Stein warfen. Es entstand ein Handgemenge unter
ihnen, bis einer den Stein verschluckt hatte. Dann erst
setzten sie ihre Verfolgung fort. Wieder waren sie
nahe an Sikulume herangekommen, als dieser abermals
von dem Fett, was er noch hatte, auf einen Stein
warf. Dasselbe Schauspiel wie vorhin wiederholte
sich. Schließlich stürzten die Kannibalen über den,
welcher den Stein verschlungen hatte, her und töteten
ihn. Sikulume hatte inzwischen einen guten Vorsprung
bekommen; dennoch sah er mit Schrecken,
daß seine Feinde sich ihm immer mehr näherten.
Um besser rennen zu können, warf er das Tuch,
welches er um seine Hüften geschlagen hatte, von
sich. Dasselbe fing an zu laufen und schlug eine andere
Richtung ein. Sofort ließen die Kannibalen von der
Verfolgung Sikulumes ab und wandten sich dem
Tuche zu. Ehe sie dasselbe erreicht hatten, war der
Knabe bei seinen Gefährten. Mit ihnen zusammen
eilte er nun dem Kraal seines Vaters zu. Bald gewahrten
sie ihre Verfolger wieder hinter sich und sahen zu
gleicher Zeit einen kleinen Mann neben einem großen
Steine sitzen.
Der Kleine rief ihnen, als sie an ihm vorübereilen
wollten, zu:
»Ich kann diesen Stein in eine Hütte verwandeln.«
»So tue es!« erwiderten die Knaben.
Er tat es, und die Knaben gingen alle in die Hütte;
der kleine Mann ebenfalls.
In der Hütte spielten sie allerlei Spiele.4
Als die Kannibalen nahe herzugekommen waren,
witterten sie Menschenfleisch; aber sie sahen nichts
als einen großen Stein; denn von der Verwandlung
desselben in eine Hütte konnten sie nichts bemerken.
Da wurden sie sehr zornig und fingen an, den Stein
zu beißen, bis ihre Zähne zerbrochen waren. Laut
heulend traten sie dann den Heimweg an.
Als sie weit fort waren, kamen die sieben Knaben
und der kleine Mann aus der Hütte, die eigentlich ein
Stein war.
Die Knaben setzten nun ihren Weg fort.
Endlich erreichten sie ihre Heimat; aber sie sahen
niemanden, außer einem alten Weibe; dasselbe kam
scheu und angstvoll um sich spähend unter einem
Aschenhaufen hervorgekrochen. Es zitterte am ganzen
Leibe und sprach:
»Ich meinte, es wäre niemand übrig geblieben.«
Sikulume sprach: »Wo ist mein Vater?«
Die Alte antwortete: »Alle Leute sind von dem Inabulele5
verschlungen worden.«
Er fragte: »Wohin ist das Ungeheuer gegangen?«
»Zum Flusse,« war die Antwort.
Da gingen die Knaben an das Wasser.
Sikulume sprach: »Ich werde in das Flußbett steigen
und diesen Assegai hier mit mir nehmen. Seht ihr
das Wasser stark bewegt, so wißt, daß ich im Magen
des Ungeheuers bin; ist es rot, so habe ich es getötet.«
Nach diesen Worten sprang Sikulume in das Wasser
und verschwand. Kaum war er in der Tiefe, so verschlang
ihn das Ungeheuer, ohne ihm jedoch dabei
ein Leid zu tun. Sikulume sah in dem Magen des Tieres
seinen Vater, seine Mutter, alle Leute seines
Stammes und ihr Vieh.
Da nahm er seinen Assegai und durchstach von
innen nach außen das Ungetüm. Das Wasser bewegte
sich und schlug in hohen, lauten Wellen an das Land,
bis der Inabulele tot war; dann wurde es blutrot und
still.
Als die sechs Knaben das sahen, schafften sie den
Leichnam an das Ufer, schnitten ein tiefes, breites
Loch hinein und befreiten so, was gefangen gewesen
war.
Eines Tages sprach Sikulume zu einem anderen
Knaben:
»Es ist Zeit, daß ich von meinem Stamme, den ich
beherrschen werde, zum Manne erklärt werde. Dazu
muß ein großes Fest gefeiert werden. Sage meiner
Schwester, daß sie gute Speise für mich bereiten
soll.«
Die Schwester tat es.
