Schließlich kam sie zu ihm herüber, ihre Frisur hatte sich aufgelöst, blonde Strähnen spielten um ihre Ohren und in ihre Stirn. „Hier.“ Sie hielt ihm die Kanne und ein Glas hin.
Er nahm sie und seine Finger berührten ihre Hand, doch sie zog sich zurück, als hätte sie sich verbrannt. „Wir müssen zurück“, sagte sie, den Blick abgewandt.
Das kalte Wasser floss seine Kehle hinab und belebte seinen überhitzten Körper. Er erhob sich und streifte sein Hemd über, nahm seinen Koffer und wartete, die qualmende Zigarette im Mundwinkel.
Ira räumte den Korb ein, dann sah sie sich noch einmal prüfend im Raum um. „Gehen wir.“ Ihre Stimme war leise.
Ray öffnete die Tür und sie traten hinaus in den frühen Nachmittag. Die Hitze umfing sie wie ein klebriges Tuch. „Es ist schlimmer geworden“, stöhnte Ira und wischte sich die Stirn.
Er sah in den Himmel, aber noch immer stellte sich der gnadenlosen Sonne nichts in den Weg. Nur weit im Westen durchzogen ein paar dünne Schlieren das makellose Blau.
Sie gingen den Hügel hinab zum Pick-up, das trockene Gras raschelte unter ihren Schritten.
Ray kletterte auf die Ladefläche und vertäute den Lederkoffer, dann sprang er auf den staubigen Weg zurück.
Sie lehnte am Wagen, eine Hand über den Augen, um das grelle Sonnenlicht abzuwehren, den Korb zwischen den Beinen. Ihr Gesicht war gerötet. „Ray, ich … sei mir nicht böse …“ Sie sah ihn unter dem Schatten ihrer Hand hindurch an, ihre Augen ohne Glanz, schmutzig durch die braunen Flecken darin.
Er antwortete ihr nicht, sondern beugte sich vor und küsste sie roh auf den Mund. Sie erwiderte den Kuss nicht, noch wich sie ihm aus. Ihre Lippen waren leblos. Als er von ihr abließ, starrte sie durch ihn hindurch in die endlosen Weiten der Red Hills.
Ohne ein weiteres Wort ging er um den Wagen herum und stieg ein. Die Hitze in der Kabine war unerträglich. Als er den Motor anließ, kletterte Ira auf den Beifahrersitz und sie fuhren davon.
Der schwarzweiße Packard stand vor dem Haus, als sie die Baumreihen passierten.
„Tony ist wieder zurück“, bemerkte Ira mehr zu sich selbst und versank wieder in Schweigen.
Ray zuckte die Schultern und parkte den Wagen. Er stieg aus, um seine Sachen von der Ladefläche zu nehmen, aber die blonde Frau blieb regungslos sitzen, den Blick starr auf die Kühlerhaube gerichtet. Er trat zu ihr und zündete sich eine Zigarette an. „Steig aus, Ira. Er wird nichts erfahren“, sagte er und öffnete die Tür.
Sie verharrte einen Augenblick, dann kletterte sie steifbeinig vom Sitz. Ihr Gesicht war ausdruckslos, die Röte war einer kränklichen Blässe gewichen. Sie ging an ihm vorbei, die Stufen zur Veranda hinauf, den Kopf gesenkt.
Unvermittelt wurde die Tür geöffnet und sie zuckte merklich zusammen, als Tony ihr entgegen trat, ein breites Lächeln auf den Lippen. Er wischte sich die Hände an einem alten Lappen ab und redete auf Ira ein. Ray konnte nicht verstehen, was sie sprachen, aber Ira schüttelte heftig den Kopf, dann ließ sie Tony stehen und verschwand ins Haus.
Der Mann kam mit gerunzelter Stirn zum Wagen herüber. Er trug eine fleckige Hose und ein durchschwitztes Hemd mit Pferdeköpfen darauf. „Tag, Ray. Ganz schöne Hitze, was?“
Der andere nickte zur Antwort und schloss die Wagentür.
„Macht einen ganz wirr im Kopf, die Hitze. Nehmen wir die Frauen, Ray. Bei so einem Wetter ist schwer mit ihnen auszukommen. Sie sind schlecht gelaunt oder leiden an Kopfschmerzen. Habe ich nicht Recht?“
Sie gingen zur Veranda.
„Wenn Sie es sagen, Tony.“
„Genau das sage ich. Muss ja ein toller Morgen für Sie da draußen gewesen sein, Ray. Ich meine, ich kenne Ira – wenn sie in so einer Stimmung ist, dann ist der Tag gelaufen.“
Ray deutete auf seinen Koffer: „Den Steinen macht die Hitze nichts aus.“
Tony lachte kurz auf: „Recht haben Sie, Ray! Bleiben Sie bei Ihren Steinen, ich bleibe bei meiner Arbeit. Da kann heute nichts schief gehen.“ Kopfschüttelnd ging er in Richtung des Schuppens davon.
