Graf erklärte es ihm.
„Dafür brauche ich eine Menge Geld,“ sagte Nasini.
„Ich auch. Ich bin sicher, Sie sind in der Lage, das aufzubringen,“ antwortete Graf. „Sie werden für solche Fälle einen Fundus haben.“
„Nicht genug,“ sagte Nasini. „Sie müssen sich an den Kosten beteiligen!“
„Ich beteilige mich bereits an den Kosten, Señor Presidente. Ich denke, das klappt nur, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen.“
Nasini wiegte den Kopf hin und her.
„Sie müssen einen Teil der Kosten übernehmen, Señor Graf!“
„Ich zahle meinen Teil, und Sie den Ihren. Ich bitte Sie jedoch, einmal darüber nachzudenken, ob Ihnen aus Ihrer früheren Tätigkeit Erkenntnisse zur Verfügung stehen, mit denen die Kosten gedrückt werden könnten.“
Nasini sah ihn aufmerksam, aber mit der Ausdruckslosigkeit des Blicks eines Huhnes an.
„Ich werde sehen, was sich machen lässt,“ sagte er.
Zurück im Hotel, ließ Rupert Graf sich Ausgaben der verschiedenen Tageszeitungen auf sein Zimmer bringen.
Sämtliche Blätter hatten die Affäre Garcia auf den Titelseiten.
Die Schlagzeilen reichten von ´Verwicklung des Chefs der PIP in Mordfall?´ über ´Mord - Chef der PIP der Täter?´ zu ´Mordvorwurf gegen Garcia´. Die Artikel ließen sich in Mutmaßungen darüber aus, ob Präsident Maximo Nasini seinen Nachfolger als Chef der Geheimpolizei schützen oder fallenlassen werde.
Rupert Graf konzentrierte sich jedoch weniger auf die Artikel selbst, sondern sah im Impressum der Zeitungen nach, wer die Chefredakteure und die Herausgeber waren.
Dann rief er Ludwig Kinzel an.
Kinzel sagte als erstes:
„Walter hat sich gemeldet. Er hat mit seinem Freund gesprochen. Sie wollen zusehen, dass das mit dem von dir gewünschten Treffen klappt.“
Graf sagte:
„Vergiss es! Das Treffen hat bereits heute früh stattgefunden. Komm sofort her in mein Hotel!“
Kaum, dass Graf aufgelegt hatte, klingelte sein Telefon. Als er abhob und sich meldete, hörte er eine Stimme, die auf Deutsch sagte:
„Was ist denn das für eine Scheiße?! Hier geht gerade über den Ticker, dass da in Ihrem Lieblingsland ein Skandal hochkocht. Irgendein Polizeichef soll in einen Mord verwickelt sein!“
Graf erkannte Norbert Schmeling.
„Ich bin gerade dabei, die Sache in den Griff zu bekommen,“ antwortete Graf.
„Das kann ich Ihnen nur raten!“ rief Schmeling. „So einen Unfug brauche ich jetzt wie ein Loch im Kopf! Haben Sie das Foto vom Nasbohrer gesehen?“
Graf bejahte.
„Prima, nicht wahr? Übermorgen kommt was neues. Deshalb, sehen Sie zu, dass Sie dort Ruhe in die Front bekommen!“
Bevor Graf noch etwas hatte sagen können, war die Leitung unterbrochen.
Kinzel kam nach einer halben Stunde. Er wirkte außer Atem.
Rupert Graf erklärte Ludwig Kinzel, was der im Laufe des Vormittags zu tun hatte.
Enrique Pato freute sich diebisch.
Mit zunehmendem Interesse lauschte er den Telefonaten aus Grafs Hotelzimmer mit den Herausgebern der wichtigsten Tageszeitungen und mit dem Inhaber einer Fernsehstation.
Witzigerweise erhielt eine Reihe von Herrschaften aus der Medienbranche ebenfalls Anrufe aus dem Büro seines Vaters.
Die Anrufe aus Grafs Suite im Oro Verde wurden sämtlich von Ludwig Kinzel geführt, der mit einem nach dem anderen der Angerufenen Termine für persönliche Treffen abstimmte.
Das Gleiche tat Patos Vater, der die Herrschaften in sein Büro bat.
Bei Kinzels Telefonaten ging es um die Platzierung größerer Werbeanzeigen, bei seinem Vater um vertrauliche Informationen, die ausgetauscht werden sollten.
Das versprach, spannend zu werden.
Er beschloss, seinem Vater einen Besuch abzustatten.
Das Büro von Alfredo Pato lag in der Innenstadt Limas, und die Fahrt dorthin dauerte nicht länger als zwanzig Minuten. Einen Parkplatz musste Enrique Pato nicht suchen, weil er sich fahren ließ.
