„Das willst auch du nicht wirklich wissen!“ antwortete Rupert Graf.
Auch Liliana de Fernandez las in den Zeitungen die Berichte über die Unterschrift der Verträge.
Sie war verärgert, dass Rupert Graf trotz seiner wiederholten Besuche in Lima keinen Versuch gemacht hatte, sie wiederzusehen. Klar, sie hatten sich bei verschiedenen Gelegenheiten getroffen, aber immer war Walter dabei oder Ludwig Kinzel. Sie hatte immer gehofft, dass Rupert bei einem seiner Aufenthalte, von denen sie ja dank Walter wusste, sie einmal angerufen und um ein Treffen gebeten hätte.
Trotz ihres Ärgers wäre sie sofort zu ihm gefahren, wenn er sich nur gemeldet hätte!
Lilianas Ärger wurde nur gemildert durch die Annahme, dass Rupert Graf den Kontakt zu ihr aus Fürsorge abgebrochen hatte. Inzwischen war Liliana aufgegangen, dass sie nicht ungehört mit Rupert sprechen oder ihn ungesehen von Dritten würde treffen können. Rupert würde genauso großes Verlangen nach ihr haben wie sie nach ihm, aber er hielt sich zurück, um sie und ihre Ehe mit Walter nicht zu gefährden. Trotzdem blieb ein Rest von Verärgerung. Wäre sein Verlangen groß genug, würde er Wege finden oder zumindest suchen, um mit ihr zusammen sein zu können.
Liliana de Fernandez dachte immer noch mit Wehmut an die Nacht mit Rupert und Roxana, aber sie dachte voller Erregung an das kurze Zusammensein mit ihm in seinem Hotelzimmer.
Aber jetzt waren die Verträge unterschrieben, und es gab keinen Grund mehr für Rupert, sich von ihr fernzuhalten.
Liliana de Fernandez wusste, dass Rupert Graf im Hotel Oro Verde wohnte. Sie suchte die Nummer des Hotels aus dem Telefonbuch. Bevor sie wählte, ließ sie sich noch einmal ganz genau durch den Kopf gehen, was sie zu Rupert sagen wollte, ohne dass es kompromittierend sein könnte.
Weder Roxana Torreblanca noch Liliana de Fernandez erreichten Rupert Graf im Hotel.
Roxana hinterließ eine Nachricht, in der sie um Grafs Rückruf bat.
Liliana de Fernandez legte enttäuscht auf.
General Carlos Garcia hatte einen jungen Mitarbeiter darauf angesetzt, die Telefongespräche Grafs und der anderen an dem Geschäft Beteiligten weiterhin abzuhören. Er wusste zwar, dass dies eigentlich Aufgabe Enrique Patos war, aber dem traute er nicht über den Weg. Seit Präsident Nasini ihn als Verbindungsmann zwischen PIP und Präsidentenpalast eingesetzt hatte, machte Garcia einen großen Bogen um Pato. Ursprünglich hatte er beabsichtigt, Pato zur Rede zu stellen, ihn zu drangsalieren und aus der Geheimpolizei herauszudrängen. Aber nachdem Pato so offensichtlich eine Vertrauensposition bei Nasini genoss, hatte er sich nicht getraut.
Kurz vor Verlassen seines Büros wurde ihm noch eine Tonbandabschrift im Hotel für Graf eingegangenen Anrufe gebracht. Widerwillig, denn Garcia war in Eile, überflog er die Liste der Gespräche. Der Anruf Roxanas ärgerte ihn maßlos. Dieses Flittchen versuchte weiterhin, Kontakt zu Graf zu halten!
Der würde er noch zeigen, wo die Glocken hingen! Auch wenn die Eltern und der verdammte Bruder, der ihm nichts als Ärger eingebracht hatte, begnadigt worden waren, Roxana würde ihm nicht entgehen! Er wusste noch nicht, wie er vorgehen wollte. Ein paar Gramm Kokain in ihre Taschen geschoben, und eine spektakuläre Verhaftung, oder lieber die Anwendung von Gewalt, vielleicht eine kleine Verstümmelung. Carlos Garcia überlegte noch, und er überlegte schon seit Wochen. Manchmal träumte er nachts davon, wie er Roxana fertig machte, aber in seinen Träumen war das alles viel wirkungsvoller als am nächsten Morgen bei nüchternem Nachdenken. In seinen Träumen trat er als Rächer seiner Ehre auf, der sich im letzten Moment als überaus großzügig erwies, und in seinen Träumen war Roxana jedes mal dahingeschmolzen und ihm hingebungsvoll in die Arme gesunken.
Tatsächlich wollte dieses Flittchen jedoch nichts anderes, als sich Rupert Graf in die Arme zu werfen!
Vor sich selbst erklärte Carlos Garcia sein Zögern damit, dass Präsident Nasini ihn aufgefordert hatte, Roxana in Ruhe zu lassen.
