Jean-Pierre Kermanchec
Das kalte Herz von Concarneau
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Inhaltsverzeichnis
Titel Jean-Pierre Kermanchec Das kalte Herz von Concarneau Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Vorankündigung
Bisher erschienen von Jean-Pierre Kermanchec:
Impressum neobooks
Wenn Mutter Simone ihr gegrilltes Hähnchen zubereitete, dann waren nicht nur die Kinder pünktlich am Esstisch. Auch Vater Emile, der als Fischer nur manchmal anwesend war, freute sich über Simones Spezialität. Ihr gegrilltes Hähnchen mit Pommes frites konnte nur sie so köstlich zubereiten, da waren sich alle einig. Simone und Emile hatten zwei Söhne, Marc war ihr erstgeborener und Erwenn der jüngere.
Als Marc am 20. April 1956 zur Welt kam, war der zweite Weltkrieg gerade seit 11 Jahren vorbei. Die Fischer der Île de Sein hatten den Kriegsdienst wieder mit der Fischerei getauscht, genauso wie alle anderen Fischer an der bretonischen Küste. Auch Emile Solliec war vom Marineeinsatz zurückgekehrt und hatte seine Arbeit im Hafen von Concarneau wieder aufgenommen. Concarneau gehörte einst zu den größten Fischereihäfen Frankreichs, und was den Thunfischfang betraf, war der Hafen die Nummer eins. Emile gehörte zur Bestatzung eines Thunfisch-Trawlers, der von Concarneau zum Fang auslief. Seinem Sohn Marc hatte er alles über den Thunfischfang erzählt, und Marc war ein aufmerksamer Zuhörer.
Für Marc gab es nichts Interessanteres als die Arbeit seines Vaters. Schon im Alter von sechs Jahren stand für ihn fest, dass er später einmal ein großer Thunfischfischer werden würde, wie sein Vater. Seine Sicht veränderte sich mit zunehmendem Alter etwas. Er wollte nicht mehr Fischer werden, sondern Kapitän, natürlich auf einem Thunfischfänger.
Marc hatte nur wenige Freunde oder Freundinnen. Sein jüngerer Bruder, Erwenn, heiratete früh und zog aus Trégunc fort. Die beiden Brüder hatten kaum noch Kontakt. Mutter Simone hatte den Grund nicht herausfinden können.
Marc steuerte nach der Schule sofort sein Kapitänspatent an. Er erwarb es problemlos und arbeitete einige Jahre als zweiter Offizier. Dann erhielt er endlich ein eigenes Schiff. Er hatte sein Ziel erreicht. Er war Kapitän eines Thunfisch-Trawlers, einem 7.000 Tonnen schweren Schiff, eine schwimmende Fabrik. Der Thunfisch wurde an Bord bis zur Dose verarbeitet. Die Crew des Schiffes waren Afrikaner, und der Heimathafen des Schiffes lag auf der Insel Réunion, im Indischen Ozean. Marc hatte kein gutes Wort für seine Crew. Seine Afrikaner waren unzivilisiert, dumm und faul, kein Vergleich mit europäischer Zivilisation und Kultur, geschweige denn Bretonischer.
Marc war jeweils für zwei Monate auf dem Schiff, danach lebte er zwei Monate lang in der Bretagne. Sein Verdienst als Kapitän war hervorragend. Schon bald sah er sich nach einem eigenen Haus um. Er fand ein schönes bretonisches Haus in Melgven, nur wenige Kilometer von seinem Elternhaus entfernt. Zum Haus gehörte ein großes Grundstück von mehreren Hektar, ein kleiner Wald und ein Bach, der zu einem See aufgestaut worden war, auf dem herrliche Seerosen wuchsen.
Marc legte Wert auf Äußeres, sodass er stets auch exklusive Kleidung trug. Aber nicht nur die Kleidung musste erstklassig sein, alles Äußere pflegte er. Anfangs fuhr er einen großen Peugeot, mit der besten Ausstattung. Später wechselte er zu Mercedes und leistete sich alle drei Jahre einen neuen Wagen.