Die Sekretärin, die sein Vater beschäftigte, war schon in den Vierzigern, aber noch recht ansehnlich. Während sie ihn anmeldete, fragte er sich, ob sein Alter mit der Frau bumste. Sein Vater, der während seiner Tätigkeit im Außenministerium zuletzt den Rang des Kanzlers in einer Botschaft bekleidet hatte und sich deshalb damals Minister nennen durfte, ließ sich trotz seines Ausscheiden aus dem Amt vor gut zehn Jahren immer noch als Ministro ansprechen. Dabei war er nicht mehr als ein höherer Angestellter des Ministeriums gewesen.
Auch die Sekretärin sprach ihn mit Señor Ministro an.
Entweder hatte sie tatsächlich nichts mit dem Alten, oder sie war eine glänzende Schauspielerin. Auf alle Fälle war sie zehn Jahre jünger als Patos Mutter und deshalb für den Alten eine junge Frau.
Enrique Pato sah sich um.
Es gab nur das Vorzimmer und das dahinterliegende geräumige Zimmer seines alten Herrn.
Jovial kam sein Vater zu der ledergepolsterten Tür, die sein Büro vom Vorzimmer trennte.
„Welch wunderbare Überraschung, mein Sohn!“ rief er und umarmte Enrique mit einer Herzlichkeit, die ihn verwunderte. „Señora Carmen, haben Sie meinen Sohn Enrique schon kennengelernt? Er ist mein ganzer Stolz! Er bekleidet ein wichtiges Amt direkt bei Präsident Nasini!“
Damit hatte der Alte gleich zweierlei erreicht.
Er hatte eine Familieneinigkeit zur Schau gestellt, die es in Wirklichkeit nicht gab, die aber auf jeden Fall Señora Carmen wissen lassen würde, dass es unangebracht war, ein zu intimes Verhältnis zu ihrem Arbeitgeber erkennen zu lassen, und er hatte es geschafft, Señora Carmen damit zu beeindrucken, dass nicht nur er selbst, sondern auch sein Sohn zum nächsten Umfeld von Nasini gehörten. Wenn der Alte nicht schon mit der Frau vögelte, so überlegte Enrique Pato, hatte diese kleine Szene ihn ihrem Bett einen Schritt näher gebracht!
Wie immer war sein Vater einen Tick zu jugendlich und zu elegant gekleidet, um seriös zu wirken. Zumindest Enrique Pato hätte seinem Vater in seinem Aufzug, schwarze Hose, gelber Blazer, dunkles Hemd mit knallroter Krawatte und zu allem Überfluss auch noch zweifarbige Schuhe, keinen Gebrauchtwagen abgekauft!
Das graue Haar glänzte vor Pomade.
„Welch Freude, dich hier zu begrüßen! Was führt dich hierher, mein Sohn?“ fragte Alfredo Pato, während Señora Carmen Kaffee und eine Schale mit Keksen servierte.
„Ich war gerade in der Nähe und dachte, ich sage mal kurz guten Tag,“ antwortete Enrique Pato. „Und ich wollte mal sehen, wie es dir geht.“
„Ach, die Geschäfte, mein Junge, die Geschäfte halten mich auf Trab. Aber sie halten mich auch jung.“
Enrique Pato sah auf der Platte des Schreibtisches lediglich Tageszeitungen liegen. Er sagte:
„Ich habe mich sehr gefreut, zu sehen, wie herzlich dein Verhältnis zu Präsident Nasini ist. Neulich auf dem Empfang der deutschen Botschaft hat er sich ja fast nur mit dir unterhalten.“
„Ja, ja, der gute Maximo. Ich bewundere ihn aufrichtig, dass er sich ein solch schwieriges Amt hat aufbürden lassen. Aber du weißt ja selbst, mein Junge, wie er ist. Wenn die Pflicht ruft, kann er nicht nein sagen....“
„Was ich dich immer schon mal fragen wollte, Papito“ – er wählte bewusst die Koseform der Anrede – „seid ihr eigentlich bloß befreundet, oder stimmt es, dass es da ein verwandtschaftliches Verhältnis gibt? Ich bin da niemals richtig hintergekommen.“
„Wir sind gute Freunde, richtige Freunde!“ rief Alfredo Pato. „Aber wir sind auch miteinander verwandt, ja. Meine Mutter und sein Großvater waren Cousine und Cousin. Ja, du bist mit dem Präsidenten der Republik verwandt. Was aber viel mehr zählt, ist die Freundschaft. Du weißt, Freunde sucht man sich aus, die Verwandtschaft hat man, ob man will oder nicht!“
Enrique Pato trank einen Schluck Kaffee und fragte so harmlos, wie er konnte:
Читать дальше