„Oh nein, unsere beiden herzigen Töchter,“ entfährt mir.
„Tja, darauf solltet ihr euch einstellen, Robert. Es wäre dumm, das nicht zu tun,“ legt Corinna nach.
Sofort rast meine Phantasie los. Janina oder Samira – von einem der Ekel-Kerle festgehalten; während ein anderer ihr die Haare abschneidet und die Kleider vom schlanken Körper reißt. Rastlos aufspüren würde ich die Fieslinge. Erst mit einem Nussknacker ihre Eier zermatschen, sie dann mit einem Elektro-Schleifer auf Stecknadelkopfgröße bringen; bedenkenlos. Nehmt ’s leicht Leute; ihr wolltet unbedingt euren Spaß haben; jetzt habe ich meinen.
Mahina, die dicht neben mir steht, zeigt ein kleines, wissendes Lächeln, nickt kaum merklich mit dem Kopf.
„No big deal,“ befindet sie staubtrocken. „Wer die Mädchen oder Mona körperlich angreift, stirbt. End of discussion.”
Mann, ich liebe und fürchte diese Frau.
Corinna rollt missbilligend die Augen, will wohl laut werden, sagt dann jedoch beinahe vorsichtig:
„Mahina, bitte.“
Die bleibt ungerührt.
„Keine Drohung, nur die nackte Tatsache.“
Darauf die Hauptkommissarin hörbar gereizt:
„Vorsicht, meine Liebe! Keine Selbstjustiz! Das ist strafbar. Mach dich nicht unglücklich.“
So gut kennt Corinna meine Hawaii-Frau dann doch nicht. Die meint, was sie sagt. Und tut es.
„Corinna, get this right. Verdreh nicht die Wirklichkeit. Die Gangster machen Selbstjustiz. Ich stoppe sie nur effektiv. Deine Polizei kann nicht überall sein. Oder?“
Mahina mit ihrem Hang, Sachverhalte ungeschönt darzustellen.
Trotz freundlichen Oktoberwetters; im Parkhaus droht ein Wintereinbruch. Corinna und Mahina im Zweikampf unvereinbarer Standpunkte, bekräftigt durch harte Blicke. Mir kriecht es kalt über den Rücken.
„Das ist doch Blödsinn,“ geht Mona dazwischen. „Ihr redet, als ob der Dachstuhl brennt.“
In ihrer Erregung entgeht ihr vermutlich, was Mahina mir wortlos zu verstehen gibt. Die legt ihren angewinkelten Arm kumpelhaft auf meine Schulter. Ihr ruhiger Blick bestätigt, meine Gedanken eben zum Gebrauch von Nussknackern hat sie mitbekommen. Obendrein weiß Mahina, wenn es sein muss, übertreffe ich Corinna an Unerbittlichkeit. Die erbarmungslosen Erfahrungen in San Francisco haben meine Umsicht erhöht, zugleich meine Hemmschwelle für Gewaltanwendung gesenkt. Insbesondere gegenüber Tätern, die wehrlose Unbeteiligte – am niederträchtigsten: Kinder und Jugendliche – als Geiseln nehmen oder gezielt angreifen, um Angehörige zu erpressen oder zu bestrafen.
„Noch nicht, Mädchen,“ belehrt Corinna ihre Tochter. „Aber die Funken sprühen schon. Eben, als ihr Kaffee holen wart, hat mir Janina etwas Wichtiges mitgeteilt. Heute Vormittag hat das rote Motorrad dort in der Nähe eures Wohnblocks in Steinbach geparkt. Mit der Beschreibung, die Janina gegeben hat, klingt ihre Beobachtung glaubhaft. Ich fürchte, der Ärger geht erst richtig los.“
„Oh, das wusste ich nicht,“ überlegt Mona laut, „Also, schon vor dem Überfall sind wir beschattet worden. Ich hab ’s doch gewusst, als sie kamen; die hatten es auf uns abgesehen.“
„Und weiter?,“ hakt Corinna nach.
„Was weiter?“
„Mona! Die wollten hier nicht aus Langeweile rumpöbeln, haben euch vorab ausgekundschaftet ...“
„Und wissen jetzt wahrscheinlich, wo wir wohnen ...,“ werfe ich ein.
„Kapiert,“ unterbricht Mona mich. „Nur, aus welchem Grund?“
„Weiter gefragt: Tun die das von sich aus?,“ biete ich an. „Oder hat sie ein Anderer beauftragt?“
Mona schaut mich an, als rede ich Bantunesisch.
„Es gibt einen Auftrag,“ erklärt Mahina. „Ich bin sicher.“
Worauf Mona ihr den gleichen verständnislosen Blick zuwirft.
