"Sag mal, spinnst Du?", zischte sie fassungslos während sie mit ihrem Zeigefinger an ihre Lippen fuhr um die Wunde zu fühlen.
"Jetzt hab dich nicht so", murmelte Randy atemlos.
Wütend blickte sie ihn an und erschrak. Seine Stirn war klatschnass, seine Augen funkelten dunkel und bedrohlich mit tiefschwarzen, riesigen Pupillen die das grün seiner Augen beinahe komplett überdeckten. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper.
Noch immer ruhte seine linke Hand auf ihrem Innenschenkel.
Sie griff danach und schob sie aufgebracht zur Seite.
"Lass das gefälligst."
"Verdammt Mel, stell dich doch nicht so an!", rief er gereizt. Erneut packte er sie am Nacken, riss ihn leicht nach hinten und starrte in ihr Gesicht. Ihr wurde plötzlich flau im Magen.
"Hör endlich auf, das tut weh!", wimmerte sie und versuchte sich aus dem Griff zu befreien.
Da liess er plötzlich ruckartig von ihr ab. Sie wollte schon erleichtert aufatmen, als sich seine Hand fest in ihre rechte Brust krallte.
Ihr wurde schwarz vor den Augen, Tränen schossen in ihr hoch. Doch Randy lachte nur heiser auf und wollte sie gerade wieder küssen als endlich Leben in sie zurückkehrte.
Sie begann so heftig wie möglich das Knie in seinen Magen zu rammen, kratzte, boxte, einfach alles, was sie in dem Schnellkurs für Selbstverteidigung gelernt hatte. Ihr Herz hämmerte dabei zum zerspringen und Tränen liefen unkontrolliert über ihre Wangen.
So überraschend wie alles begann, so abrupt endete es.
Mit einem Aufschrei und wütenden Flüchen liess er von ihr ab und rieb sich die schmerzende Nase die Melanie mit der rechten Faust ganz gut getroffen hatte. Ihr Vater wäre bestimmt stolz auf sie gewesen.
"Was ist den mit dir los? Ich dachte, Du willst das auch!" Wütend tastete er seine Nase ab. Zum Glück schien nichts gebrochen zu sein. So ein Mist aber auch! Er brauchte Eis um seine Nase zu kühlen.
Melanie begann inzwischen mit zitternden Händen ihr Kleid zurecht zu streichen.
"Du bist tatsächlich so eine Zicke wie alle sagen", murmelte er noch immer stinksauer.
Zu gerne hätte sie ihm ihre Meinung gesagt, ihn für sein Verhalten zu Rechenschaft gezogen, doch sie fand einfach keine Energie mehr dafür. Alles was sie jetzt noch wollte, war nach Hause gehen.
"Steig aus." Seine Stimme klang frostig. Mit keinem Blick würdigte er sie während er mit seinem angekratztem Ego neben ihr sass und seine Wunden leckte.
So schnell es ihre zitternden Hände zuliess, öffnete Melanie die Tür und stolperte in die Nacht hinaus.
Ohne eine Minute zu verlieren, startete Randy den Motor, riss mit quietschenden Reifen eine so rasante Wende durch eine Pfütze dass ihre Beine von oben bis unten bespritzt wurden, und brauste in die Dunkelheit der Nacht hinaus.
Das alles war ihr vollkommen egal. Sie war einfach nur froh, dass Randy endlich weg war. Erleichtert blickte Melanie ihm hinterher, dann lief sie mit wackeligen Knien auf den Eingang des Golfklub zu, setzte sich auf die halbwegs trockenen Treppenstufen, fischte mit der einen Hand nach ihrem Handy und wählte schluchzend die Nummer ihrer Mutter.
Es geschehen noch Wunder auf dieser Welt, philosophierte Edward Lampard, Inspektor der Mordkommission Perth, kurz MCS genannt, als er zu seinem Auto eilte. Es grenzte tatsächlich beinahe an ein Wunder, dass er es nach zwölfjähriger Beziehung zu Susan endlich geschafft hatte, ihren Geburtstag für einmal nicht zu vergessen. Er startete den Motor und fuhr los, dabei sah er noch einmal ihren erstaunten Gesichtsausdruck vor sich, als sie den Strauss mit roten Rosen und weissen Freesien auf dem Tisch hatte stehen sehen. Für einen unheimlich langen Augenblick hatte sie nicht gewusst, was sagen. Zu überwältigt war sie gewesen, was das Glänzen in ihren Augen noch unterstrichen hatte. Fast hätte er ein schlechtes Gewissen gekommen, denn dieser Überraschungsschlag war eigentlich nicht sein Verdienst gewesen. Wäre Joe, sein langjähriger Partner, nicht gewesen, er hätte ihren Geburtstag wiederum glatt vergessen.
