Bis jetzt jedenfalls hat er noch keinen Anstand gemacht, den Klügeren wieder zu spielen und ängstlich den siegreichen Rückzug anzutreten. Meine Frau hatte ihn heute an der Leine und Nero machte bisher keinen ängstlichen Eindruck wie gestern und mich dann letztendlich verlassen hat und er ins Wirtshaus schnurstracks auf dem kürzesten Weg, ohne nach links oder rechts zu schauen, nach Hause zurückkehrte.
Heute haben wir zu dritt den länglichen Erdhaufen umrundet, unsere Aufnahmen gemacht, Nero gelobt und ihm weiteren Mut zugekrault. Standen noch bei Nero beim Betreten des verwilderten Fleckens auch heute die Haare vom Kopfansatz bis zur Wirbelsäulenendspitze, was ja ein sicheres Zeichen für die Unsicherheit eines Hundes ist, so scheint sich diese gestrige Hundeunsicherheit heute mittlerweile oder doch bald gelegt zu haben. Vielleicht strahlt Wilma irgendwelche Kontrastrahlen aus, die, die Geisterstrahlen besonders für Nero unwirksam machen oder neutralisieren, was ja auch dafür sprechen sollte, dass wir beide, Wilma und ich die fünfzig Ehejahre langsam ansteuern und in mir alle Fremdgehenwellen von vornherein neutralisiert waren? Oder haben die Geister in diesem Laublabyrinth heute Ausgang und scheinen nicht da zu sein, denn sie sind dann sicher anderweitig damit beschäftigt, da ihr Unwesen zu treiben, da, wo sie sicher schon lange nicht mehr waren; vielleicht in den Eichen entlang der Straße und jetzt da darüber streiten, wer denn schuld daran ist, dass dieser heutige Anschlag auf mich so kläglich fehlgeschlagen ist: Eiche kaputt, böser Eindringling noch okay und weiter unternehmungslustig, um auch noch immer unser Geisterheiligtum eventuell aufzuklären oder zu zerstören! Zwar hat er immer wieder in der Luft herumschnuppert, gerade so, als ob er wieder etwas Gespenstisches in der Luft um uns oder über uns witterte, als ob da etwas über uns oder in unmittelbarer Nähe bei uns wär, was wir noch nicht wahr genommen haben, was wir Menschen im Gegensatz zum Hund noch nicht haben wahrnehmen können, da wir diesen Hundeinstinkt nicht haben oder das Gespürte noch nicht so richtig bei uns wahrgenommen oder richtig eingeordnet haben. Sicher war es nichts was Nero vielleicht große Angst machen könnte, wie vorhin der Umsturz dieser noch so gesunden und doch schon uralten und recht teuren Eiche am Straßenrand, die sicher in weiteren fünfzig Wachstumsjahren noch teurer und auch viel umfangreicher geworden wäre, oder etwas ähnliches und sicher Geheimnisvollesböses, was auch uns beunruhigen sollte, denn Neros dichte und lange Wirbelsäulenhaare lagen immer noch glatt auf seiner Wirbelsäule. Ob das die gute Wurst ist, die wir für ihn da im Gestrüpp versteckt haben, die er heute doch ein kleines bisschen schon mal ge- oder beschnuppert hat und er noch immer sicher am Überlegen ist, sie zu verachten oder aber doch hervorzuholen und dann in seinem Hundemagen verschwinden zu lassen? Wilma hat Nero dann noch einmal am Wurstversteck vorbeigeführt und Nero sie dann doch, nach einem kurzen Zögern herausgeholt und ließ sie sich auch, laut schmatzend, als ob er die hier waltende Geisterwelt mit seinem Schmatzen mehr als nur verärgern wollte mit etwas, was all die Geister heute nicht mehr können, da sie alle kein Körperinneres mehr haben, in seinem Innern verschwinden ließ.
Nachdem wir zu dritt die Wildnis wieder verlassen haben, habe ich meine Frau Wilma gefragt, was sie davon hält, wenn wir hier mitten drin, in dieser Gespensterwildnis oder diesem Gespensterhauptquartier, mitten unter der oder ihrer Oberaufsicht der für uns wahrscheinlich vielschichtigen Gespenstergesellschaft unser Häuschen bauen würden und wir hier unsern Lebensabend, hier in dieser urigen Landschaft, in der deine viel geliebten Pilze, nicht nur die Wiesenchampions, in unmittelbarer Nachbarschaft immer noch ganz groß geschrieben werden, verbringen könnten? Die Luft hier und das Klima und auch noch bis heute Unbekanntes scheint den Menschen hier nur gut zu bekommen, denn die paar Menschen hier scheinen alle sehr alt zu werden, wie man an den wenigen Grabsteinen auf dem kleinen Waldfriedhof lesen kann. Das Warum die Menschen hier so gesund alt werden, das haben wir viel später, als wir auch schon diese dritte Eigenschaft tüchtig, aber unwissend genossen haben. Von den Geistern selbst haben wir später erfahren dürfen, wer hier in Spukhausen die dritte, gute Eigenschaft auch ist. Und da Wilma eine sehr große Pilzgenießerin ist, habe ich natürlich auch die guten, vielen frischen Pilze und Sorten noch einige Male erwähnt, die ihr dann quasi fast vor der Haustür, ohne viel dazuzutun wachsen und sogar bis zu uns auch frisch geerntet ins Haus gebracht werden und beim Schmoren nach deftiger Hausmannskost schon sogar gegen den Wind man sie auch ungewollt weithin riechen kann. Von den guten und vielen gesunden Blaubeeren, egal wie du sie auch zurechtmachst, ganz zu schweigen, denn deine Blaubeerjoghurtmischung, versetzt mit einem Viertel