„Aber er arbeitet doch gerade an einem Fall“, warf Annick ein und fuhr fort, „vielleicht könnten wir ihm unsere Hilfe anbieten bei der Lösung. Er hat doch gesagt, dass er Hilfe brauchen könnte.“
„Benji“, rief Isabelle, „Benji könnte doch auch helfen, der hat ja so eine tolle Nase. Der kann schließlich selbst nach zwei Monaten noch eine Spur finden.“
„Übertreibe bitte nicht Babbel. Benji ist zwar wirklich sehr gut beim Spuren suchen aber vielleicht nicht gerade so gut, außerdem mag er bestimmt Rampelpampel nicht. Ihr wisst doch, dass er selbst mit anderen Kindern nichts zu tun haben will.“
„Und wer bitte ist dieser Benji?“, fragte Rampelpampel plötzlich von seinem Stuhl aus. Er hatte sich wieder sichtbar gemacht und saß mit übereinander geschlagenen Beinen, genüsslich an seinem Apfel kauend, da. Anscheinend hatte er die ganze Zeit über den Kindern zugehört. Sein Interesse war durch die letzte Bemerkung von Annick geweckt worden.
„Benji“, beeilte sich Annick, um das Interesse von Rampelpampel zu schüren, „ist ein toller Hund. Eigentlich heißt er Bambus von Schwarzwasser, aber uns gefiel Benji besser. Es ist ein sehr kluger Hund. Er hat ein schwarzes Fell mit drahtigen krausen Haaren. Die Rasse wird Scotch Terrier genannt. Er ist sehr lieb.“
„Und beißt jeden den er nicht mag“, fügte Babbel vorlaut hinzu.
„Aber doch nicht jeden, Babbel.“ Annick befürchtete, dass Rampelpampel aus lauter Angst vor Benji wieder verschwinden könnte.
„Nur die Bösen“, klärte Olivier das Männchen auf. Er hatte sich inzwischen auf den Boden gesetzt, etwa 2 Meter entfernt vom Kobold. Er konnte seine Neugierde nicht länger zähmen und brachte das Gespräch nun auf das was ihn eigentlich interessierte, nämlich auf den Fall, den das Männchen mit ihnen lösen wollte.
„Also, du sagtest, du könntest Assistenten gebrauchen bei deinem Fall? Um was für ein Problem geht es denn dabei?“
„Nun“, begann Rampelpampel bewusst langsam und betrachtete die Kinder der Reihe nach, „es geht um den wohl größten Fall von Sprengstoffdiebstahl in der Geschichte von Luxemburg und um einige seltsame Anschläge im ganzen Land. Ich habe schon einige Nachforschungen angestellt, aber allein komme ich nicht so recht weiter.“
Olivier war Feuer und Flamme. Von dem großen Sprengstoffdiebstahl hatte Vater erzählt. Die Geschichte schien wirklich sehr spannend zu werden. Olivier überlegte, wie sie wohl helfen könnten. Schließlich mussten sie ja auch in die Schule, lernen und sich um Benji kümmern. Aber Benji könnte ja mitmachen. Dann müsste man nicht extra mit ihm spazieren gehen. Aber wie sollte man das mit der Schule und dem Lernen hinbiegen. Während er noch intensiv in Gedanken an dem Problem arbeitete, hörte er Rampelpampel plötzlich sagen:
„Also, ich dachte mir, dass wir mit unseren Nachforschungen in der nächsten Woche anfangen, da habt ihr ja Ferien.“
Klar, dachte Olivier, wir haben ja Ferien in der nächsten Woche. Wie konnte ich das nur vergessen. Es waren zwar nur kurze Ferien aber dafür könnten es spannende werden.
„Ja, und übrigens“, sagte Rampelpampel plötzlich, „ihr könnt mich einfach Rampi nennen. So dürfen mich meine Freunde rufen, aber nur die.“
„Klar, Rampi, wir sind ja deine Freunde“, beeilte sich Annick zu sagen und Isabelle bekräftigte die Aussage durch ein lautes „und ob!“
„Hör mal Rampi, du musst uns aber ein wenig mehr über die Sache erzählen, bis jetzt wissen wir nur, dass es um den gestohlenen Sprengstoff geht.“ Olivier wollte keine Zeit verlieren.
Annick hatte es sich neben Isabelle und Olivier gemütlich gemacht und hatte ihre Augen gespannt auf Rampi gerichtet, in der Hoffnung, dass er ihnen endlich Näheres über die Sache erzählen würde. Als sie ihn so ansah, bemerkte sie, dass Rampi ein ganz liebes Gesicht hatte. Er lächelte praktisch immer.
