen
Ende desselben brachte er den Fussriemen an; dann
zeigte er dem Tapio die Schneeschuhe. »Siehe, das
sind ja meine Schneeschuhe«, sagte Tapio, als er sie
versuchte. »Jetzt darfst du heimwärts ziehen.« Er gab
Lippo das Geleite und sagte: »Ich will vor euch hingleiten,
und ihr sollt meinen Spuren folgen; wo ihr
einen Abdruck meiner Stabspitze findet, da sollt ihr
zur Nacht bleiben; aber baue deine Schlafhütte recht
dicht aus Tannenzweigen, dass nicht des Himmels
Gestirne durchzuscheinen vermögen.« Mit diesen
Worten glitt Tapio vor ihnen dahin; die Zweige unter
seinen Schneeschuhen bezeichneten seine Spur, sodass
Lippo mit Weib und Kind ihr folgen konnte. Erst
gegen Abend sahen sie den Abdruck des Stabes, und
daneben einen gebratenen Hirsch zum Abendessen.
Sie bauten sich eine dichte Hütte aus Tannenzweigen,
bedeckten sie mit einem sehr festen Dach und zogen
den kleinen Schlitten mit dem Kinde hinein; dann legten
sie sich zur Ruhe. Am andern Morgen setzten sie
die Fahrt fort und nahmen ein Stück von dem Hirschbraten
mit auf den Weg. Gegen Abend fanden sie wieder
die Spur des Stabes und ein gebratenes Rennthier
daneben. Wieder bauten sie eine sehr dichte Hütte aus
Tannenzweigen und zogen den Schlitten mit dem
Kinde hinein. Nachdem sie die Nacht geruht, ging es
am Morgen weiter, bis sie am Abend den dritten Abdruck
des Stabes fanden; diesmal lag ein gebratener
Auerhahn zum Abendessen da. »Siehe da! Nun kann
die Heimat nicht mehr fern sein, da man uns nur einen
Auerhahn bietet!« rief Lippo aus. Die Hütte bauten
sie nur ganz durchsichtig und zogen den Schlitten mit
dem Kinde hinein, dann legten sie sich zur Ruhe nieder.
In der Nacht verzogen sich die Wolken, und die
Sterne am Himmel schauten hell durch das Reisig auf
die Schläfer herab, da die Hütte so wenig dicht gebaut
war. Als Lippo am Morgen erwachte, war sein Weib
nirgends zu finden; er trat hinaus vor die Hütte,
schaute umher, aber die Spur von Tapio's Schneeschuhen
war nicht mehr zu sehen. Lippo wusste nicht
wo aus, wo ein, da er keine Spur fand; er setzte sich
mit seinem Kinde vor die Thür seiner Hütte und
schaute vor sich hin; da lief ein Hirsch an ihnen vorüber
und blökte. Sonst war weit und breit nichts zu
sehen, der Abend brach herein, und Lippo blieb
nichts übrig als dort die Nacht zuzubringen. Am Morgen
lag wieder ein gebratener Auerhahn vor der Thür,
und der Hirsch lief blökend vorüber. – Viele Jahre
verbrachte Lippo mit seinem Kinde in derselben
Hütte aus Tannenzweigen; jeden Morgen lag für sie
ein gebratener Auerhahn vor der Thür, und jeden Tag
lief ihnen der Hirsch vorüber. Der Knabe wuchs heran
zu einem klugen, verständigen Jüngling; er bat einst
den Vater, ihm ein langes Rohr zu verfertigen, damit
sie hinausschauen könnten, ob die Heimat noch fern
sei. In seinen Mussestunden machte Lippo das Rohr
und gab es seinem Sohne. Dieser schaute aus und rief
alsbald: »Die Heimat ist ja nicht mehr fern, wir sind
dicht am eignen Feldgrund!« Und richtig, als die Beiden
hinausgingen, waren sie alsbald in der Heimat.
Der Jüngling aber ward der Stammvater der Lappen.
Damit ist die Geschichte aus.
3.
Mikko Mieheläinen.
(Aus Aunus.)
Ein Mann hatte einen Tag lang gejagt und wanderte
nun durch tiefes Dickicht seinem Hause zu. Plötzlich
kam ihm Tapiotar, Tapio's Tochter, entgegen und
sagte: »Wenn du mit mir kommst, will ich dich nicht
tödten; doch folgst du mir nicht willig, so tödte ich
dich auf der Stelle!« Im ersten Schrecken über Tapiotar's
Rede und schlimme Drohung wagte der Mann
nicht sich zu widersetzen und folgte der Tapiotar auf
ihrer Wanderung. Die Beiden gingen lange Zeit durch
den dichten Wald, bis sie nach Tapiola1 kamen, wo
die Tapiotar den Mann in ihr Haus führte und sagte:
»Hier sollst du nach deinem Sinne herrschen, wenn du
mir treu bleibst; doch wirst du mir untreu und versuchst
du von mir zu fliehen, so werde ich dich auf
der Stelle tödten!«
Der Mann, der nirgends eine Hülfe erblickte, ging
auf das Ansinnen der Tapiotar ein und nahm sie zum
Weibe. Sie lebten eine Zeitlang zusammen, da ward
die Tapiotar schwanger und gebar einen Sohn, dem
man den Namen Mikko Mieheläinen gab. Als dieser
heranwuchs, ward aus ihm ein so fester, starker
Mann, wie man es nicht in Versen ausdrücken, in keiner
Predigt aussagen kann.
Einst war das Brod im Hause zu Ende; die Tapiotar
ging aus Nahrung zu suchen und sagte im Fortgehen:
»Während meiner Abwesenheit dürft ihr euch nicht
aus dem Hause wagen, gedenkt daran!« Die Anderen
versprachen daheim zu bleiben; doch kaum war die
Tapiotar aus dem Umkreis des Gehöfts verschwunden,
als Mikko zum Vater herantrat und sagte: »Väterchen,
ich sehne mich danach unser Vaterland zu
sehen; lass uns von hier fortgehen und deine Heimat
aufsuchen.«
»O mein lieber Sohn!« erwiderte der Vater; »auch
mich drängt es mein altes Heim zu schauen; aber
denke an deine Mutter, die uns verboten hat aus der
Stube hinauszutreten.« Mikko liess sich dadurch nicht
irre machen; er redete so lange seinem Vater zu, bis
dieser auf das Vorhaben einging. Nun begaben sich
die Beiden auf die Flucht. Nicht lange danach kam die
Tapiotar von ihrem Jagdzuge heim; als sie niemand in
der Stube sah, errieth sie sofort die Sachlage und eilte
den Flüchtlingen nach.
Bald hatte sie den Mann und ihren Sohn auf dem
Wege eingeholt; sie sprang mit einem Satze vor sie
hin und fragte grimmig: »Wesshalb seid ihr geflüchtet?
habe ich es euch nicht verboten?« Der Mann
ward ganz elend vor Schrecken über diese Anrede, so
dass er nichts erwidern konnte, aber Mikko trat muthig
der Tapiotar entgegen und schrie ihr zu: »Aus
dem Wege!« Darüber ward die Tapiotar so zornig,
dass sie den Sohn mit den Händen packte; doch
Mikko liess sich dieses nicht gefallen, sondern warf
die Frau gegen einen Zaun, dass sie zerschmettert und
zerschunden liegen blieb; danach wanderte er mit seinem
Vater weiter.
Endlich kamen sie in ihr eigenes Land, und der
Vater lebte mit seinem Sohne in der Heimat wie ehedem.
Mikko ward im Laufe der Zeit immer männlicher
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