„Das macht doch den Reiz aus, oder nicht?“
„Meinen Sie, Ray? Ich weiß nicht ...“
Sie ließen ihre Gedanken zwischen den zerfurchten Hügeln weilen. „Gott, dieses Land ist so verdammt öde. Keine Bäume oder Blumen, nicht mal das Meer oder so etwas.“ Tony stieß resigniert die Luft aus.
„Sind wohl nicht von hier?“
Tony grinste: „Halten Sie mich für einen Provinzler? Bestimmt nicht. Meine Heimat ist Südflorida. Waren Sie schon mal in Miami, Ray?“
„Nein.“ Er zündete sich eine neue Zigarette an.
„Müssen Sie unbedingt mal hin. Nicht so ein vereinsamtes Loch wie Ashland.“
„Mir gefällt es.“
„Vielleicht, wenn man auf der Flucht vor etwas ist. Oder auf irgendetwas ganz Großes hofft.“
„Was hält Sie hier, Tony?“
Der andere zuckte die Schultern: „Geschäfte, eine Frau wie Ira.“ Er sah Ray an. „Die Hoffnung auf etwas ganz Großes.“
Ray nickte und deutete mit der brennenden Zigarette auf die rotbraunen Hügel. „Hoffnungen.“
„Sie sagen es.“
Iras Stimme drang von oben zu ihnen herab. Sie hoben die Köpfe und sahen die Frau in einem der Fenster. Ihr Gesicht war blass, das blonde Haar sah zerzaust und stumpf aus. „Entschuldigen Sie, Ray. Tony, würdest du mal bitte zu mir hochkommen?“
„Klar doch.“ Er drückte seine Zigarette aus, nickte Ray zu und ging zur Haustür.
Rays Blick begegnete dem von Ira. Sie sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck an, halb voller Furcht, halb voller Sehnsucht. Keiner sagte ein Wort. Als Tony an ihre Zimmertür klopfte, schenkte sie ihm ein schnelles Lächeln und schloss das Fenster.
Seine Hand strich abwesend durch sein Haar, als er sich wieder auf die Fensterbank lehnte und in die Ferne schaute.
„Ich hoffe, Sie mögen das. Kochen ist nicht unbedingt meine Stärke.“ Tony hatte sich eine karierte Schürze umgebunden und stand am Herd.
„Ich esse auch Schuhsohlen“, bemerkte Ray trocken, der im Durchgang zum Esszimmer lehnte.
„Klar, Soldatenmentalität. Na, so schlimm wie an der Front sollte es aber nicht werden. Nehmen Sie mal die Teller, ja?“
Der Geruch nach gebratenem Speck durchdrang die Luft. „Geht doch nichts über Iras Kochkünste. Müsste ich mich selbst ernähren, dann gute Nacht.“ Tony kam mit der Pfanne in der Hand an den Esstisch und schaufelte Spiegelei und Speck auf drei Teller. „Sein Sie so gut und rufen Sie noch mal nach Cora, tun Sie das, Ray?“
Die Tür öffnete sich und das Mädchen trat ein.
„Hat sich erledigt“, witzelte Tony, aber Cora sah ihn nur unfreundlich an. Sie setzte sich Ray gegenüber und starrte mit hängenden Mundwinkeln auf ihren Teller. Ihr rotblondes Haar hatte sie über das linke Ohr gekämmt.
„Es ist genießbar“, sagte Tony, der ihren Blick bemerkt hatte.
„Ich habe ohnehin keinen Hunger“, antwortete sie eisig.
„Mir egal. Lassen Sie es sich schmecken, Ray.“ Tony begann zu essen.
Ray sah das Mädchen einige Augenblicke an, dann zerkleinerte er seine Streifen gebratenen Specks.
Das Essen verlief schweigsam. Schließlich seufzte Tony, legte sein Besteck zur Seite und erhob sich. „Ich werde Ira eine Kleinigkeit nach oben bringen. Entschuldigt mich.“ Damit ging er hinüber in die Küche. Dort hantierte er kurz am Herd und bald darauf waren seine Schritte auf der Treppe zu hören.
Cora schob ein Stück Speck auf ihrem Teller umher, den Blick bemüht von Ray abgewandt.
„Sie sollten etwas essen“, sagte er sanft.
„Behandeln Sie mich nicht wie ein Kind, das steht mir bis hier!“, begehrte sie auf. Ein aggressives Funkeln trat in ihre Augen, ihre Wangen röteten sich.
