Rupert Graf fand dies alles andere als ersprießlich.
Er rief Roxanas Handynummer an und wurde gebeten, eine Nachricht zu hinterlassen. Er hinterließ, dass er später noch einmal anrufen würde.
Über den Bildschirm flimmerten weiterhin Bilder, die den Polizeigeneral Carlos Garcia zeigten. Er sah Bilder des jungen Garcia, Bilder des älter gewordenen Garcia, immer pausbäckig, immer frech in die Kamera guckend.
Während Rupert Graf sich seine Krawatte umband, hörte er nur mit einem Ohr auf die Ausführungen des Sprechers. Plötzlich stutzte er. Soeben war gesagt worden:
„Nach unbestätigten Aussagen hat sich die Frau von General Garcia, Rosita Menaca de Garcia, vor kurzem von ihrem Mann getrennt. Frau Rosita de Garcia steht für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.“
Auf dem Bildschirm wurde ein Bild Garcias mit einer neben ihm stehenden Frau gezeigt.
Rupert Graf durchlief es heiß.
Das war die Rosita, mit der er vor wenigen Tagen in diesem Zimmer im Bett gelegen hatte!
Jetzt wurde er sehr nachdenklich.
Sollte er unbewusst durch seine Liebschaften das Geschäft in letzter Minute in Gefahr gebracht haben?
Von Roxanas Verhältnis zu Garcia hatte er erst erfahren, nachdem er schon mit ihr geschlafen hatte. Dass Rosita mit Garcia verheiratet war, hatte er gerade erst gehört! Gut, er hatte auch Liliana beschlafen, aber das war lediglich die Annahme einer Einladung gewesen. Und Garcia hatte er von Anfang an nicht ernst nehmen können!
Der Sprecher stellte soeben Mutmaßungen darüber an, ob General Garcia tatsächlich in den Mordfall Martinez verwickelt sein könnte. Das beharrliche Schweigen der Polizeibehörden sei verwunderlich, ebenso wie die Tatsache, dass der höchste Polizeibeamte des Landes nur wegen des Überfalls auf Roxana T. in Haft behalten würde.
Rupert Graf musste Kontakt zu Präsident Nasini aufnehmen.
Er fragte sich, wen er dazu um Hilfe bitten könnte. Er selbst konnte ja schlecht im Präsidentenpalast anrufen und um eine Audienz nachfragen!
Er rief Ludwig Kinzel auf dessen Handy an. Der sollte sich darum kümmern.
Kinzel war ratlos.
Graf sagte ihm:
„Ruf Walter an. Wenn Walter nicht imstande ist, ein Treffen zu arrangieren, soll er mit Chavez sprechen. Irgendwer wird doch wohl in der Lage sein, mit Nasini zu reden!“
Tatsächlich war es Enrique Pato, der das Treffen mit Nasini herbeiführte.
Pato war gegen siebzehn Uhr zu Nasini gerufen worden.
Wiederum war Nasini in dem Besprechungszimmer auf und ab gelaufen.
Als erstes führte Enrique Pato das Video mit Garcias Verhör durch Capitan Pirri vor.
„Was für eine Knalltüte!“ sagte Nasini nur.
Enrique Pato zitierte dann aus dem Protokoll über das Treffen mit Untersuchungsrichter Guetierrez.
„So ein Idiot!“ sagte Nasini, wobei offen blieb, ob er Guetierrez oder Garcia meinte. „Wer hat dem Arsch das Band aus dem Haus der Torreblanca gegeben? Warst du das?“
„Er hat kein Band. Das mit dem Band war reiner Bluff,“ antwortete Pato.
Nasini sah ihn misstrauisch an.
„Da ist der doch nicht von allein drauf gekommen! Das kann mir keiner erzählen!“
„Was weiß ich, wie viele andere Personen in der PIP wissen, dass die Hütte von der Torreblanca überwacht wird?“ antwortete Pato leichtmütig. „Ich schätze, mindestens zehn Personen. Wahrscheinlich hat Guetierrez nur einen Hinweis auf die Existenz einer Tonbandaufnahme bekommen. Und du darfst nicht vergessen, dass Garcia in den wenigen Wochen, seit er die PIP leitet, keine Gelegenheit ausgelassen hat, sich unbeliebt zu machen.“
„Das sieht dem Arschloch ähnlich!“ sagte Nasini.
„Graf ist in der Stadt,“ sagte Pato, um das Thema zu wechseln. „Er will mit dir sprechen.“
„Woher weißt du das?“ Die Frage kam wie aus der Pistole geschossen.