„Also, vor einigen Wochen wurde, wie ihr wisst, eine größere Menge an Sprengstoff aus einer Kiesgrube im Norden des Landes gestohlen. Zuerst geschah nichts. Die Polizei und die Gendarmerie standen vor einem Rätsel. Etwa zwei Wochen später explodierte dann eine selbst gebastelte Bombe vor der Raiffeisenkasse in Bous. Was mich sofort wunderte war, dass die Sprengstoffmenge so dosiert war, dass sie nur wenig Schaden anrichten konnte. Die Eingangstür zur Bank und einige Scheiben auf der anderen Straßenseite wurden durch die Explosion zerstört. Aber die Bank wurde nicht beraubt, man fand keinen Erpresserbrief, auch wurden keinerlei Forderungen oder Bedingungen an die Bank gestellt. Die Luxemburger Zeitung hatte auch keine Briefe oder Forderungen erhalten. Seltsam dachte ich mir damals. Wieso sprengt jemand eine Tür, wenn er überhaupt nichts will. Das Risiko gesehen zu werden ist ja schließlich sehr groß. Die Bombe war übrigens in einer Papiertüte der Cactus Supermarktkette versteckt. Es blieb alles geheimnisvoll. Weitere 8 Tage später detonierte der nächste Sprengkörper. Wieder war es vor einer Bank. Diesmal vor der Sparkasse in Bonnevoie in Luxemburg. Aber auch hier bekam niemand einen Erpresserbrief oder eine Forderung gestellt. Die Polizei konnte nur Sachschaden feststellen. Als ich von diesem zweiten Anschlag hörte, wurde ich noch misstrauischer. Der Fall begann mich zu interessieren. Ihr müsst wissen, dass ich zu den besseren Detektiven gehöre, so wie Sherlock Holmes oder Hercule Poirot, ich opfere meine kostbare Zeit nur den ganz großen Kriminalfällen. Also ging ich an den Tatort und begann mich umzusehen. Ich habe dabei einen ganz wesentlichen Vorteil, da ich mich unsichtbar machen kann werde ich von niemandem aufgehalten. Ich sah mich also um. Die Polizei hatte auch hier erneut eine Cactus-Tüte gefunden, genauer gesagt die wenigen Überreste, in der der Sprengstoff oder besser die Bombe eingepackt gewesen war. Zweimal eine Cactus-Tüte, also allein schon deshalb musste es sich um den gleichen Täter handeln. Aber wo lag das Motiv. Ohne Motiv keine Tat, lautet meine Maxime. Also ich musste das Motiv finden. Aber, überlegt doch einmal, warum sollte jemand eine Bombe vor einer Bank explodieren lassen wenn er nicht einbrechen will?“
„Weil er sich über etwas geärgert hat, oder vielleicht betrogen wurde oder so.“ Annick war so eifrig bei der Sache, dass sie gar nicht merkte, dass dies eine rein rhetorische Frage von Rampi gewesen war. Dennoch ging er sofort auf Annick's Antwort ein.
„Ja, das könnte man sich vorstellen. Aber“, fuhr Rampi fort, „warum sollte ein Mann oder eine Frau bei zwei verschiedenen Banken eine Bombe platzieren. Über zwei Banken ärgert man sich doch nicht gleichzeitig.“
Den Kindern leuchtete dies ein. Bevor sie sich weitere Möglichkeiten überlegen konnten fuhr Rampi in seinem Bericht aber bereits fort.
„Es gibt für mich nur eine Lösung des Problems. Ich bin mir sicher, dass die Anschläge von etwas ablenken sollen. Irgendetwas wird von diesem Attentäter geplant und er will seine eigentlichen Absichten mit diesen Anschlägen vertuschen. Aber wovon könnte er ablenken wollen?“
Tiefes Schweigen hatte sich jetzt auf dem Dachboden breit gemacht. Die Kinder dachten so angestrengt nach, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Keinem fiel daher auf, dass die Tür zum Dachboden leise aufgestoßen worden war. Zuerst konnte man nur eine kleine schwarze Nase erkennen, dann tauchten zwei spitz nach oben gerichtete Ohren auf. Benji hatte das Warten satt gehabt und sich auf die Suche nach den Kindern gemacht. Er hatte zwar meist nach wenigen Minuten genug von den dreien, aber wenn sie sich einmal nicht um ihn kümmerten dann störte ihn das auch. Er kam sich richtig vernachlässigt vor. Jetzt hatte er die drei schon fast eine Stunde lang nicht mehr gesehen. Auf der Straße war auch nichts los gewesen und geschlafen hatte er beinahe sechs Stunden lang. So hatte er sich auf die Suche nach den Kindern gemacht, in der Hoffnung mit ihnen ein wenig zu spielen oder vielleicht, das wäre das Schönste, einen langen Spaziergang machen zu können. Für Benji war das Spazierengehen wie das Zeitunglesen für seinen Herrn. Die Welt war voller interessanter Neuigkeiten. Benji konnte an den Gerüchen alles erkennen. Er konnte feststellen, ob seine Freundin Tämmy oder sein Freund Othello, der Telly gerufen wurde, schon unterwegs gewesen waren, und ob es sonstige Neuigkeiten gab. Also hier waren sie! Was es wohl hier oben Interessantes zu sehen gab? Benji machte sich mit einem lautet „Wau, Wau“ bemerkbar. Rampi fuhr so zusammen, dass er beinahe von seinem Stuhl gefallen wäre. Da Rampelpampel vor Hunden schreckliche Angst hatte, machte er sich sofort unsichtbar. Jetzt, so meinte er, wäre er in Sicherheit. Er hatte nicht mit der Nase von Benji gerechnet. Zielstrebig ging Benji auf den Stuhl zu um, Rampelpampel zu beschnuppern. Sobald dieser sich nach rechts oder links bewegte drehte auch Benji sich in diese Richtung. Das Männlein konnte sich zwar unsichtbar machen aber einen Geruch gab er dennoch ab. Für Benji war dies ausreichend um ihn immer wieder zu entdecken.
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