Als ich diese Gruselgeschichten hörte, musste ich an mein Heimatdorf, das weit im Osten an der der Oberoder nahe der mährischen Pforte liegt denken, als an den langen Winterabenden die Frauen meines Heimatdorfes Zabelkau zum Federschleißen in den vielen, auch den kleinen Bauernhäusern reihum oder nacheinander zusammenkamen. Da wurden ähnliche, fast grausige Gruselgeschichten von der Mora, die in der Nacht durch die gut verschlossenen Türen ins Haus kommt, um da den schlafenden Menschen das Atmen zu erschweren, indem die Mora mit ihrem vollen Gewicht sich auf die Brust des Schlafenden kniete und die betroffenen Menschen am nächsten Tag sich müde und unausgeschlafen durch das Tagesgeschehen schleppten. Und eine angehende Mora, die immer ein weibliches Wesen war, konnte man schon sehr früh erkennen, denn eine spätere Mora kam schon mit ein paar ausgewachsenen Zähnen im Mund bei der Geburt zur Welt. Den nächtlichen Besuch einer Mora konnte man am besten verhindern, wenn man außen an die Wand, links neben die Haustür einen Besen mit dem Stil nach unten und den Borsten nach oben stellte. In so ein Haus traute sich die Mora, die ja auch durch die verschlossenen Türen ins Haus gelangen konnte nicht hinein, denn sie wusste, dass da im Haus ein Besen, gewöhnlich ein Rutenbesen, auf sie wartet, der sie dann im Haus höchst unsanft, von wem auch immer, fast schmerzhaft, aus diesem Haus hinausfegt oder hinausprügelt und selbst nicht wusste, wer diesen für sie so grausamen Besen im Haus bedient, um sich später einmal dafür an ihr, dieser besenschwingender Person zu rächen oder diese Prügel dem Prügler wieder durch Brustkorb drücken doppelt und dreifach mit Zins und Zinseszinsen heimzuzahlen. Nur wer diesen unsanften Besen gehandhabt hat oder sie hinausgefegt hat, wurde nie gesagt, denn die Mora hat es nie versucht da in so ein Haus ein weiteres Mal hineinzugehen und derartige, prügelnde Erfahrungen da noch einmal zu machen. Der männliche Gegenpart zur weiblichen Mora war bei uns daheim im Osten der nasse Wassermann, der im Wasser der Oder, oder den vielen kleinen Seen längs des Oderlaufs wohnten, die durch die Begradigung des Oderlaufs entstanden sind. Der Wassermann wurde von den Menschen, die es schon mit ihm zu tun bekamen, als klein aber sehr stämmig gewachsen beschrieben und auch sehr stark soll er gewesen sein. Er schnappte sich die oder einen Spätheimkehrer, die er tagsüber schon sich ausgesucht hat, denn er konnte, wenn er auf Beutesuche war sich für alle unsichtbar durch die Landschaft bewegen. Erst wenn er zugriff, war er für die oder den Betroffenen sichtbar. Und wenn man ihm dann ein Fläschchen Schnaps versprach, dass man ihm daheim vor die eigene Haustür stellte, ließ er, das kleine, stämmige Wassermännchen, das im Wasser lebte und eine Lunge, wie wir Menschen hatte und Kiemen wie die Fische besaß, also im Wasser und auch draußen, außerhalb des Wassers leben konnte, den Spätheimkehrer weiter laufen. Gnade Gott dem armen, vergesslichen Spätheimkehrer, wenn er, aus welchen Gründen auch immer vergessen haben sollte ein echtes und volles Schnapsfläschchen vor seine Haustür zu stellen, denn diesen Spätheimkehrer hat man bald tot im Wasser des Dorfbaches oder einem der kleinen Seen, die sich links oder rechts der Oder durch ihre Begradigung entstanden sind, befanden und aufgefunden wurden. Scheinbar wurden diese Vergesslichen oder Wortbrüchigen vom Wassermännchen in das Wasser geschleppt und dann im Wasser nicht nur ertränkt, sondern auch noch dazu, um nicht wieder munter zu werden, erwürgt, wie die Leichenbeschauer dann immer wieder bei diesen Toten die Würgemale am Hals der Toten feststellen konnten. Aber auch hat man bei uns an diesen Abenden immer wieder die tollsten Geschichten von den zuletzt im Dorf Verstorbenen erzählt, dass der oder die Letztverstorbene, egal ob reich oder arm, am zugemachten Friedhofseingang, der mitten im Dorf um die kleine, altehrwürdige Schrotholzkirche lag, die als einziges Gebäude im kleinen Dorf Slawikau 1241 den Mongoleneinfall heil überstanden hat, und dann Ende des neunzehnten Jahrhunderts nach Zabelkau verkauft wurde, nur für die Sünder am Friedhofseingang zu sehen war, seine Wache hielt oder den Friedhof bewachte, dass kein Bösewicht die Friedhofsruhe der da Ruhenden hätte stören können, was angeblich immer wieder vorgekommen sein soll und die meisten Sünder sich nach dem Anblick des ernstdreinblickenden Verstorbenen sofort bekehrten, andernfalls es ihnen sehr schlecht im weiteren Leben hier auf Erden erging und die Betroffenen sich diese Schäden nicht weiter erklären konnten, wie das alles, was sie jetzt als Pech verfolgt oder so passiert, passieren konnte. Schade, die heutigen Kinder in meinem Heimatdorf, kennen alle diese, zuweilen doch vielen recht spannenden und sicher auch bestimmt sehr tiefsinnigen Erzählungen oder Geschichten kaum noch, denn heutzutage werden kaum noch Federn an den langen Winterabenden wie annodazumal geschlissen, denn die Gänse sieht man ja kaum noch in meinem