Roland Exner - Der alte Mann und das Haus

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Der Titel könnte irritieren: scheinbar halb geklaut vom «Der alte Mann und das Meer». Aber ich finde keinen besseren… 1985 habe ich mit dem Buch begonnen, angeregt durch Zeitungsberichte über die Psychiatrie und vor allem von Ereignissen in meiner unmittelbaren Umgebung – verschrieb mich aber bestimmten Klischees, und als ich das nach 150 Seiten merkte, ließ ich den Text in meinem dann alternden ATARI-Computer «liegen». Da ich für die Familie 2001/02 ein Haus hatte bauen lassen und dies zu einer nicht endenden Katastrophe wurde, bekam ich dann zehn Jahre später das Gefühl, ich sei `Der alte Mann und das Haus´ – und auch, dass dies der Titel für das einst angefangene Buch sei.
Der Ort: Auch in der Nähe, wo ich damals wohnte, das fränkische Dorf Trieb. Dort ist Elke Meusel Haushälterin bei Ehepaar Klüber. Eigentlich kann sie nicht klagen, aber wohl fühlt sie sich auch nicht. Es gruselt ihr oft in diesem abgelegenen Anwesen – und dann erscheint eines Tages auch noch ein «Gespenst» – von dem obendrein trotz anschließender Suchaktion auch keine Spur zu finden ist…. Im Rundfunkt hört sie die Nachricht, dass aus der Nervenanstalt ein 75 Jahre ein geisteskranker, alter Mann entflohen sei… Langsam «dämmert» ihr, dass das «Gespenst» dieser Alte Mann sein könnte. Als die Klübers verreist sind, laufen sich die beiden über den Weg und Elke verliert schnell ihre Angst – aber nur die Angst vor dem alten Mann. Die neue Angst: die Angst vor Entdeckung.
Johann Reuß war im Jahr 1934 zu Unrecht verhaftet, dann in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen, entmündigt und enteignet worden. Nun, nach über 40 Jahren, war ihm die Flucht gelungen, und er wollte nur noch in seinem Hause sterben… Mit der lesenden Elke erfährt der Leser die Lebensgeschichte des Johann Reuß. Aber warum sein Leben in Traumsequenzen…? Ich weiß es nicht genau.

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Roland Exner

Der alte Mann und das Haus

Jahrzehnte zu Unrecht in der Psychiatrie, Flucht – und die Sehnsucht zu Hause zu sterben

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Inhaltsverzeichnis Titel Roland Exner Der alte Mann und das Haus Jahrzehnte zu - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Roland Exner Der alte Mann und das Haus Jahrzehnte zu Unrecht in der Psychiatrie, Flucht – und die Sehnsucht zu Hause zu sterben Dieses eBook wurde erstellt bei

Ein Gespenst

Die Begegnung

Verschlüsseltes Versteck

Rauchverbot

Unpassender Besuch

Die Dachkammern

Die Wette mit dem Totengräber

Katerfrühstück

Vergebliche Suche

Das Jörgl kommt

Sophies Einkaufstour

Die Wahrsagerin

Verpasste Gelegenheit

Entführung der Leiche

Traumtür

Besuch aus dem Leichenwagen

Heiratsantrag

Die Überlebenden

Zwischenstation

Totenwache

Begräbnis

Tod an der Brücke

Biertischwetten

Elkes Flucht

Johanns Verhaftung

Ankunft

Impressum

Ein Gespenst

Elke Meusel stellte die schwere Einkaufstasche auf den matschnassen Weg, schüttelte die Schneeflocken aus ihren langen, kastanienbraunen Haaren, nahm die Tasche wieder in die Hand und schleppte sich weiter bergauf. Das weite Maintal konnte man in dem dämmrigen Schneetreiben nur ahnen, aber Elke hatte jetzt sowieso keinen Blick dafür; sie wollte schnell nach Hause. Das Anwesen der Klübers war das größte des kleinen fränkischen Dörfchens Trieb, es lag etwas außerhalb, Richtung Lichtenfels, zur Karolinenhöhe hin. Ein schöner zweigeschossiger Fachwerkbau mit geschwungenen Andreaskreuzen, auf jedem Stockwerk der Frontseite vier Fenster, und nochmals zwei Fenster in dem steilen Walmdach, eingefügt in eine weitgeschwungene Fledermausgaube.

Als Elke den Hof erreichte, schob sie das große hölzerne, mit Schmiedeeisen beschlagene Tor auf; endlich fand sie ein wenig Schutz vor dem feuchtkalten Wind.

Der geräumige quadratische Hof war von allen Seiten umbaut: Die etwa zwei Meter hohe, aus Feldsteinen zusammengesetzte Mauer mit dem Tor im Süden, auf der Westseite das Haus und der geräumige Hundezwinger. Im rechten Winkel hierzu, also auf der Nordseite, die alte, zum Teil umgebaute Scheune und Maschinenschuppen, im Osten die Stallungen, und dahinter, außerhalb des Hofes, große alte Obstbäume. Vom Wohnhaus – am besten natürlich von den Dachfenstern aus, aber, mit Einschränkungen, auch vom ersten Stock aus - konnte man nach Osten hin auf den tiefer liegenden Ortskern von Trieb sehen, aber auch teilweise, soweit die Scheune den Blick freigab, Richtung Norden aufs Maintal.

Die Klübers bewohnten von dem großen Haus eigentlich nur das Erdgeschoss, das aus sehr alten Mauern bestand, große Feldsteine mit einem Gurtgesims, in das die Zahl "1588" eingemeißelt war; der Fachwerkbau war offensichtlich erst viel später auf die alten Mauern gebaut worden.

Elkes Wohnung war im ersten Stock, mit dem gerade beschriebenen schönen Blick auf die Landschaft.

