Ludwig Wolf
Unter den Bäumen des Himmels
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Inhaltsverzeichnis
Titel Ludwig Wolf Unter den Bäumen des Himmels Dieses ebook wurde erstellt bei
AUSTRALIEN AUSTRALIEN Die Utopie Mit Macht flog der V8 in das rote Herz hinein. Schwarz. Zeitgleich glitt er aber auch über den Untergrund. Einer Fata Morgana gleich surfte er leicht auf dem flimmernden Hitzefilm der Straße deren Asphalt hier gerade noch nicht schmolz aber schon sehr nahe dran war, weichgebraten und heiß. Die in schwarzes Leder gehüllte Gestalt am Dach breitete die Arme aus, eine dunkle Lichtgestalt, ein Engel der selbstzweckhaft in sein eigenes Nirvana zu segeln im Begriff war, im Vollvisierhelm das hartfarbige Panorama des Outbacks spiegelnd, hinter sich den roten Staubmantel der Verwischung aller Lebenslinien nach sich ziehend. (Eindruck im australischen Pavillon, Shaun Gladwell, Biennale 2009, Giardini, Venedig.) Heimat tötet!
1. HEIMAT; die, quasi
2. Freizeit ist Freiheit?
3. Einkehr
4. Spazierwegende
5. WIEN; die Hauptstadt, in echt
6. THAILAND; Traum, der
7. Koh Pah Ngan
8. Hat Rin
9. Zu sich kommen
10. Erste Monster
11. Koh Tao
12. Neuer Boden unter den Füßen
13. Mangobay
14. Dive it!
15. Freunde?
16. Dive on. And on, and on, and on…
17. Souvenirsuche
18. KRABI; and the seven wonders of
19. Tonsai
20. Nicht nur dentale Beeinträchtigungen
21. Der Forscher
22. Ein zähnerner Alptraum und zwei besondere Tauchgänge
23. Schrecken
24. Transzendenz
25. Pranang und jede Menge Phalli
26. Zwischensaison im Regen
27. Unwägbarkeiten; nicht nur politische
28. Neue Saison
29. Hinterland
30. Misstöne mit Aufhellungen
31. Paradise Loft
32. KREISLÄUFE
33. No sugar added
34. Beziehungsweise
35. Abschied
36. Game over
Der Autor
Impressum neobooks
Die Utopie
Mit Macht flog der V8 in das rote Herz hinein. Schwarz. Zeitgleich glitt er aber auch über den Untergrund. Einer Fata Morgana gleich surfte er leicht auf dem flimmernden Hitzefilm der Straße deren Asphalt hier gerade noch nicht schmolz aber schon sehr nahe dran war, weichgebraten und heiß. Die in schwarzes Leder gehüllte Gestalt am Dach breitete die Arme aus, eine dunkle Lichtgestalt, ein Engel der selbstzweckhaft in sein eigenes Nirvana zu segeln im Begriff war, im Vollvisierhelm das hartfarbige Panorama des Outbacks spiegelnd, hinter sich den roten Staubmantel der Verwischung aller Lebenslinien nach sich ziehend.
(Eindruck im australischen Pavillon, Shaun Gladwell, Biennale 2009, Giardini, Venedig.)
Heimat tötet!
Und Arbeit; auf dem Weg zur
Das Blut spritzte in einer erschreckend geraden Linie an die frischweisse Wand neben ihm, um dort einen ebenso erschreckend geraden roten Strich zu ziehen, von oben nach unten wegen des am Anfang höchsten Pressdrucks, der dann schnell linder wurde, um dann, als das zweite Rad über den Kopf des Tieres fuhr, noch einen letzten Spritzer im rechten Winkel an das untere Ende der Linie zu setzen, sehr präzise auch, sehr geometrisch, sehr gerade eben. Der nachfliegende Augapfel, mit einem leisen Ploppen leicht aus der Höhle gelöst, klatschte in genau der Weise an die Wand, die ihn genau die ausreichende Weile am Rauhputz haften ließ, die es dem Betrachter gestattete, geistreiche Schnellschüsse abzufeuern wie „ex und hopp“ und „warum hier?“ und „warum jetzt?“ und „warum gerade du?“ und „wann ist es bei mir soweit?“, und dergleichen abendländische Sinnlosigkeiten mehr. Optisch sprach das Bild in sehr elementarer Sprache ein einfaches „Abgehakt“ aus. Erledigt. Bevor sich die Unausweichlichkeit der Schwerkraft an der Gallerte zu schaffen machte und sie unweigerlich zu Boden zog, was genau jenes Geräusch produzierte, welches gemeinhin zu Boden fallende Augäpfel zu verursachen pflegen. Ähnlich dem von halbfaulen tatsächlichen Äpfeln beim Fall von ihrem Ast. Gefolgt von jenem zweiten, ebenfalls typischen Geräusch, das eine weiche runde Masse von sich gab, bevor sie ihre absolute Mitte fand und endgültig zur Ruhe kam. Eine Art von nach innen gesaugtem Schmatzen.