Heimatdorf, die ich immer wieder an den langen und lauen Sommerabenden noch vor dem Gänseschlafengehen hinunter an den Bach zum Baden führte, und ich dann meine Schwierigkeiten hatte, sie am späten Abend aus dem Bach herauszubringen, in dem sie sich scheinbar recht wohl fühlten, wahrscheinlich wohler, als in einer Ecke des Kuhstalls, in dem sie sicher auch nicht während der Nach frieren mussten. Da konnte es auch schon mal passieren, dass der eine oder der andere Bachkrebs, wenn ich ihm zu nahe kam, mich, mit seiner Zange in meine Wade von hinten gepiekst hat, was sicher sehr weh getan hat, ich aber immer wieder als der tapfere Gänsehüter überlebt habe. Den Bach in meinem Heimatdorf, den gibt es Gott sei es gedankt auch heute noch. Aber leider gibt es auch bei uns daheim im Osten diese kleinen Bauern nicht mehr und somit auch keine vielen Gänsefedern, die während der langen Winterabenden geschlissen werden wollten und somit auch keine Menschen mehr, die diese vielen heimlichen und doch so spannenden und nicht langweilenden Gruselgeschichten nicht nur weiter erzählen und weiter am Leben erhalten; sie werden von den alten Erzählerinnen unwiederbringlich mit ins Grab, auf nimmer Wiedehören mitgenommen und gehen für all die, die nach uns kommen, da sicher ein für allemal unwiederbringlich verloren. Auch hier trägt vielleicht das Fernsehen ein bisschen Schuld mit am Verstummen dieser uralten Geschichten und die damals so interessanten Erzählungen, die das Leben in so einem kleinen Dörfchen auch zuweilen echt spannend machen konnte, die sicher alle einen Ursprung hatten, den man sich heute auch nicht mehr erklären kann oder gar noch kennt, warum und wieso es zu einer Mora oder einem Wassermann kam und diese Geschichten auch entstanden sind und es kaum, auch ohne das Fernsehen keine Langeweile gab. Nein, im Gegenteil, diese eben genannten und auch hier noch ungenannten Geschichten haben doch den einen oder den andern Hörer sicher ein kleines bisschen auch zum Nachdenken über das Warum und das Wieso in unsere kleine dörfliche Welt gebracht und auch den Zusammenhalt unter uns allen Dorfbewohnern gefördert. Vielleicht auch, weil keiner der nächsten sein wollte, um die Bekanntschaft mit dem Wassermann oder auch einer Mora wie auch immer zu machen.
Nachdem ich viele der hiesigen Spukgeschichten und Spukerscheinungen bei unserer Wanderung hier durch die Spukhausener Umwelt erfahren habe, war mir bald klar, warum dieses kleine Dörfchen immer noch Spukhausen heißt, weil diese kleinen und großen Spukgeschichten immer wieder noch, trotz des Fernsehens, immer noch durch diese Wanderungen und die da gesehenen, verschiedenen Erscheinungen, die nicht nur einer, sondern alle Wanderer sehen konnten, auch wenn sie glaubten blind für solche übernatürliche Ereignisse durch die Natur zu wandern am Leben erhalten werden und es, das kleine Dörfchen wahrscheinlich deswegen nicht größer werden will, um es sich ja nicht mit diesen Spukerscheinungen vielleicht zu verderben, wenn man ihnen ihr Zuhause raubt oder zubaut, in dem sie sich nicht mehr zurechtfinden, aber die hier wohnenden Menschen sind ganz stolz auf ihre einmalige Vergangenheit, die es sicherlich kein zweites Mal in Deutschland in dieser gedrängten Form bestimmt nicht geben mag, denn welches kleine oder größere Dörfchen oder Städtchen kann sich schon mit so einer einmaligen und spannenden, übernatürlichen Gegenwart, die bestimmt in einer längst vergangenen Vergangenheit liegt, oder so einem Waldsee auch rühmen, die trotz aller modernen Apparatetechnik immer noch nicht von niemanden aufgeklärt worden ist oder kann, denn welcher Geist lässt sich schon fotographieren oder gar in einen Apparat, wenn auch nur als Bild einsperren, wenn auch nur vorübergehend festsetzen, um sich da, vielleicht nach Menschenart verhören zu lassen, denn für einen echten Geist gibt es keine festen und undurchdringliche Wände? Sicher mag es in dem einen oder dem andern kleinen Städtchen noch den einen oder den andern Nacht- oder Turmwächter geben, die dann und wann zuweilen kurz für die einen oder die andern Nachtwandler oder angemeldeten Touristen, wahrscheinlich auf Bestellung zu sehen sein mögen und die dann da oder dort oder zu jedem Jubiläum auch die passende Erzählung parat hat, die da und dort recht spannendgeisterhaft klingen mag, um den Besuch in ihrer Stadt für die Besucher bisschen interessant zu machen, denn eine geisterhafte Vergangenheit reizt immer wieder die Besucher zum Wiederkommen und die Besucher haben da auch immer wieder, wenn auch nur bisschen Geld in die Stadt gebracht, das der Stadt auch wie immer, zupassekommen mag wie die Besucher auch in Spukhausen im finsteren Spessart, der hier gar nicht so finster dreinschaut, überhaupt dann, wenn die reifen Blau- oder Walderdbeeren und die vielen verschiedenen Pilze im Wald reichlich zu ernten sind und viele Urlauber hier vom Ernten dieser Wald- und Pilzfrüchte immer wieder reichlichen Gebrauch machen.
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