Sie war, ist und bleibt eine der schillerndsten Metropolen dieses Planeten, die einem den Atem rauben wird, dass einem die Spuke wegbleibt.
Daher ist es auch gut möglich, dass man als Mensch hinein geht – und als überzeugter Angelenos wieder herauskommt.
Und so ergab es sich, dass sich auch hier Tausende von Scheinwerferaugen ihren Weg durch die Dämmerung des frühen Abends gen Osten blinzelten, weil der Hollywood Freeway vollgestopft war mit einer kilometerlangen Blechlawine.
Und wie schon einmal war ein Wagen darunter, der an einen Ort gelenkt wurde, wo sein Fahrer etwas zu tun beabsichtigte, das sich wohl doch sehr deutlich von dem unterschied, was der Normalbürger in diesen Minuten vorhatte...
Er war noch niemals zuvor in Los Angeles gewesen. Und sein erster Besuch war alles andere als eine Lustreise.
Da er keine Zeit zu verlieren hatte, hatte er sich ohne Verzögerung am Flughafen einen Mietwagen besorgt und war losgefahren.
Er hatte keine Ahnung, wo er hinmusste, doch das Navigationsgerät, dem er die Adresse eingab, die er sich besorgt hatte, führte ihn sicher an sein Ziel.
Dort jedoch wurde ihm von einer netten, freundlichen und ziemlich hübschen Assistentin namens Karen mitgeteilt, dass seine Zielperson nicht da sei. Auf sein Drängen hin sperrte sie sich zunächst beharrlich, ihm die gewünschte Information zu geben, doch hatte er in all den Jahren, in denen er diesen Job machte, Mittel und Wege kennengelernt, sie ihr doch noch zu entlocken.
Zufrieden setzte er sich wieder in den Mietwagen, gab sein neues Ziel in das Navigationsgerät ein und folgte dessen Anweisungen.
Er wusste gerade noch, dass er nach San Fernando musste und hätte sich sicher ohne Hilfe heillos verfranzt.
So aber nahm er die richtige Ausfahrt und gelangte auf direktem Wege in den verträumten Stadtteil mit seinen herrlich gelegenen Einfamilienbungalows, die es auch auf der Orange Grove Avenue gab.
Er fuhr die Straße einmal hinauf und dann wieder hinunter, bis er sicher war, einen geeigneten Parkplatz gefunden zu haben, von dem aus er das gesamte Gelände – auch in der schnell fortschreitenden Dunkelheit - gut überblicken konnte.
Seine Zielperson hatte er bisher zwar noch nicht gesichtet, doch er war sehr sicher, dass sie hier anwesend war und er sie früher oder später erkennen würde.
Und wenn das passieren würde, dann würde die alte Zeitrechnung aufhören und sich ihrer beider Leben, sowie das von einigen anderen Menschen grundlegend ändern.
Doch obwohl er wusste, dass er hier genau das Richtige tat, hatte er eine gottverdammte Scheißangst vor dem, was dann kommen würde.
*
Haus Nummer 77 war dunkel, seine Bewohner offensichtlich nicht zuhause. Vor der großen, geräumigen und geöffneten Doppelgarage stand kein Auto, alles war ruhig auf dem Grundstück.
Also genau das, was die vermummte Gestalt brauchte, um einen sauberen, schnellen, aber vor allem erfolgreichen Einbruch zu landen.
Diese Gegend hier war geradezu perfekt dafür geeignet. Überall, wo man hinsah, konnte man den Geruch von Geld und Wohlstand riechen. Sicher, es gab hier keine Reichtümer zu ernten, doch dafür war das Risiko auch deutlich geringer, als ein Einbruch zum Beispiel in eine Bank oder in eine der Villen der Superreichen.
Dennoch war diese Gegend ein lohnendes Ziel. In vielen der herrlich gelegenen, blitzsauberen Häusern mit ihren Doppelgaragen, ihrem gepflegten und gehegten Rasenflächen, dem obligatorischen Swimmingpool hinter dem Haupthaus und hier und da einem kleinen, bescheidenen Pool-oder Gästehaus wohnten Ärzte, Börsenmakler, Ingenieure oder Anwälte.
Und alle diese Herrschaften hatten eine kleine, aber doch bedeutungsvolle Eigenschaft - oder eher Marotte - an sich. Sie alle gaben – wie Millionen andere sicherlich auch - nur einen Teil ihres tatsächlichen Einkommens offiziell bekannt. Den anderen Teil schleusten sie am Finanzamt vorbei, doch nicht alles davon landete auf geheimen Konten irgendwo auf der Welt. Ein gewisser Teil – im Normalfall einige tausend Dollar – lag als Bargeld in heimischen Tresoren oder sonstigen Behältnissen. Damit war sichergestellt, dass man immer flüssig war und nichts den Anschein erweckte, man könne nicht, wie man wollte und müsse erst zur Bank fahren.
