„Ich verstehe immer noch nicht. Was hatte Ihre Freundin Roxana mit Garcia zu tun?“
„Sie war seine Mätresse und von ihm auf mich angesetzt,“ sagte Graf gelassen. „Als sie das Verhältnis mit Garcia beendete, ist er ausgerastet. Ich will Sie nicht damit behelligen, was alles er angestellt hat, aber in meinen Augen ist der Kerl nicht ganz bei Trost.“
Alle am Tisch schienen froh über die Unterbrechung, als zwei Kellner kamen und sie mit Brot versorgten.
„Und nun?“ fragte Walter, als sie wieder unter sich waren.
„Ich will mit Nasini sprechen. Diese Geschichte muss aus den Medien herausgenommen werden. Ich wollte Sie bitten, Nasini wissen zu lassen, dass ich hier bin. Schließlich gehören Sie zu seinem Umfeld.“
Walter guckte betroffen.
„Ich fürchte, Rupert, Sie kennen Nasini inzwischen besser als ich. Er hat mich zwar offiziell zu seinem Wirtschaftsberater ernannt, aber seither habe ich ihn nicht mehr gesehen.“
„Bitten Sie Chavez um Hilfe!“
„Das Verhältnis zwischen Chavez und Nasini ist nicht von Herzlichkeit. Ich hatte Ihnen berichtet, dass Nasini ihn in die Zange genommen hat.“
Rupert Graf war sauer. Er war sauer auf Ludwig Kinzel, der, statt wie von Graf gefordert Walter zu bitten, ein Gespräch mit Nasini herbeizuführen, zu einem Abendessen einlud und es Graf selbst überließ, diese Bitte zu äußern. Er war sauer auf Walter Fernandez, der ohne Chavez nichts als ein Waschlappen war und nichts zustande brachte. Außerdem war er müde, er war den ganzen Tag gereist, zuhause war es inzwischen beinahe vier Uhr früh, und er war seit vierundzwanzig Stunden auf den Beinen.
Er sah Walter kalt an. Ebenso kalt sagte er:
„Walter, Sie und Chavez wollen an diesem Geschäft einen Batzen Geld verdienen. Tun Sie etwas dafür! Ich kann gerne auch andere Personen einschalten, die mir ein Treffen mit Nasini arrangieren, wenn Sie sich dazu außerstande sehen. Die Kosten, die mir hierfür entstehen, werde ich von Ihrer Provision abziehen! Für das Geld, das Sie haben wollen, erwarte ich eine Leistung, nicht nur Einladungen zum Essen!“
Das Schweigen am Tisch war betreten.
Außer Graf sahen alle auf ihre leeren Platzteller. Es schien geradezu eine Erlösung, dass die Kellner die Vorspeisen brachten.
„Ich kann Nasini nicht einfach anrufen und ihm sagen, Sie wollten ihn sprechen,“ sagte Walter. „Ich kann sein Büro anrufen, bitten, dass man zurückruft. Mehr kann Chavez auch nicht tun. Wenn wir Glück haben, meldet Nasini sich in den nächsten Tagen. Dann sage ich ihm, dass Sie hier sind.“
„Walter, ich habe nicht unbegrenzt Zeit. Es gibt noch andere Projekte, an denen ich zu arbeiten habe. Ich erwarte, dass Sie für das Geld, dass Sie haben wollen, etwas tun.“
Zum ersten Mal meldete sich Liliana de Fernandez zu Wort:
„Aber die Verträge sind doch unterschrieben!“
„Unterschrieben schon,“ antwortete Graf. „Aber sie werden erst rechtsgültig, wenn die notwendigen Kredite zur Verfügung stehen. Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt. Ohne die Sicherung der Zahlung sind die Verträge völlig wertlos. Und dieser Unfug hier mit Garcia trägt nicht dazu bei, unsere Probleme zu lösen.“
„Ich werde mein bestes tun,“ sagte Walter.
„Tun Sie das!“ antwortete Graf. „Ich will übermorgen wieder nach Hause fahren.“
Als Rupert Graf zwei Stunden später in sein Hotel zurückkam, fand er eine Nachricht vor, nach der er um halb acht zu dem gewünschten Treffen abgeholt würde.
Graf wusste, dass Walter Fernandez am Zustandekommen dieses Termins keinen Anteil gehabt haben konnte. Die Nachricht war entgegengenommen worden, als sie noch mitten beim Abendessen waren.
Das erste, was Präsident Maximo Nasini zu Graf sagte, als er ihn am folgenden Morgen begrüßte, war:
„Ich gebe Ihnen hier eine Nummer, die Sie wählen können, wenn Sie Kontakt zu mir suchen. Dann brauchen Sie nicht mehr die halbe Stadt um Hilfe zu bitten.“
Das klang jovial und locker.