Als Vater Emile starb, wohnte Simone Solliec alleine in ihrem Haus in Trégunc. Zum Haus gehörte ein gepflegter Gemüsegarten, mit Obstbäumen und Blumen, den Simone nun alleine pflegte. Simone lebte bescheiden und zurückhaltend. Sie kümmerte sich um ihren Hund und ihren Sohn Marc. Selten bekam sie Besuch von Verwandten und noch seltener von Freunden.
Wenn Marc in der Bretagne weilte, kam er täglich zum Mittagessen zu Simone. Das war selbstverständlich. Marc besaß auch keine Waschmaschine, Mutter Simone kümmerte sich um seine Wäsche. Unterwegs, auf dem Schiff, waren die Arbeiter in der schiffseigenen Wäscherei für seine Wäsche zuständig.
Auch Marc führte ein recht zurückgezogenes Leben. Er hatte durch seine Überheblichkeit dafür gesorgt, dass nur wenige Menschen seine Nähe suchten. Er prahlte gerne, wusste und konnte alles besser, kaum ein Nachbar konnte ihm das Wasser reichen. So hatte er auch schon den einen und anderen von Simones Nachbarn vergrault. Mutter Simone wünschte von Herzen, dass ihr Sohn Marc eine Frau fürs Leben finden würde. Aber das war bisher ein schwieriges Kapitel.
Simone ging gerne an der Küste spazieren und sah dem Meer zu. Aber Simone besaß keinen Führerschein, auch kein Auto und war also auf Marc angewiesen. Ihre Einkäufe erledigte sie zu Fuß. Das Zentrum von Trégunc war für sie gut zu erreichen.
„Marc, ich würde so gerne einmal wieder einen Spaziergang entlang der Küste machen. Lass uns nach Pendruc fahren und ein wenig den sentier côtier entlanggehen“, bat sie ihren Sohn einmal nach dem Mittagessen.
„Wenn du das willst, dann fahren wir nach Pendruc“, meinte Marc, wischte sich den Mund ab und genoss den Espresso, den seine Mutter ihm nach dem Essen gereicht hatte.
Pendruc lag nur wenige Kilometer von Trégunc entfernt. Marc lag nicht viel an einem Spaziergang entlang der Küste. Sonnenbaden, Schwimmen und andere Vergnügen im Sand lehnte er völlig ab, das war verschwendete Zeit in seinen Augen. Marc fuhr auch nicht in Urlaub. Ein halbes Jahr freie Zeit in der Bretagne war sein Privileg. Warum sollte er einen Aufenthalt in irgendeinem Hotel verbringen, für das er auch noch bezahlen müsste?
Simone zog sich ein paar feste Schuhe an und folgte Marc zum Wagen, den er vor dem Haus geparkt hatte. Nach wenigen Minuten hatten sie den kleinen Parkplatz hinter dem Plage von Pendruc erreicht und spazierten über den schmalen Weg nach Pouldohan. Sie passierten die Pointe de la Jument und hatten einen Blick auf die Glénan-Inseln.
„Hast du das Herz dort drüben gesehen?“, fragte Simone ihren Sohn.
Marc sah sich um und suchte vergeblich ein Herz.
„Nein, wo soll hier ein Herz liegen?“, fragte er.
„Dort drüben der Felsen, der sieht doch aus wie ein Herz, ein auf den Kopf gestelltes Herz.“
Jetzt sah auch Marc den Felsen. Er musste zugeben, dass der große Stein einem Herzen ähnelte. Obwohl er schon mehr als hundert Male an dieser Küste vorbeispaziert war, war ihm der Stein noch nie aufgefallen.
„Das kalte Herz von Concarneau“, sinnierte Simone.
„Gib acht, mein Sohn, dass du nicht auch ein steinernes Herz entwickelst, such dir eine Frau. Wer kocht dir dein Essen und macht deine Wäsche, wenn ich mal nicht mehr da bin?“
„Soweit ist es noch nicht, darüber machen wir uns jetzt keine Gedanken. Aber, damit du dir nicht unnötig Sorgen machst, ich habe eine Frau kennengelernt. Sie kommt aus Quimperlé. Ich werde sie dir in den nächsten Wochen mal vorstellen.“
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