„Nun, sein Büro hat über Kinzel sein Hotelzimmer reservieren lassen. Du weißt, dass ich sein Zimmer abhören lasse. Er hat Kinzel aufgefordert, dich wissen zu lassen, dass er hier ist und dich sprechen möchte. Wahrscheinlich wirst du noch von Fernandez oder Chavez deshalb angerufen.“
„Ich will ihn auch sprechen. Kannst du das arrangieren?“
„Klar. Wann?“
„Morgen früh. Um acht, hier.“
„Mache ich. Was geschieht jetzt mit Garcia?“
„Das regle ich selbst!“
Durch eine Handbewegung gab Nasini zu verstehen, allein gelassen werden zu wollen.
Während Enrique Pato durch die Gänge des Palastes zurück in den Innenhof zu seinem Wagen ging, musste er an das Gespräch denken, das Nasini am Vormittag mit seinem Vater geführt hatte.
„Alfredo, wir müssen uns sehen. Es gibt ein Problem,“ hatte Nasini gesagt.
Enrique Pato hoffte, seinem Vater nicht zu begegnen. Das Treffen mit Nasini war für genau jetzt verabredet.
Gerade, als er in seinen Wagen gestiegen war, sah er das Auto seines Vaters, einen zehn Jahre alten schwarzen Mercedes-Benz, auf den Parkplatz fahren.
Rupert Graf saß mit Ludwig Kinzel und dessen Frau Karin im Restaurant Costa Verde, wo sie auf die Eheleute Fernandez warteten.
Kinzel hatte das Treffen kurzfristig arrangiert.
Als Walter und Liliana mit halbstündiger Verspätung eintrafen, war die Begrüßung verhalten herzlich.
Walter machte aus seiner Verwunderung darüber, dass Graf so plötzlich angereist war, keinen Hehl. Nur Liliana de Fernandez schien sich über die plötzliche Einladung zu freuen.
Nachdem sie ihre Bestellungen aufgegeben hatten, fragte Walter:
„Was treibt Sie her, Rupert?“
„Ihre Zeitungsmeldungen,“ antwortete Graf knapp.
„Sie meinen die Geschichte mit Garcia? Was hat das mit Ihnen oder mit unserem Geschäft zu tun?“
Graf wartete, bis einer der Ober die Wassergläser gefüllt hatte und sich wieder verzog.
„Einen solchen Skandal können wir jetzt nicht brauchen,“ antwortete er.
Walter schien verwundert.
„Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Garcia, das ist doch der Bursche, der uns zu Anfang mal hinterhergestiefelt ist. Jetzt ist er Chef der PIP und hat Theater mit seiner Freundin. Das hat doch nichts mit uns zu tun. Ich verstehe das nicht.“
„Um das Geschäft in Kraft zu setzen, benötigen wir die Unterstützung der deutschen Regierung. Peru Geld zu geben, zusätzlich zu der bereits aus den Ländern der Europäischen Gemeinschaft gewährten Entwicklungshilfe, ist ohnehin kritisch. Wenn dieses Geld für den Kauf von Waffen ausgegeben werden soll, wird es besonders schwierig. Trotzdem bin ich zuversichtlich, dass es uns gelingt. Wenn aber jetzt ein Skandal wie der um Garcia hochkommt, werden die Kritiker des Geschäftes aufheulen und sagen, seht, was für ein Land das ist, dessen oberster Polizeichef ungestraft über eine junge Frau herfallen kann!“
„Wieso ungestraft? Er ist doch in Haft!“
„Wie lange glauben Sie, wird Nasini ihn in Haft lassen? Noch einen Tag, höchstens zwei Tage.“
Ein Kellner kam und entkorkte den Wein. Er ließ Kinzel probieren, der nur nickte. Als alle fünf Gläser gefüllt waren, war die Flasche leer. Kinzel bestellte eine weitere Flasche.
„Sie glauben, Garcia kommt frei?“ fragte Walter.
„Ich bin bereit, eine Wette darauf einzugehen!“ sagte Graf. „Der Vorwurf, dass er Roxana angefallen hat, wird nicht ausreichen, ihn in Haft zu lassen.“
„Roxana? Ist das dieselbe Roxana, die Sie mal mit zum Essen gebracht haben?“ Walter schien verwundert, dass er jemanden kennen sollte, dessen Name negative Schlagzeilen, wenn auch nur als Opfer, machte.
„Genau diese Roxana!“ antwortete Graf. „Und das gibt dem ganzen eine andere Dimension. Durch Ihre Medien geht, dass Garcia ebenfalls verhört wird im Zusammenhang mit dem Tod von Ludwigs Fahrer. Der wurde genau an dem Tag getötet, als Roxana mit uns gemeinsam im Golfclub war. Komisch, nicht wahr?“
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