Sie hatte nun das Schmuckstück des Hauses erreicht - die Eingangstür mit dem herrlichen Rundbogen, der mit tiefer Kehle und Rundstäben profiliert war. In der Küche brannte schon Licht. Sie suchte nach den Schlüsseln, fand sie aber nicht, immer das gleiche; sie stellte die Tasche ab und begann zu suchen. Plötzlich hielt sie inne... war da nicht gerade der Schatten eines Menschen in der Scheunentür aufgetaucht? Von den beiden Klübers war es keiner, sie waren in der Küche.

Unsinn, dachte sie.

Sie hatte ihre Mantel- und Hosentaschen abgesucht; wahrscheinlich war der Schlüsselbund, wie schon einmal vor zwei Wochen, tief unten in der Einkaufstasche.

Also musste sie sich mit den Händen ganz nach unten durchwühlen. Doch kaum hatte sie damit begonnen, schnellte sie nach oben. War da nicht wieder dieser Schatten... Ein Schatten mit einem weißen Bart… Konnte sie in diesem dämmrigen Schneegestöber überhaupt ihren Sinnen trauen? Zumal sie auch sehr erschöpft war. Lächerlich! Wer sollte da wohl in der Scheune sein? Sie bückte sich wieder zur Tasche; endlich fand sie die Schlüssel. Bevor sie aufschloss, schüttelte sie sich heftig, diesmal nicht nur wegen der nassen großen Schneeflocken.

Dieses alte Gebäude mit den vielen leeren Räumen und die sumpfig neblige, fast menschenleere Gegend drum herum erinnerte sie sowieso an englische Gruselgeschichten. Auch die Nähe der Klübers minderte dieses Schaudern ganz und gar nicht. Die beiden waren zwar meist freundlich. Aber immer, wenn Elke ihre Gänsehaut bekam, erschien ihr auch das Verhalten des Ehepaares seltsam, das freundliche Lächeln maskenhaft, nette Gesten als Täuschungsmanöver. Wenn es Elke dann wieder besser ging, lachte sie selber über ihre Ängste. Und als sie nun die Küche mit den alten bemalten Bauernmöbeln betrat, redete sie sich ein, sie habe nur Gespenster gesehen, womit sie ihre Angst mit dieser sprichwörtlichen Aussage wohl etwas lächerlich machen wollte.

Karl Klüber ging Elke sofort entgegen, um ihr die Tasche abzunehmen. Er war in jenem Februar 1977 fast 71 Jahre alt, hatte trotzdem volle, dunkle Haare. Das Gesicht rund, die Backen etwas hängend, eine Bulldogge andeutend, die Hautfarbe eine Mischung aus grau und braun, wettergegerbt, tiefe Falten; der Mund hatte die Form eines geschwungenen Bogens, die Enden nach oben zeigend, so dass es aussah, als würde er immerzu ein wenig grinsen, wobei er keineswegs freundlich aussah, zumal die Oberlippe dünn wie ein Markstück, die Unterlippe dick wie ein Finger war. Wegen einer fortschreitenden Augenerkrankung konnte er schlecht sehen.

"Sie Ärmste", sagte er mitfühlend im fränkischen Dialekt mit Trieber Färbung, den wir hier nicht wiedergeben wollen, "bei dem Sauwetter! Meine Frau hat schon Teewasser aufgesetzt... Aber eh' Sie Mantel und Stiefel ausziehen, möchten wir Sie noch um etwas bitten..."

Elke lachte. "Ich weiß schon, die Zentralheizung ist nicht nach Ihrem Geschmack; Sie wollen am warmen Ofen sitzen. Ich soll noch Holz holen." Kaum hatte sie dies gesagt, erbleichte sie, denn nun musste sie wohl in diese Scheune.

Karl Klüber nickte. Helene Klüber zog den Korb hinter dem Kachelofen hervor. "Danach essen wir zusammen Abendbrot, und Sie haben frei für heute."

Helene Klüber war 67, und sie hatte es mit dem Kreuz. Ihre vollen, bis zum Nacken reichenden, künstlich leicht gelockten Haare waren grau; sie sah aber trotzdem viel jünger als ihr Mann aus. Die Falten im Gesicht waren nicht so tief, aus ein paar Metern Entfernung kaum zu sehen, da konnte man sie leicht deutlich unter 60 schätzen, zumal sie Schminke sehr geschickt, nur nuancierend, einsetzte. Der Lippenstift – so etwas wie rötlich orange – wurde nur leicht aufgetragen.

Elke wagte keinen Einwand, bat nur um die große Taschenlampe, nahm den Korb, schaltete im Hof das Licht an, obwohl es noch nicht ganz finster war.

Die Holzscheite lagerten im offenen Teil der alten Scheune, wo sie ebenfalls das Licht anknipste und auch noch mit der Lampe in jeden Winkel leuchtete. Die Tür zur Werkstatt stand halboffen... doch kaum hatte sie mit dem Lichtkegel der Taschenlampe zwischen die gestapelten Korbwaren gestochert, erschütterte ihr gellender Schrei den Hof. Sie rannte zurück zum Haus, wo zu gleicher Zeit Karl Klüber die Tür aufriss. "Was um Himmels Willen ist denn mit Ihnen los?" rief er.

Elke huschte an ihm vorbei, blieb aber im Flur stehen. "Da, da, da...", stammelte sie und zeigte Richtung Werkstatt. Da ist ein Gespenst , wollte sie eigentlich sagen. Jetzt kam ihr das aber schon wieder lächerlich vor, aber ihren Schrecken musste sie nun erklären. "Da in der Werkstatt stand... war gerade jemand", stammelte sie. "Ein alter Mann stand da!"

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