Die Sicherheitsvorkehrungen, die zum Schutz dieses Geldes vorhanden waren, waren teilweise gar nicht mal schlecht, doch für sie als Profi kein wirkliches Hindernis. Zusammen mit einem guten Informanten, den sie entsprechend am Erlös fair und gerecht beteiligte, hatte die Gestalt ständig gut zu tun und sich bereits ein schönes finanzielles Polster geschaffen, das es ihr erlauben würde, sich in drei – maximal fünf - Jahren zurückzuziehen und den Rest ihres Lebens in einem Land mit nichts außer Sonne, Strand, Meer – und bildschönen, erschwinglichen, kakaobraunen Körpern zu verbringen.
Der Gedanke daran brachte der Gestalt ein breites Grinsen auf die Lippen - das man jedoch unter der schwarzen Gesichtsmaske nicht sehen konnte – noch verstärkt durch die Tatsache, dass ihr dieser Job hier diesem Ziel ein gutes Stück näher bringen würde.
Denn in Haus Nummer 77 wohnte ein Anwalt, der nebenbei Geschäfte für die Mafia abwickelte, was ihm ein ordentliches Zweiteinkommen bescherte.
Von ihrem Informanten wusste die Gestalt, dass der Kerl gerade gestern erst bezahlt worden war – in einer höheren fünfstelligen Größenordnung! – und das sich dieses Geld noch immer hier im Haus in einem Tresor befand.
Oder besser doch befunden hatte, denn gerade in diesem Moment konnte sie den Safe öffnen und auf die Bündel von Geldscheinen schauen, die sich darin auftürmten.
Nachdem sie kurz erfreut und zufrieden durchgeatmet hatte, nahm sie das Geld aus dem Tresor und war mit jedem Bündel noch erfreuter. Am Ende zählte sie über vierzigtausend Dollar, die sie schnell in ihrem Rucksack verschwinden ließ.
Bevor die Gestalt dann das Schlafzimmer, in dessen begehbaren Kleiderschrank sich der Tresor befunden hatte, verließ, hielt sie für eine Sekunde inne und lauschte nach verdächtigen Geräuschen. Doch sie hörte nichts, was sie beunruhigte. Während sie den Flur im ersten Stock entlang huschte, malte sie sich schon einen herrlichen, dreiwöchigen Urlaub auf Jamaika aus, den sie sich nach diesem Coup sicherlich erst einmal verdient hatte.
Dabei übersah sie allerdings den dunklen Schatten, der sich an der hinteren Hauswand entlang langsam und lautlos zur Nebeneingangstür schob und dort auf ihre Ankunft wartete.
Die Überraschung war dann auch sehr groß, als die Gestalt schließlich die Tür öffnete, um so das Haus und den Tatort unsichtbar, geräuschlos und auf nimmer Wiedersehen zu verlassen und dabei mit einem derben Schrecken in das verhüllte Antlitz eines bösen, schwarzen Geistes blickte.
Mit einer Wollmaske im Gesicht und dünnen Handschuhen war er komplett in schwarz gehüllt, was einem schon einen düsteren Schock versetzen konnte.
Breitbeinig stand der Kerl, der etwas größer als sie selbst war, vor ihr und hatte zu allem Überfluss auch noch eine Beretta auf sie gerichtet.
„Ssswai.....Möklschkaiiiden.....!“
Die Stimme des Mannes vor ihr klang merkwürdig verzerrt, aber auch irgendwie lallend und sehr schwer. Innerhalb eines Wimpernschlages wandelte sich ihr Schrecken in Irritation. Plötzlich erkannte sie, dass die Haltung des Mannes alles andere als gerade und angespannt war, sondern eher schwankend und labberig wirkte. Außerdem konnte die Gestalt jetzt sehen, dass die Wollmaske, die der Kerl trug – und damit garantiert mehr wie ein Einbrecher aussah, als sie selbst – nicht ordentlich auf dem Kopf saß, sondern merkwürdig, ja fast schon ulkig verrutscht war, sodass der Mund- und die Augenschlitze ihn wie Quasimodo aussehen ließen. Letztlich wehte ihr auch noch ein übler, widerwärtiger Geruch in einer Mischung aus Schweiß, einer Alkoholfahne und derbem Mundgeruch entgegen, die sofort Übelkeit in ihr auslöste.
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