Abgehakt, erledigt, schien auf jeden Fall das Leben jener dreifarbigen Glückskatze zu sein, deren deformierter Schädel, von hinten her überfahren und wirklich sauber plattgewalzt, die Kiefer unnatürlich weit und gespreizt und vollkommen intakt, schief röchelnd von sich nach vorn wie ein paar nutzloser Flügel von sich drückte. Inmitten des musigen Breies bildete das atmende Wesen rötliche Schaumbläschen; dort wo die abgerissene Luftröhre aus dem organischen Elend ragte.
Um diese frühe Tageszeit, noch bar jeden kontrollierbaren Gedankens und also blank wie ein frisch ausgepackter CD-Rohling, hatte das Geschehen doch eine stimulierende Wirkung die weit über jene der zwei Tassen Kaffee hinausging, die er sich morgens verabreichen musste, um überhaupt aus dem Haus und in die Arbeit zu kommen. Oder überhaupt irgendwohin. Wie er es schaffte vorher aus dem Bett und zur Kaffeemaschine zu kommen, diese auch noch zu bedienen, ein ungelöstes Rätsel, selbst für ihn selbst. Im Moment jedenfalls, lediglich auf den Kollegen wartend, der ihn zur Arbeit mitnahm, sich leicht darüber wundernd, dass nichts von der ganzen Blutsoße auf ihm gelandet war, war glasklar, was zuerst zu tun war. Ohne zu zögern trat er dem Tier das heraushängende Gehirn aus, nahm beruhigt wahr, dass der Körper sein blasebalgartiges Dasein beendete und endlich still liegen blieb. Erlöst. Was man von jenem, trotz bereits fortgeschrittenen Alters von siebenundzwanzig Jahren, immer noch Halbstarken, der das Tier mit seinem lächerlichen Schwanzersatz samt Rennstreifen und Breitreifen ins Jenseits befördert hatte, nicht gerade behaupten konnte. Dieses Mitglied der neuen, noch schlimmeren Softiegeneration als es die alte Generation war, die Mitglieder, die ständig eine dicke Lippe riskierten und mit solch großer Freude unverändert seit Säuglingszeiten an Mutters Rockzipfel hingen wie es die Zecken an wolligen Schafwänsten tun, wie sie ihr faunbäuchiges Dasein in einem Fort voll und voller saugten, es maßlos aufblähten, was eigentlich der Hauptgrund dafür war, dass diese feigen Milchbubis nie eine Frau lange genug im Bett halten konnten. Solange, dass die Frau ihnen wirklich einmal das Bewusstsein bis zum Urgrund löschen konnte. Bis zu jenem Zustand, nach dem man den eigenen Schwanz nur als dumb gefühllose Schwere und seine Eier als schmerzendes Zwillingspaar erfuhr. Dafür bot Pension Mammi Speis und Trank, gratis Unterhosenwaschen und unbegrenzten Kredit, sollte mal das neueste Handy oder Ähnliches dringend benötigt werden. Doofe Dödel bekamen nur halbsteifen Sex. Gottseidank. Das Leben wäre sonst wirklich ungerecht.
Josef war erstaunt, dass er zu solch unduldsamer Intoleranz neigte, zu genussvoll ausgekosteter Rachsucht. Wie ein unverdorbenes Kindergartenkind.
„Sohn, was soll ich dir denn morgen kochen wenn du von der Arbeit nach Hause kommst? Pikant oder eher Süß? Ein hübsch krosses Schnitzerl oder goldgelb gebackene Apfelradeln? Ich mach dir was du dir wünscht. Unser Alter frisst eh alles was ich ihm vorsetze, gell Schatzi?“
Ja, Josef konnte sich die Bilder sogar noch plumper ausmalen, genoß es sehr. So lief das wirklich mit diesen Jungs, ja, das tat es. Josef war überzeugt davon. Und diese verwöhnten Schlappschwänze, die eh keiner ernst nahm, die hatten keine Ahnung warum ihre Freundin nur mit halber Kraft oder gar mit null Knoten lief, wenn sie endlich abgefüllt nach Hause kamen. Geil ficken auch noch nachdem Mutti eh schon das beste Programm war? Da kriegt der Junge doch besser ein leidlich kühles Bier kredenzt und die Bundesliga dazu. Den geilen Sex holt sich die Freundin am nächsten Tag beim Fitnesslehrer ab. Mit Sixpack fährt Frau viel besser als mit Bierbauch. Da konnte einfach in tiefere Regionen vorgestoßen werden als mit Muttis Verzärteltem. Der konnte derweil ja zuhause in der Garage die Breitreifen wuchten oder irgendwelche steilen Alufelgen aufziehen. Ja, als Freundin übte man da besser an den vielen Geräten im Studio, die hatten erotisches Potential, die trieben Schweiß und shapeten Bodies, und der fachkundige Bizepstrainer bot frei Haus die geilsten Gelegenheiten dazu. Herrlich! Josef fühlte sich wunderbar bei diesem geistigen Rachefeldzug, gleichsam von seiner eigenen, unausgesprochenen Niveaulosigkeit reich getröstet.
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