Weiss der Himmel, woher Joe solche Sachen wusste. Jedenfalls hatte er sich dazu nicht äussern wollen und stattdessen sein italienisch verschmitztes Grinsen aufgesetzt.
Die gestrige Nacht war entsprechend kurz gewesen, die Kopfschmerzen die Folge der zwei Flaschen Sekt.
Hätte Susan ihn nicht sanft wachgerüttelt, er hätte das Klingeln des Telefons um sechs Uhr in der Früh ganz sicher nicht gehört. Sein Chef, Alfred Meyers war am Apparat gewesen. Ohne Umschweife hatte er in den Hörer gebellt, dass es draussen beim Beelu Nationalpark eine Leiche gab. Damit hatte er die ganze Aufmerksamkeit von Edward auf sich gezogen der mit einem Schlag wieder nüchtern gewesen war.
Er hatte sich die Augen gerieben und sich auf die Bettkante geschwungen. Erinnerungen an den Park waren dabei aufgekeimt. Er kannte den Beelu Nationalpark, der rund fünfunddreissig Kilometer östlich von Perth lag, aus seiner Kindheit. Damals hatte er viele Wochenende auf dem dortigen Campingplatz verbracht. Gemeinsam mit seinem Vater war er jeweils morgens in aller Herrgottsfrühe fischen gegangen und abends hatte die ganze Familie den Fang auf dem offenen Feuer neben dem Zelt grilliert. Eine gute Zeit war das gewesen. Edward seufzte.
Seither hatte er den Park nie wieder besucht. Die Arbeit bei der Polizei liess ihm dazu einfach keine Zeit.
Nun würde ihn also ein so tragischer Vorfall wieder dorthin zurückführen.
Bei der Toten handle es sich um ein Mädchen im Alter von sechzehn bis achtzehn Jahren hatte Meyers gesagt. Ihre Leiche war gestern Abend von zwei Parkwächtern entdeckt worden. Diese seien auf dem Weg nach Hause gewesen und hätten noch kurz einen Abstecher zum Pimelia Picknickplatz gemacht, welcher sich unweit des Parkeinganges an der Mundaring Weir Road befindet. Sie gingen dort regelmässig Abends vorbei, um nach dem Rechten zu sehen, da es gerade in der Sommerzeit regelmässige Jugendliche gaben, die dort wilde Partys feierten. Jetzt im Winter war jedoch selten etwas los. Nur durch Zufall hatten sie genau an der Stelle angehalten, wo das Mädchen lag, da einer der Männer sich dringend hinter den Büschen erleichten musste und über ihre nackten Füsse gestolpert war. Es sei ein grausiger Anblick gewesen, berichtete Meyers, der den Anruf der lokalen Polizei von Mundaring, einem kleinen, verträumten Städtchen am Rande des Parkes, gestern Nacht erhalten hatte. Ihr Gesicht sei von Schlägen verschwollen und kaum noch erkennbar. Man ging von einer Vergewaltigung aus, da ihre Innenschenkel von Hämatomen übersät seien. Zum Tode geführt haben jedoch weder die Schläge noch die Vergewaltigung sondern ein Messer, welches der Täter gleich fünf Mal in den Brustbereich der Toten gerammt haben muss. Dies würde jetzt von einer Rechtsmedizinerin abgeklärte, welche gemeinsam mit der Spurensicherung vor Ort seien. Warum die Polizei von Mundaring in Perth angerufen hatte, habe einen einfachen Grund. Es deutete nämlich alles darauf hin, dass das Mädchen aus Perth stammte und hier wohnte.
Edward lief es kalt den Nacken hinunter. Wenn ihm etwas nahe ging, dann Gewaltverbrechen an Kindern und Jugendlichen. In solchen Momenten hasste er seinen Beruf den er sonst mit grosser Leidenschaft seit nun über dreissig Jahren ausführte.
Er bog in die Cambridge Street ein und hielt vor dem Haus seines um zehn Jahre jüngeren Partners Joe daLucchia der sich gerade von seiner Frau und zweien seiner fünf Kindern verabschiedete. Obwohl es erst kurz vor sieben Uhr war, stand Joe wie immer geschniegelt in frischem Hemd und Krawatte da. Edward winkte Jenny, der Frau von Joe, zu. Sie war um die Hüften eindeutig fülliger geworden, stellte Edward fest als er sie aus der Ferne betrachtete. Doch es passte zu ihr. Sie war zweifelsohne eine sehr hübsche Frau.
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