Er sah sie mit ausdrucksloser Miene an: „Ich hatte nichts desgleichen vor. Ich bin nur der Auffassung, dass man bei Kummer jeglicher Art ausreichend essen sollte.“
„Kummer? Was wissen Sie denn schon davon?“
„Meinen Sie, ich hätte keinen in meinem Leben gehabt, Ms. Reed?“
Ihre Schultern sackten zusammen, der starre Ausdruck ihrer Augen zerbrach, wurde unstet. „Tut mir leid, Mr. Corbin. Sie können ja nichts dafür.“
„Schon in Ordnung.“
Sie schüttelte den Kopf, den Blick von ihm abgewandt. „Ist es nicht. Ich habe mich unmöglich benommen.“
Er zuckte die Schultern: „Vermutlich sind Sie noch sauer auf mich.“
Sie schüttelte erneut den Kopf, dann nickte sie heftig. „Ja, vielleicht.“
„Hätte ich gewusst, dass es Ihnen so viel bedeutet, dann hätte ich Ira und Tony nichts von unserem Ausflug gesagt.“
„Es ist … nie habe ich etwas für mich. Immer muss sie sich einmischen.“ Ein Schluchzen schlich sich in ihre Stimme.
„So schlimm wird es schon nicht sein.“
„Doch, ist es!“
Das Schweigen lastete für einen Moment auf dem Raum.
„Entschuldigen Sie, Mr. Corbin. Sie müssen einen schrecklichen Eindruck von mir haben.“
„Keineswegs.“
Sie lächelte, aber in ihren Augen schimmerten Tränen. „Sie sind nett.“
„Na, immerhin.“
Ein kurzes, weiches Lachen entstieg ihrer Kehle. Dann schüttelte sie erneut den Kopf: „Ich lasse meinen ganzen Frust an Ihnen aus, dabei sollte ich Donald die Hölle heiß machen.“
„Ich war im Krieg, mit mir kann man es ja machen“, sagte er und lächelte.
„Tut mir leid. Aber Donny und ich, wir haben uns gestern Abend fürchterlich gestritten. Er ist so schrecklich eifersüchtig.“
„Das sind die meisten Jungs.“
„Er ist ein Armleuchter. Sein Gerede über seine Karriere als Bomberpilot … Gott, war mir das in Ihrer Anwesenheit peinlich.“
„Solche Grünschnäbel hatten wir zuhauf in der Armee. Sobald ihnen die ersten Kugeln um die Ohren pfiffen, hatten sie die Hosen gestrichen voll.“
„Trotzdem, manchmal ist er ein Trottel.“
„Aber manchmal auch nicht.“
Sie zuckte die Schultern. „Lassen Sie uns nicht mehr über ihn sprechen.“
Ray nickte und sagte: „Ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wir klauen uns eine Flasche Wein aus der Vorratskammer und köpfen sie auf der Veranda. Dabei stellen wir uns vor, der Packard sei der Cimarron. Was meinen Sie?“
„Ist das Ihr Ernst?“
„Es ist kein Ausflug, wenn Sie das meinen.“
„Nein, ich finde die Idee wunderbar.“
„Großartig.“
„Ich hole den Wein und die Gläser, Sie können es uns schon einmal auf der Veranda gemütlich machen.“ Sie erhob sich und ging mit kleinen, tanzenden Schritten in die Küche.
Ray sah ihr einen Augenblick lang nach, das Lächeln auf seinen Lippen wich einem nachdenklichen Strich. Schließlich stand er auf und verließ das Esszimmer.
Die Dunkelheit hatte sich über die Red Hills gelegt, bedeckte die erdigen Narben und sog einen Teil der Tageshitze auf. Aber die Luft war dennoch feucht und drückend, wurde von einem trägen Wind über das leblose Gras getrieben und rauschte in den ausgedörrten Bäumen.
Als er die Lampe auf der Veranda entzündete, begannen die Mücken ihren Tanz um das Licht.
Ray tastete nach seinen Zigaretten und stellte seufzend fest, dass die Packung leer war. Er knüllte sie zusammen, beförderte sie auf ein kleines Tischchen und schlenderte zur Hollywood-Schaukel hinüber.
„Was für ein Wetter“, sagte Cora, als sie mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern herauskam.
„Vermutlich gibt es Gewitter.“
Sie stellte die Gläser ab und reichte ihm die Flasche. „Machen Sie die auf? Hier ist ein Korkenzieher.“ Die junge Frau setzte sich in die Schaukel, die Beine übereinander geschlagen, und sah ihm dabei zu, wie er den Korken entfernte und den Wein einschenkte. Ihr Blick fiel auf die leere Schachtel Zigaretten: „Haben Sie keine mehr?“
„Nein.“
„Sagen Sie Tony, er soll Ihnen morgen welche aus der Stadt mitbringen.“
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