Den Blick auf die Red Hills gerichtet, rauchte Ray seine Zigarette zu Ende, dann betrat er das Haus. Die relative Kühle des Inneren ließ ihn aufatmen, als er das Arbeitszimmer betrat. Er stellte den Koffer auf dem leer geräumten Schreibtisch ab und ging hinüber in die Küche.
Das Mädchen war nicht da, aber im Kühlschrank stand ein Krug Limonade, aus dem er sich ein Glas einschenkte.
Vom Garten her wurde die Küchentür aufgestoßen und Tony kam herein. „Lassen Sie sich nicht stören, Ray. Wollte eigentlich ein bisschen Ungeziefer jagen, aber Gott weiß, wo dieses verdammte Rattengift hin ist. Ich könnte schwören, dass es im Schuppen stand, aber Fehlanzeige.“ Er begann damit, leise murmelnd die Speisekammer zu durchsuchen, dann den breiten Küchenschrank und schließlich die Fächer unter der Spüle.
„Schenken Sie mir doch auch ein Glas ein, Ray. Seien Sie so nett. Hier ist es also. Frage mich, wie es dorthin kommt.“ Er zog eine weiße Papiertüte unter dem Spülbecken hervor. „Als ob wir die verdammten Viecher in der Küche hätten. Wissen Sie, wo sich die aufhalten, Ray? Unter der Veranda. Manchmal kann man sie da nachts hören. Danke.“ Er leerte sein Glas in zwei Zügen und nickte dem anderen Mann zu. „Ich werde dann mal.“ Damit verließ er die Küche wieder.
Ray trank seine Limonade, noch immer auf die Küchentür starrend, als würde sie jeden Moment wieder aufgestoßen. Aber Tony blieb verschwunden.
Ray drehte den Stein noch einmal in den Händen, strich mit den Fingern über seine raue Oberfläche und legte ihn dann nachdenklich beiseite. Der Schreibtisch war zu einem geologischen Ausstellungsstand umfunktioniert worden. Gesteinsproben ruhten ordentlich aufgereiht und mit kurzen Notizen versehen nebeneinander. In Glasfläschchen gefüllte rotbraune Erde daneben, die Etiketten mit Rays hektischer Handschrift gekennzeichnet. Vier Reagenzgläser lagen, exakt aneinander ausgerichtet, vor ihm, die Erde darin schattiert und mit Kieseln durchsetzt.
Er nahm einen Block zur Hand, blätterte darin, strich Passagen mit einem Rotstift an und besah sich erneut einzelne Proben. Dann verstaute er die Papiere in der obersten Schublade, stand auf und dehnte sich müde. Die Luft im Arbeitszimmer war warm und roch nach Erde. Er ging zum Fenster hinüber und öffnete es. Zähe Hitze drang herein.
Sein Streichholz entzündete eine Zigarette und Ray lehnte sich auf die Fensterbank um zu rauchen. In einiger Entfernung sah er Tonys Gestalt, die um den hölzernen Schuppen ging und die einzelnen Latten begutachtete. Nach einiger Zeit bemerkte er Ray und schlenderte herüber, um sich ebenfalls eine Zigarette anzuzünden und in den Mundwinkel zu klemmen. Sein Blick wanderte hinauf zu einem Punkt über Ray und das Grinsen wurde breiter.
Ray wandte den Kopf und blickte nach oben. In einem Fenster sah er Cora, die ihn beobachtete. Ihr Gesicht war ernst und angespannt, aber als Tony sie entdeckte, verzerrte es sich vor Wut. Im nächsten Moment war sie verschwunden und das Fenster mit einem Knall verschlossen.
„Seien Sie bloß nett zu unserer Prinzessin, sie ist heute in einer ausgesprochen charmanten Laune.“
„Sie sah aus, als wünsche sie Ihnen die Pest an den Hals, Tony.“
Der Mann strich amüsiert über seinen schmalen Schnurrbart. „Das tut sie immer. Aber heute ist sie ungenießbar. Soviel ich weiß, hatte sie gestern Nacht einen saftigen Streit mit Donald.“ Er blies betont langsam den Rauch aus.
„Vielleicht sollten Sie sie dann einfach in Ruhe lassen.“
Tony verzog entrüstet den Mund: „Ich tue ihr doch gar nichts.“
„War nur ein Vorschlag, regen Sie sich nicht auf.“
„Sie schätzen die Kleine falsch ein, Ray.“
„Vielleicht.“
„Manchmal werde ich aus Frauen einfach nicht klug. Man glaubt, sie verstanden zu haben, und im nächsten Moment überraschen sie einen mit dem genauen Gegenteil.“
Читать дальше