„Wirklich? Du meinst ...? Okay, denkbar,“ überlegt sie laut. „Juckt mich nicht. Ich habe im ganzen Leben noch nicht mit Rockern zu tun gehabt. Du, Mahina? Vielleicht wegen deiner Harley?“
„Mich als Mitglied bei denen machen? Thank you very much.“
„Oder geschäftlich? Keine Ahnung.“
„No; für Werkstatt-Service fahre ich in die Hanauer-Landstraße, und die ist absolut clean. Da war ich bloß einmal gleich am Anfang.“
„Für mich steht fest,“ sagt Corinna, „es muss einen Grund geben. Was ist? Robert, Du, sogenanntes Familienoberhaupt; hast Du etwas angestellt, was auf euch zurückfällt?“
„Nichts dergleichen, Herzblatt. Nur etwas ist merkwürdig. Mahina und ich haben diesen Carlo gefragt – der mit dem gebrochenen Arm –, wer sie losgeschickt hat. Er hat geflucht und dann getönt, wir sollten den ,Rotfuchs’ fragen. Ich schätze, damit meint er dich, Mona.“
„Mich?,“ tritt sie erschrocken einen kleinen Schritt zurück. „Wieso mich? Heißt das ...? Meint der Drecksack, dass ich etwas darüber wüsste? ... Oder damit zu tun hätte? Moment mal! Die greifen uns an und ich soll ...?! Völliger Blödsinn! Ich kenne keinen der Typen.“
Ich ziehe sie seitlich an mich.
„Bleib gelassen, Mona-Schatz. Der Kerl war voll im Stress; hat das sicher frei erfunden, aus Wut. Oder als Revanche. Weil Du den Blondkopf umgehauen hast. Oder ihm fiel nichts Besseres ein; was weiß ich.“
„My Man, Bear,“ stellt Mahina ruhig fest. „Das war gezielt gegen Mona.“
„Gegen mich?,“ kreischt die. „Sag mal, geht ’s noch?“
„Sorry, Sweetheart, ich weiß, was ich sage,“ stellt Mahina gelassen klar. „Ich glaube, was er gesagt hat. Du bist der Auftrag für alle vier. Carlo weiß, wer ihn und seine Gang geschickt hat. Aber nicht viel mehr. Hat keine Idee, wofür; was der Hintergrund ist.“
Mona schaut uns betroffen – oder verunsichert – an. Wenn Mahina eine derart schwerwiegende Feststellung trifft, – auch wenn es noch keine einleuchtende Erklärung gibt – ist es besser, sich damit zu befassen. Mona greift sich ans Kinn, tippt mit dem Zeigefinger unter die Nase. Schüttelt, als wir sie abwartend ansehen, nachdenklich den Kopf.
„Leute, ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ich zu der Ehre komme.“
„Zumindest passt es zum Tathergang,“ bemerkt ihre Mutter. „Dass der blonde Rocker dich am übelsten beschimpft und bedroht hat, war Absicht. Erscheint mir nicht mehr wie ein Zufall.“
„Stimmt, so gesehen. Aber auch das hilft mir nicht weiter. Ich weiß immer noch nicht, wieso ausgerechnet mir das galt.“
Ich drücke Mona nochmals an mich.
„Ist gut, Schatz. Das bringt jetzt nichts. Vielleicht fällt dir später irgendetwas ein, was in den vergangenen Wochen war. Ein kleiner Anlass, bei dem dir einer etwas übel genommen hat. Irgendwas muss es ja geben. Sonst wären die Rowdys nicht planmäßig angerollt.“
Mona bekommt feuchte Augen, blinzelt, braust auf.
„Ich lasse mir doch von diesen Arschlöchern keine Schuld einreden. Weil der Typ so einen Schwachsinn behauptet. Die haben uns angegriffen. Und ihr, wagt ja nicht, mir jetzt mit Schuster zu kommen. Den hat die ,Rache-Hexe’ erschossen, bevor Berkamp sie umgenietet hat. Und das ist drei Monate her.“
Corinna besänftigt:
„Hey, völlig einverstanden, Mona. Von Schuster und seinem heimlichen Freundeskreis ist nichts mehr übrig.“
Obwohl er es war, der im vorigen August um sich geschossen hat; ein paar Kumpels in den Reihen der Polizei hielten unbeirrt zu ihm. Wahrscheinlich hat einer davon ihn Tage später vor der drohenden Festnahme gewarnt. Der entzog Schuster sich aus dem Krankenhaus heraus.
„Okay, folks, machen wir fertig für heute,“ schlägt Mahina vor. „Janina und Samira haben genug gewartet. Wir trainieren weiter „Ba-Gua“, Mona und Bear gehen immer mit Kanone. Und Du, Corinna, check bitte Hintergrund von alle vier Assholes. Wenn Du Probleme findest, ruf an, gib uns Information.“
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