Graf begann schon, sich auf eine entspannte Atmosphäre zu freuen.
Nasini fand jedoch sofort zu dem Rupert Graf bekannten aggressiven Ton zurück:
„Ich nehme an, Sie sind gekommen, um mir zu sagen, dass es Schwierigkeiten mit der Hermesbürgschaft gibt. Ich habe die Artikel aus den deutschen Zeitungen gelesen. Das war nicht sehr ausgewogen. Ich hätte eine freundlichere Berichterstattung aus einem Land erwartet, mit dessen Industrie gerade die größten Aufträge unterschrieben worden sind, die Peru auf Jahre hinaus zu vergeben hat.“
„Unsere Presse lässt sich nicht steuern,“ antwortete Graf. „Dass der Erhalt der Bürgschaft nicht leicht wird, predige ich seit einem Jahr. Es gibt Proteste aus anderen Gläubigerländern, was die Sache für die deutsche Regierung nicht leichter macht. Wir haben dennoch gute Chancen, die Bürgschaft zu bekommen. Vorausgesetzt, dass hier nicht im letzten Moment etwas anbrennt.“
„Was wollen Sie damit sagen?“
„Die Entscheidung über die Bürgschaft wird auch davon beeinflusst, wie es hier mit dem Fall Garcia weitergeht,“ antwortete Graf.
„Was geht dieser Fall die Deutschen an?“ Nasini wirkte ungehalten.
„Im Prinzip nichts. Dem normalen deutschen Bürger ist der Fall Garcia piepegal. Er wird das nicht mal zur Kenntnis nehmen. Das Problem ist, dass Teile der deutschen Presse, die bestimmte politische Kreise unterstützen, den Fall Garcia aufbauschen. Das hat nichts mit Peru zu tun. Das hat zu tun mit deutscher Innenpolitik. In Deutschland ist es schick, gegen alles zu sein, was mit Militär zu tun hat, also auch gegen die Rüstungsindustrie. Ich bitte Sie, nicht zu vergessen, dass unsere Nachbarländer nach zwei Weltkriegen uns Deutsche nicht mit Zuneigung betrachten. Sie haben über die letzten fünfzig Jahre unsere Medien und die öffentliche Meinung erheblich beeinflusst, gerade, was das Militär angeht. Ich bitte Sie ferner, zu bedenken, dass auch Israel erheblichen Einfluss auf die Medien in Deutschland ausübt, nicht nur auf die der USA. Nur, der bei uns ausgeübte Einfluss ist von keinerlei Wohlwollen geprägt, weil man uns Deutsche verabscheut. Der Fall Garcia könnte angesichts der anstehenden Entscheidung zum Politikum in Deutschland werden. In diesem Umfeld muss die deutsche Regierung ihre Entscheidung treffen.“
„Wollen Sie damit sagen, wir haben uns mit Deutschland den falschen Partner für unsere Vorhaben ausgesucht, Señor Graf?“ fragte Nasini ungehalten.
„Keineswegs, Señor Presidente. Schließlich bekommen Sie Produkte allererster Qualität. Und wie ich schon sagte, ich bin zuversichtlich, dass die Bürgschaft gegeben wird.“
„Was stehlen Sie mir dann meine Zeit und schwafeln mir die Ohren voll?“ fragte Nasini ohne jedwede Höflichkeit.
„Ich wollte mit Ihnen Überlegungen anstellen, wie wir den Fall Garcia dem Interesse der öffentlichen Berichterstattung entziehen.“
„Auch in Peru ist die Presse keineswegs gesteuert,“ sagte Nasini spitz.
Rupert Graf hatte dazu zwar eine andere Meinung, behielt diese aber tunlichst für sich.
„Darf ich fragen, wie Sie den Fall Garcia zu behandeln gedenken?“ fragte Graf.
„Fragen Sie aus beruflichem Interesse, oder weil Sie neben seiner Mätresse auch seine Frau vögeln?“ fragte Nasini schroff zurück.
„Aus rein beruflichem Interesse, Señor Presidente,“ sagte Graf und sah Nasini in die Augen. Nasini hielt Grafs Blick drei, vier Sekunden stand.
„Gut, Señor Graf. Auch mir passt es nicht, dass ein Offizier, den ich soeben in eine wichtige Position gebracht habe, einem öffentlichen Skandal preisgegeben wird.“
Rupert Graf fiel auf, dass Nasini seine Frage nicht beantwortet hatte. Deshalb blieb er stumm.
Nasini war es, der das Schweigen brach:
„Was schlagen Sie vor?“
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