Graf war ebenfalls unangreifbar geworden. Nasini hatte keinen Hehl daraus gemacht, mehrmals mit Graf gesprochen zu haben, und Nasinis Anwesenheit bei der gestrigen Vertragsunterschrift hatte aller Öffentlichkeit gezeigt, dass er hinter dem Geschäft stand. Ihm selbst war es nicht gelungen, Graf Fehlverhalten nachzuweisen und Graf zu erpressen. Andererseits hatte Nasini Garcia ins Vertrauen gezogen und die Aufgabe übertragen, Gelder, die Nasini erwartete, zu verschieben, und als Gegenleistung hatte Nasini ihm einen Betrag von zweihunderttausend Dollar versprochen. Das war zwar nichts im Vergleich zu dem, was er ursprünglich hatte für sich kassieren wollen, aber besser als nichts.
Über eines machte er sich keinerlei Illusionen: Nasini hatte ihn in der Hand. Und Nasini würde nicht den Bruchteil einer Sekunde zögern, ihn fallen zu lassen, wenn es ihm passte. Den Vorwurf des Landesverrates wiederbelebt zu sehen war da noch das kleinere Übel. Schlimmer war die Existenz der Fotos von dem Attentat auf Scaloni.
Der neue Job bot ihm neue Chancen. Was hier alles an Informationen zusammenlief, wer wen schmierte, auch bei inländischen Geschäften, war hochinteressant. Carlos Gracia hatte bereits ganz konkrete Vorstellungen, wen er vorladen, mit gewonnenen Erkenntnissen konfrontieren und wie er sich seine Verschwiegenheit in zähen Verhandlungen abkaufen lassen würde.
Ärgerlich war nur die Vermutung, dass Nasini dank Enrique Patos einen ähnlichen Wissensstand haben würde. Pato musste zu allen internen Konferenzen mit Garcias Mitarbeitern hinzugezogen werden, und Pato berichtete direkt an Präsident Nasini.
Er musste versuchen, Pato loszuwerden. Es müsste möglich sein, das Vertrauensverhältnis zwischen Nasini und Pato zu beeinträchtigen, wenn nicht, zu zerstören.
Auf der Heimfahrt von seinem Büro im Fond seines Wagens grübelte General Carlos Garcia darüber nach, wie er Enrique Pato in den Augen Nasinis diskreditieren könnte.
In seinem Kopf formte sich langsam eine Idee.
Aber jetzt musste er nach Hause, um sich umzuziehen, und um mit seiner Frau zum Empfang des deutschen Botschafters im Club Aleman zu gehen.
Seine neue Position ermöglichte ihm nun ebenfalls die Teilnahme an derartigen Veranstaltungen.
General Carlos Garcia hoffte inbrünstig, bei dem Empfang auf Rupert Graf zu treffen. Er würde in Uniform dorthin gehen, und Graf würde ihn in nicht übersehen können!
Der Empfang aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit war in den Deutschen Club verlegt worden, weil dermaßen viele Gäste ihre Teilnahme zugesagt hatten, dass weder das Grundstück der Residenz des Botschafters noch das der Botschaft genügend Platz geboten hätten.
Auf den Liegewiesen um das Schwimmbecken waren Stehtische aufgebaut, das Buffet befand sich in unmittelbarer Nähe des Clubhauses. Mitten in dem Fünfundzwanzigmeterbecken schwamm ein riesiges Blumenbouqet, wobei die Blumen die Farben der Deutschen Flagge wiederzugeben schienen. Gelbe und rote Rosen zu finden, war kein Problem. Da es keine schwarzen Rosen gibt, hatte man welche in einem tiefen Rotton gewählt, der im Dunkeln schwarz wirkte, so dass der Strauß in Schwarz-Rot-Gold auf dem Wasser dümpelte.
Die Sicherheitsvorkehrungen waren eindrucksvoll.
Nur Gäste, die ihre Einladungskarte und die Kopie ihrer Zusage vorweisen konnten, wurden eingelassen. Jeder Gast musste einen Metalldetektor passieren, bevor er auf das Gelände des Clubs gelassen wurde. Dies führte zu einigen Problemen bei eingeladenen Militärs, deren Ordensspangen die Metalldetektoren zu aufgeregtem Piepen brachten. Aber auch der Schmuck der Damen führte dazu, dass in aufgebauten Kabinen eine genauere Überprüfung vorgenommen wurde.
Es gab zwei Ketten von Sicherheitsbeamten: Zunächst die Mitarbeiter der PIP, die die Einladungskarten kontrollierten und die Identität der Eingeladenen anhand derer Ausweise überprüften, und eine Handvoll Beamte des deutschen Bundesgrenzschutzes, denen die Handhabung der Geräte und die Personenüberprüfung oblag. Sämtliche Gäste unterzogen sich der Kontrolle, selbst die Mitglieder des Regierungskabinetts, manche mit ironischen Bemerkungen. Präsident Maximo Nasini als Ehrengast trat demonstrativ geradewegs in eine der Kabinen. Damit war allen klar, dass diese Überprüfung ihrer eigenen Sicherheit diente. Die Leibwächter Nasinis mit ihren Schusswaffen wurden ohne weiteres durchgelassen.
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