Rotwein finden immer noch zu jeder Jahreszeit ein kleines Plätzchen im schon vollen Magen deiner Lieben, besonders nach dem Mittagessen zum Naschnachtisch. Auch zu unserm beliebten Kartenspiel müssten wir dann keine Nachbarn einladen, denn die fehlenden Mitspieler könnten dann die hier einstmals oder ehemaligen, umhergeisternden, Mitbewohner spielen; und das soll uns erst dann einer mal nachmachen! An Wilmas Miene konnte ich deutlich sehen, dass der Gedanke, dass dann vielleicht der eine oder der andere Geist mit uns Karten spielen könnte, scheint ihr doch nicht ganz zu behagen. Und bestimmt wird kein Spitzbub sich trauen da in unser Geisterhaus heimlich einzubrechen, denn da passen schon unsere weißen, vielen Knochengestalten auf, überhaupt dann, wenn die Menschen glauben, dass wir mit den Geistern so friedlich unter einer Decke nicht nur wohnen, sondern auch stecken und wir die vielen und grausamen Geistergeschichten weiter am Leben halten und immer wieder einige neue, wahre oder unwahre Geistergeschichten dazu dichten oder erzählen werden, was sicher die Furcht vor diesem Anwesen bestimmt nur verschärfen und ungebetene Gäste fernhalten würden, was ja später auch passiert ist, als zwei Gangster glaubten einen von uns geborgenen Schatz der bei uns im Safe aufgehoben war! Besonders die Geschichten müssten wir ausbauen, in denen uns die Geister erzählt haben, wie sie die Plünderer, die sich hierher in den großen Unruhezeiten verlaufen haben und dann voller Schrecken aus diesem Jagdschlossgemäuer immer wieder vor den vielen hier hausierenden Geistern fluchtartig ohne die geringste Beute, nur mit ihrem bisschen Leben getürmt sind. Zunächst musste ich ihr unser gestriges Gespräch mit dem Wirt erklären, dass wir im Katasteramt der nahen Kreisstadt sicher erfahren werden, wem hier das verwilderte Grundstück jetzt gehört oder gehört hat und wir auch erfahren können, ob wir da überhaupt auch bauen dürfen, ob das gesamte Grundstück nicht schon unter Geisterdenkmalnaturschutz steht, denn vielleicht ist das verwilderte Gelände ein Tummelplatz der bösen Unterwelt, die da auch schon ein ewiges, über hundertjähriges Wohnrecht in dem kleinen, abgeflachten Hügel genießen und vor dir jedenfalls schon mal heute kapituliert haben, denn gestern, ohne deine Begleitung wollte Nero auf keinen Fall mich auf dieses Grundstück hinein begleiten, sondern fluchtartig mit eingeklemmter Rute zurück ins Wirtshaus gelaufen ist, als ob die ganze Geisterwelt hinter ihm her sei und mich den ganzen Abend wie die Pest im Wirtshaus gemieden hat, um sich auch nicht irgendwie von der da herrschenden Geisterpest von mir, die ihm sicher nichts Gutes verriet, anzustecken oder er vergeistert wird, an dem scheinbar die Geisterpest für Nero, wenn auch ganz klein oder auch vorübergehend haftet. Vielleicht behagt den hier wirkenden Geistern deine Anwesenheit gar nicht und sie lieber den Rückzug vor dir angetreten haben, als Nero heute wieder davonlaufen zu lassen als sich mit dir dem zweibeinigen Eindringling erneut anzulegen, obwohl du bestimmt keine Haare auf deinen Zähnen hast. Als Wilma das hörte musste sie unwillkürlich laut lachen und sagte, dass sie mich von dieser ach so humorvollen Seite kaum noch kennt. Ich hatte so den Eindruck, dass ihr hier die Gegend schon gefallen würde, zumindest die hier immer wieder frischgeernteten oder auch die so frischgepflückten Blaubeeren und die Pilze, die man hier, ohne sich selbst bücken zu müssen preiswert ernten kann, indem man sie immer wieder, nicht zu teuer, in einer gewissen Jahreszeit, besonders in den Sommerferien von den hiesigen Ferienkinder oder ortsansässigen Pilzesammlern vom Frühsommer bis in den späten Herbst hinein auch käuflich erwerben kann, die, die Pflücker in Spukhausen unter einem Sonnenschirm vor ihrem Haus feilbieten und die jungen Leute sich hier immer etwas dazu verdienen können! Wilma hatte schon ein zehn Liter Leinensäckchen von den getrockneten Pilzen, die dann daheim, während der langen Wintermonate die guten, dicken Suppen wieder geschmacklich verfeinern sollten. Aber ich glaube, dass sie, Wilma hier nach dem alten bekannten Sprichwort handelt, das man eigentlich für die Ehe anwendet, das da heißt: „Drum prüfe was sich ewig bindet, ob sich nicht noch etwas Besseres findet, besonders dann, wenn man sich auch dazu die Zeit nimmt!“ Auch ein Haus baut man nicht mehrmals im Leben, sondern in der Regel auch nur einmal, besonders dann, wenn, wer und wie auch immer dem Häuslebauer keinen Strich durch das gebaute ‚Häusle‘ zieht, was bei uns sicher schon einmal geschehen ist, das eigene Häusle bauen, es sei denn, dass man es, das alte zu einem guten Preis dann verkaufen kann und da sollte es auch schon für ein Leben oder sein Lebenswerk sein, aber nur, wenn dann auch schon neuer Ersatz da ist, den man beziehen kann und sich dann auch darin vielleicht etwas wohler fühlt als im alten Häuschen.
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