Darauf sprach Sikulume zu ihr: »Bringe mir ein
Stück von der Haut des Inabulele, welches ich getötet
habe; ich will mir einen Mantel davon machen.«
Darauf rief das Mädchen seine Freundinnen und
ging mit ihnen an den Fluß.
Dort sang sie:
»Inabulele. Dich rufe ich!
Inabulele! Sikulume, der sendet mich.«
Da kam der tote Körper des Ungetüms aus dem
Wasser.
Das Mädchen schnitt zwei kleine Stücke der Haut
ab, groß genug, um Sandalen daraus zu machen, und
ein großes für einen Mantel.
Nun Sikulume von seinem Stamme zum Manne erklärt
worden war, sprach er zu seinen Freunden:
»Ich werde die Tochter von Mangangezulu heiraten.
«
Sie erwiderten:
»Zu dem mußt du nicht gehen; Mangangezulu wird
dich töten.«
Er aber sprach:
»Ich werde dennoch gehen.«
Und er versammelte um sich seine Altersgenossen
und befahl ihnen, ihn zu begleiten.
Der Weg zu Mangangezulu führte durch hohes
Gras. Eine Maus kam daraus hervor und fragte Sikulume:
»Wohin des Weges?«
»In den Kraal Mangangezulus,« war die Antwort.
Da sang die Maus:
»Häuptling Sikulume, kehr heim, kehr heim;
Bei Mangangezulu darf niemand sein.«
Sikulume aber sprach: »Ich werde dennoch hingehen.
«
»Wie du willst,« sagte die Maus; »ehe du aber weiter
gehst, töte mich, ziehe mir das Fell ab und wirf es
hoch in die Luft.«
Er tat, wie die Maus ihm geboten hatte.
Das Fell sprach:
»Gehe nicht in das Dorf Mangangezulus durch den
großen Eingang; setze dich auf keine neue Matte6,
wenn man dir zu essen anbieten wird, und schlafe in
keiner Hütte, die leer ist.«
Die Knaben schritten weiter und kamen zum Dorfe
Mangangezulus.
Sie betraten es von der Seite, welche die Maus
ihnen gewiesen hatte. Die Leute, die nicht gewöhnt
waren, Fremde anders als durch den großen Eingang
zum Kraal kommen zu sehen, fragten verwundert:
»Warum tun sie dieses?«
Sie entgegneten:
»Es ist unsere Sitte.«
Man brachte ihnen Speise und gab ihnen eine neue
Matte zum Niedersitzen.
Sie aber sprachen:
»Unsere Sitte ist, beim Essen auf einer alten Matte
zu sitzen.«
Man gab ihnen eine leere Hütte zum Schlafen; sie
aber sagten: »Unserer Sitte gemäß schlafen wir nur in
einer Hütte, in der Geräte sind.«
Am folgenden Tage sprach der Häuptling Mangangezulu
zu seinen Gästen:
»Geht und seht euch mein Vieh an und hütet es.«
Sie gingen. Ein heftiger Gewitterregen überraschte
sie, und Sikulume breitete seinen Mantel aus auf die
Erde, da wurde er zu einer Hütte, die hart war wie
Stein; in diese traten sie alle hinein und waren geschützt
vor dem Regen.
Als sie des Abends mit dem Vieh heimkehrten,
kam die Tochter Mangangezulus ihnen entgegen und
blieb an Sikulumes Seite. Da die Mutter des Mädchens
dies sah, stellte sie ihren Fuß in die Fußtapfen
Sikulumes, und er verwandelte sich sofort in ein Elentier.
Das Mädchen aber liebte den jungen Häuptling
sehr, und da sie sah, was ihre Mutter getan hatte,
machte sie ein großes Feuer und trieb ihn hinein. Da
verbrannte er und wurde zu einer ganz kleinen Kohle.
Das Mädchen nahm die heiße Kohle, legte sie in
einen Topf mit kaltem Wasser, und in wenigen Minuten
stand Sikulume wieder vor ihr.
Sikulume und Mangangezulus Tochter verließen
den Platz; denn der Häuptling trachtete beiden nach
dem Leben. Das Mädchen hatte ein Ei, eine Kalabas-
se7, einen Topf und einen glatten Stein mit sich genommen.
Als sie nun sahen, daß Mangangezulu ihnen folgte,
warf das Mädchen das Ei zur Erde. Aus ihm wurde
ein dichter Nebel.
Mangangezulu irrte in dem Nebel umher, bis er
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